Man hat ja auf dieser fußballrunden Welt schon viel erlebt und zumindest theoretisch ist auch nach dem 0:1 (0:0) beim TSV Buchbach noch immer die Meisterschaft drin. Mit einem nüchternen Blick auf die bittere Realität ist diese Saison für Fußball-Regionalligist Würzburger Kickers aber seit Ostersonntag kurz vor 18 Uhr endgültig erledigt. Und selbst wenn das Team im Tableau, zumindest bis der FC Bayern München II am Mittwoch sein Nachholspiel beim TSV Aubstadt absolviert hat, auf dem zweiten Rang steht, ist die Bilanz mehr als nur ernüchternd. Am Ende könnte wohl auch ein Derbysieg am 2. Mai beim trotz Heimniederlage (1:2 gegen Bayern II) seit dem Osterwochenende fast schon als Meister feststehenden FC Schweinfurt 05 die Stimmungslage bei den Rothosen nicht mehr aufhellen. Zu oft haben die Kickers ihre Fans enttäuscht. Dabei war angesichts des Direktaufstiegs und der Liga-Konstellation die Gelegenheit günstig, die so sehr erwünschte Drittliga-Rückkehr zu schaffen. Eine Analyse des Scheiterns in drei Kapiteln:
1. Die Mannschaft

Soll man diese Ansammlung von Berufsfußballern nun tatsächlich Mannschaft nennen? Als echte Einheit traten die Kickers auf und neben dem Platz fast nie auf. Auch wenn einzelne Spieler oft das Gegenteil betonten, in der Realität wirkte es meist ganz anders. Es schien, als ob jeder für sich und seine Interessen spielen würde. Letztlich verständlich, bei einem Klub am unteren Ende der Zone, in der Profifußball noch stattfindet, wo jeder darum kämpft, ein kleiner Teil dieses Geschäfts zu bleiben oder erst richtig zu werden. Anders als in den beiden Vorjahren unter Ex-Trainer Marco Wildersinn gelang es dieses Mal nicht, die verschiedenen Einzelinteressen hinter einem großen gemeinsamen Ziel zu vereinen.
Dass mit Peter Kurzweg der Kapitän über die gesamte Saison mit einem Kreuzbandriss ausfiel und auch Vize-Kapitän Daniel Hägele ein halbes Jahr lang verletzt aussetzen mussten, tat sicherlich sein Übriges. Eine Hierarchie bildete sich in der Mannschaft nicht heraus. Wenn man rückblickend fragt, wer diesem Team in schwierigen Phasen Halt geben konnte, bleiben Fragezeichen. Identifikation und Herzblut für den Klub waren bei den wenigsten zu spüren. Letztlich schien sich jeder selbst der Nächste zu sein.
Klar hatten im Sommer herausragende Spieler wie Ivan Franjic, Saliou Sané, Marius Wegmann oder Benjika Caciel den Klub verlassen (die auf ihren neuen Stationen übrigens auch nicht wirklich glücklich wurden). Dennoch hätte die individuelle Qualität des neuen Teams reichen müssen, um sich am Ende der Saison deutlich von einem Dorf-Klub wie dem TSV Buchbach abzusetzen, der nach dem direkten Duell am Ostersonntag nach Punkten mit den Würzburgern gleichzog. Die Kickers hatten zum Beginn der Spielzeit versucht, die Abgänge zu kompensieren, indem sie mit Benjamin Girth einen Zweitliga-erfahrenen Stürmer geholt hatten – oder mit Moritz Hannemann einen technisch beschlagenen Mittelfeld-Regisseur. Im Winter legten sie mit Abwehrmann Alexander Winkler und Stürmer Lado Akhalaia noch nach. Und nicht zuletzt blieb ein Korsett aus Spielern aus dem Meisterteam. Richtig zusammen wuchsen die alten und neuen Spieler aber eben nie.
2. Die Trainer

Als sich die Kickers im September nach einem knappen Drittel der Saison schon wieder vom erst im Sommer gekommenen Markus Zschiesche trennten, sprachen viele von einem Missverständnis. Von atmosphärischen Störungen zwischen Team und Trainer war da die Rede. Zschiesches Nachfolger Martin Lanig analysierte schnell, dass das Team nicht fit genug sei für den Wettbewerb und sprach fortan wahlweise von „einem Weg“ oder „einem Prozess“, den es zu bewältigen gelte. Ziemlich genau ein halbes Jahr nach der Verpflichtung des Ex-Bundesliga-Profis scheint die Trennung unvermeidlich, wirkt es, als sei das Tischtuch zwischen dem Trainer und den Spielern erneut zerschnitten.
Lanig wurde als Reformer verpflichtet, als einer, der wie elf Jahre zuvor Bernd Hollerbach, den Klub mit seiner Bundesliga-Erfahrung professionalisieren sollte. Doch anders als der kantige Rimparer schaffte es der durch einen Job als Drittliga-TV-Experte rhetorisch geschulte Tauberfranke nicht, die Leute auf seinem „Weg“ mitzunehmen. Wirklich überzeugt davon, dass der eingeleitete „Prozess“ zumindest mittelfristig zum Erfolg führt, ist inzwischen so gut wie niemand mehr – weder Fans noch Spieler oder Funktionäre.
Das Hin und Her auf der Torwartposition, die nach wie vor rätselhafte Degradierung des einstigen Führungsspielers Maximilian Zaiser, der in Buchbach für den mit einer Adduktorenverletzung ausgeschiedenen Hannemann aufs Feld kam. Lanig sorgte mit seinen Entscheidungen selbst im näheren Umfeld des Teams und auch bei den Spielern oft für Kopfschütteln.
Erklären wollte sich der Trainer nicht. Aber auch sportlich lieferte Lanig kaum Argumente dafür, dass sein Kurs der richtige ist. Die Chancen, die die in der Rückrunde eklatant schwächelnde Konkurrenz den Kickers immer wieder bot, ließen die Rothosen gleich reihenweise liegen, auch weil dem Team offensichtlich ein Offensivkonzept fehlt. Der Auftritt in Buchbach war da beispielhaft. Eine einzige dicke Torchance durch Alem Japaur erspielten sich die Kickers in einer zähen Partie. Da half auch die defensive Stabilität nicht viel. Ein abgefälschter Schuss fiel zum entscheidenden 1:0 in den Kasten. So etwas kann immer einmal passieren. Die Kickers hatten darauf keine Antwort.
Trotzdem war Lanig auch danach noch vom eigenen „Weg“ überzeugt. „Klar, gibt es immer Themen, die man verbessern kann. Nichtsdestotrotz ist die Mannschaft in eine gute Richtung gegangen und hat sich an vielen Stellen verbessert“, sagte er am Sonntag. Von Selbstkritik keine Spur.
3. Die Führung

Ob sie es bereits geahnt hatten, dass es eh nichts werden wird? Von den Kickers-Führungskräften war am Ostersonntag erst gar niemand nach Buchbach gekommen. Auch Sportdirektor Sebastian Neumann oder Vorstandsvorsitzender André Herber nicht. Und das, obwohl die Kickers doch um ihre vermeintlich letzte Chance spielten, diese Saison noch zu retten.
Die Atmosphäre zwischen Neumann und Trainer Lanig ist ohnehin seit Monaten gestört. Lanig kritisiert seit Amtsantritt die Team-Zusammenstellung, Neumann indes kann auf die Zeit mit ihm als Interimstrainer verweisen, in der die Kickers ihre wohl besten Spiele zeigten. So schlecht kann dieser Kader also nicht sein.
Die Kickers taten und tun nichts, um diesen Konflikt aufzulösen. Während andernorts die Kaderplanung für die kommende Saison bereits läuft, arbeiteten in Würzburg Sportdirektor und Trainer bestenfalls nebeneinander her und manchmal auch gegeneinander. Ein Klima, das sich letztlich auch aufs Team zu übertragen scheint.