Die Merkel, der Scholz und der deutsche Durchschnittsbürger sowieso: Bei Kabarettist Urban Priol bekommen sie alle ihr Fett weg. Auf der Bühne ist bevorzugt die Politik das Metier des 62-jährigen Aschaffenburgers, abseits davon gilt seine Leidenschaft neben automobilen Oldtimern und gutem Wein vor allem dem Fußball. Grund genug, ihn zu den "Abseitsgesprächen", dem Fußball-Podcast dieser Redaktion einzuladen. Und ein kleines Gespräch zu führen über Sinn und Unsinn moderner Fernsehreportagen, pinke Nationaltrikots und Borussia Mönchengladbach.
Herr Priol, Sie gelten als großer Gladbach-Fan. Früher war das ja mal so ein Intellektuell-Ding. Hauptsache nicht Bayern.
Urban Priol: So war das bei mir in den Siebzigern. Die Anti-Bayern-Haltung war da. 1972 haben die Bayern ihr Stadion wegen Olympia ja quasi für lau bekommen. Gladbach hatte nur den kleinen Bökelberg. Und weil Zuschauerzahlen damals noch den Etat beeinflussten, musste Gladbach immer die besten Spieler verkaufen. Da hab ich gedacht, die suchst du dir mal raus. Und dann Europapokal der Landesmeister 1976. Hinspiel 2:2 am Bökelberg. Im Bernabeu-Stadion ging es 1:1 aus, Gladbach wurden zwei astreine Tore von Wittkamp und Jensen aberkannt vom holländischen Schiedsrichter Leonardus van der Kroft. Da war klar: Wer so verpfiffen wird, zu dem hältst du jetzt. Und nach Holland und Spanien bin ich danach nicht mehr in den Urlaub gefahren.

Sie sind Mitglied der Akademie für Fußball-Kultur. Ist da nicht ein Widerspruch in sich?
Priol: Nein, überhaut nicht. Fußball und Kultur haben beide mit Emotionen zu tun, das passt schon zusammen. Beides ist Unterhaltung. Okay, bei uns auf der Bühne wird nicht so viel Pyro gezündet, wir brauchen keinen Polizeischutz und es gibt auch keine Hooligans.
Aber ganz einfach ist ein Kabarett-Publikum ja auch nicht, oder?
Priol: Oh ja. Die Aschaffenburger Viktoria hat einmal im DFB-Pokal gegen den 1. FC Köln gewonnen. Köln war bis dato in der Saison ungeschlagen, Udo Lattek war Trainer, trug immer einen blauen Pullover, wollte ihn tragen bis zur ersten Niederlage. Wenige Tage später hatte ich einen Auftritt in Köln zusammen mit meinem Kollegen Klaus Staab. Wir haben blaue Pullover angezogen und hatten jeder einen Schirm von Viktoria Aschaffenburg dabei. Wir hatten den Ernst, den der Fußball in Köln einnimmt, unterschätzt. Kein einziger Lacher, kein Beifall, eisiges Schweigen.

Vielleicht nicht gerade geschwiegen, aber zumindest deutlich weniger geredet wurde früher bei Fußball-Übertragungen im Fernsehen. Heute gibt's Statistiken in Dauerschleife.
Priol: Das war doch schön, man konnte sich aufs Spiel konzentrieren. Wenn ich mich an Ernst Huberty erinnere: "Vogts auf Beckenbauer, Beckenbauer wieder zu Vogts, hat den Ball, weiter auf Hoeneß, auf Müller, Müller, Müller, Tor. Herrlich, das gab einem so eine innere Ruhe. Heute bekommst du erzählt, zum wievielten Mal sich ein Spieler am Mensikusköpfchen verletzt hat und wer seine aktuelle Freundin ist. Lasst mich doch einfach Fußball schauen.

Die Europameisterschaft steht vor der Tür. Es gab im Vorfeld ja Aufregung um die deutschen Auswärtstrikots in Pink und Lila.
Priol: Ich verstehe diese Aufregung nicht. Es hieß, die Mannschaft verweichlicht. Meine Güte. Ist doch ein schönes Trikot. Sollen wir in Schwarz antreten und am besten noch einen Trauerflor einweben? Die allgemeine politisch-depressive Stimmung im Land ist doch schon schlimm genug. Ob Energiekrise oder Inflation, da wird von Weimarer Verhältnissen geredet. Als würden Deutschland untergehen und die Bordkapelle spielt dazu. Ich wünsche mir einfach eine fröhliche EM. Vielleicht spielt dann ja eine Bordkapelle. Aber fröhliche Weisen.