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Würzburg: Überzogen? Warum einige Kickers-Fans als "Gewalttäter" gelten

Würzburg

Überzogen? Warum einige Kickers-Fans als "Gewalttäter" gelten

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    Während die Spieler der Würzburger Kickers im Vordergrund den Aufstieg feierten, brannten einige Fans vor dem Stadion Pyrotechnik ab.
    Während die Spieler der Würzburger Kickers im Vordergrund den Aufstieg feierten, brannten einige Fans vor dem Stadion Pyrotechnik ab. Foto: Silvia Gralla

    Der Aufstieg der Würzburger Kickers in die zweite Fußball-Bundesliga war für rund 250 Fans der Unterfranken ein Anlass, um eine spontane Feier zu starten. Bier floss, die Stimmung war bestens – und Pyrotechnik brannte. Das ist bekanntermaßen verboten und führte dazu, dass die Polizei auf den Plan trat. Die Ordnungshüter stellten Personalien fest, gegen einige Kickers-Fans gab es Anzeigen wegen eines Sachschadens und Körperverletzung. Was drei von ihnen wahrscheinlich nicht wissen: Sie sind seitdem in der Datei „Gewalttäter Sport“ aufgeführt.

    Darin sammelt das Bundesinnenministerium Informationen über Personen, die in Zusammenhang mit Sportveranstaltungen auffällig wurden. Während sich einige den Eintrag in diese Datei durch schwere Straftaten „redlich verdient“ haben, bemängeln Kritiker die Unverhältnismäßigkeit und Intransparenz der Datei: Teilweise reicht schon die Feststellung von Personalien für einen Eintrag.

    Betroffene werden nicht informiert

    Zudem werden Betroffene – wie im Würzburger Fall – nicht informiert, wenn sie neu eingetragen werden und können sich folglich auch nicht juristisch dagegen wehren. Schlagzeilen machte vor kurzem eine Auskunft des Ministeriums, wonach es selbst in Zeiten der Geisterspiele 1056 Neueintragungen gegeben hatte. Das Innenministerium begründet das damit, dass der Eintrag in die Datei „nicht zwingend an den Tatzeitpunkt gebunden“ ist. Wichtig sei eine umfangreiche Prüfung des Einzelfalls, „sodass zwischen Tatzeitpunkt und Eintrag durchaus mehrere Monate liegen können“.

    Die Fanbeauftragte der Würzburger Kickers Tanja Bartsch äußert sich auf Nachfrage dieser Redaktion folgendermaßen zu dem Thema: "Mir sind die Probleme bekannt und ich habe Verständnis für die Fans. Deshalb verfolge ich als Fanbetreuerin die Entwicklungen sehr genau und kritisch. Allerdings vertrauen wir als Verein FC Würzburger Kickers auf die Rechtsstaatlichkeit und eine gerechte Behandlung der Fans." Der größte Fan-Klub der Kickers "Dallenberg Supporters Club" wollte sich auf Nachfrage nicht äußern. 

    Politiker kritisiert Unverhältnismäßigkeit

    Für Maximilian Deisenhofer, den sportpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion der Grünen, ist es ein Unding, wie leicht man in besagter Akte landet: „Weil diese Leute bei einer Siegesfeier Pyrotechnik abgebrannt haben, sind sie nun in einer Datei aufgeführt, die ,Gewalttäter Sport' heißt – das kann doch nicht sein.“ Die Informationen des bayerischen Innenministeriums gehen auf eine Anfrage Deisenhofers zurück, der sich mit dem Thema befasst hat und eine „dringende Reform“ der Datei fordert.

    Der Politiker kritisiert vor allem die aus seiner Sicht unzureichende Transparenz und Unverhältnismäßigkeit: „Das Grundproblem ist, dass man nicht Bescheid bekommt. Und wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, kann es sein dass man in dieser Datei ist und Einschränkungen in seinem Privatleben hinnehmen muss.“

    Fan wird an Urlaubsreise mit Freundin gehindert

    Ein Eintrag in die Datei bedeutet zwar nicht zwingend, dass der Betroffene ein Stadionverbot erhält, im privaten Bereich seien aber sehr wohl Repressalien zu befürchten. Betroffene berichten, dass sie mit ihrer Freundin in den Urlaub fahren wollten und am Flughafen von der Bundespolizei gesagt bekamen, dass ihnen die Einreise verweigert wird, weil im Zielort bald ein Fußballspiel stattfindet.

    Bleibt die Frage, warum es selbst in Zeiten der Pandemie bundesweit 1056 Neueintragungen in der Datei gegeben hat, in Bayern immerhin noch 48 im Zeitraum zwischen 1. Januar 2020 und 12. Februar 2021? Wie aus der Antwort der Staatsregierung hervorgeht, handelt es sich bei den meisten Fällen um ältere Vergehen aus 2019, 2018 oder sogar 2017. Währenddessen gab es 143 automatische Löschungen.

    Die "Datei Gewalttäter Sport"Das Bundeskriminalamt führte 1994 die „Datei Gewalttäter Sport“ (DGS) ein. Laut Auskunft der Polizei ist diese eine Datensammlung „über Gewalttäter, die insbesondere im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen auftreten“. Diese soll der Polizei dabei helfen, „durch gezieltere Maßnahmen gegen Einzelne zum sichereren Verlauf von Veranstaltungen beizutragen“. Gespeichert werden Name und Adresse, der Grund für die Aufnahme in die Datei, ob ein Stadionverbot vorliegt und welchen Verein die Person als Fan unterstützt.Aktueller Stand Zum Stichtag 4. Februar waren bundesweit 7841 Personen in der Datei erfasst, was einem deutlichen Rückgang im Zehn-Jahres-Vergleich entspricht. Laut dem Bundesinnenministerium lag diese Zahl am 1. Januar 2011 noch bei 16 655. Bei den meisten der aufgeführten Personen handelt es sich um Fußballfans. Wie lange jemand in der DGS gespeichert ist, dazu gibt das Innenministerium auf Anfrage keine eindeutige Antwort. Die meisten Neueintragungen im Zeitraum zwischen März und Dezember 2020 sind auf Landfriedensbruch zurückzuführen (3324), dahinter folgen Körperverletzung (795), Platzverweise (839), Personalienfeststellung (779) und Körperverletzung (619).Quelle: foe

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