"Frauen haben auf dem Fußballplatz absolut nichts zu suchen", soll Heiko Vogel Ende Januar beim Verlassen des Platzes zur Schiedsrichterassistentin Vanessa Arlt gesagt haben. Zusammen mit ihrer Kollegin Nadine Westerhoff und Schiedsrichter Marcel Benkhoff hatte sie das Regionalligaspiel der von Vogel trainieren U23 von Borussia Mönchengladbach gegen Bergisch Gladbach geleitet, in dem der Trainer mehrmals gegen die Unparteiischen ausfällig geworden war.
Einer, der Heiko Vogel während seiner Laufbahn als Fußballer persönlich kennengelernt hat, ist Tobias Strobl, der Trainer des Regionalligisten FC Schweinfurt 05. Beide begegneten sich 2008 beim FC Ingolstadt: Strobl, als Spieler damals gerade mal 20 Jahre alt, Vogel als Co-Trainer. "Er war immer schon bekannt für flapsige Sprüche, manchmal grenzwertig, aber meistens lustig. Aber diesmal hat er die Grenze überschritten", findet Strobl.
Sportgerichtsurteil wertet Frauenfußball noch mehr ab
Deshalb landete der Fall beim Westdeutschen Fußballverband vor dem Sportgericht, dessen Richter den 45-Jährigen zu einer Geldstrafe von 1500 Euro und einer Sperre von zwei Spielen verurteilten. Dass der Fall bundesweit hohe Wellen schlägt, lag vor allem auch an der zusätzlichen Auflage, die das Sportgericht Vogel aufbrummte: Er müsse "sechs Trainingseinheiten einer Frauen- oder Mädchenmannschaft" leiten.

Diese Auflage hält Tobias Strobl für weitaus schlimmer als die Aussage selbst: "Damit wird der Frauenfußball ja noch mehr abgewertet." Vogel habe seine Worte "aus der Emotion heraus" gesagt, das Urteil dagegen sei "bewusst gesprochen" worden.

Fußballerinnen aus der ersten und zweiten Bundesligen beklagten sich darüber in einem offenen Brief an den Deutschen Fußball-Bund (DFB): "Uns stellt sich die Frage, wie das Trainieren eines Frauen- oder Mädchenteams als eine Strafe festgelegt werden kann", heißt es darin. Auch sei nicht begreiflich, warum Vogels Verhalten "nur als unsportlich gewertet" worden sei. Die Spielerinnen fühlen sich "beleidigt, diskriminiert und lächerlich gemacht".
Ein herablassendes Urteil für alle Fußballspielerinnen
Medina Desic hat mit ihren Mitspielerinnen des Zweitligisten FC Würzburger Kickers den offenen Brief unterschrieben. Sie würde am "Straftraining" mit Heiko Vogel teilnehmen: "Warum nicht?! Er muss halt ein Netz mitbringen, dass er von uns nicht allzu oft getunnelt wird", sagt die 27-Jährige. Das Urteil des Sportgerichts sei erniedrigend für alle Fußball spielenden Mädchen und Frauen: "Es ist schockierend, dass so etwas heutzutage als 'Strafe' gesehen wird", ergänzt die montenegrinische Nationalspielerin.

"Menschen, die eine solche Entscheidung treffen, spreche ich den gesunden Menschenverstand ab", findet Jürgen Walter klare Worte. Der 66-Jährige ist, nachdem er Jahrzehnte lang Männer coachte, derzeit Trainer der Frauen beim Landesligisten SV Veitshöchheim: "Da schüttelst du mit dem Kopf und bist fassungslos." Ein solches Urteil sei "herablassend für alle Fußballerinnen und für alle, die es mit dem Frauenfußball halten". Der "Verurteilte" werde "seine Denke" wohl nicht wegen der sechs Einheiten ändern, "bei denen er mal Mädels trainieren darf".
Seit fünf Jahren steht Thomas Hofmann mit Frauenteams auf dem Platz, zuerst in Gollhofen, jetzt beim TSV Frickenhausen, in der Liga ein Konkurrent der Veitshöchheimerinnen. Obwohl Hofmann anfangs zur Aufgabe gekommen sei "wie die Jungfrau zum Kinde", habe er diese Entscheidung nie bereut: "Mädels sind mit großem Elan und Ehrgeiz dabei." Noch immer habe der Frauenfußball aber "nicht den Stellenwert, den er verdient", obwohl Mädchen und Frauen "keinen Deut weniger leisten" als Jungs oder Männer. "Eine Frechheit" nennt Hofmann das Urteil.
"Es ist schockierend, dass so etwas als 'Strafe' gesehen wird."
Medina Desic, Spielerin bei den Würzburger Kickers
Manuela Kraus ist nicht nur als Trainerin beim FFC Bastheim-Burgwallbach in der Rhön tätig, sondern leitet als Schiedsrichterin auch Spiele von Frauen und Männern. "Vielleicht wollten die Sportrichter mit ihrem Urteil die Öffentlichkeit für den Frauenfußball sensibilisieren", meint sie und schiebt nach: "Gelungen ist ihnen das aber nicht."

Was Kraus nicht versteht: Offensichtlich habe Vogel ja gegen eine Schiedsrichterin gestänkert. "Da passt der Bezug für mich nicht, das ging doch mehr gegen die Schiedsrichterin als gegen den Frauenfußball als Ganzes." Sie fände es daher angemessener, wenn Vogel ein paar Spiele pfeifen müsste, um mehr Verständnis für die Aufgabe des Schiedsrichters und seiner Assistenten zu bekommen.
"Als Schiedsrichterin wirst du von einigen angefeindet", erlebt Manuela Kraus auch selbst. Damit müssten auch ihre männlichen Kollegen leben. Aber wenn sich die abfälligen Kommentare auf ihr Frausein bezögen, sei das diskriminierend. Schließlich müsse sie die gleichen Leistungs- und Regeltests bestehen wie jeder männlicher Schiedsrichter auch.
"Noch lange nicht so weit wie erhofft"
Michaela Straub leitet die Würzburger Geschäftsstelle des Bayerischen Landes-Sportverbands Unterfranken und trainiert seit mehr als 25 Jahren die Frauen beim TSV Prosselsheim. Über die Anekdote, dass die Frauen-Nationalmannschaft für ihren Europameistertitel 1989 vom DFB ein Kaffeeservice als Prämie erhielt, könne sie heute zwar lachen, doch der Fall Vogel "zeigt leider, dass wir noch lange nicht so weit sind, wie wir es gehofft hatten".
Weiblicher Sport werde von einigen weiterhin "nicht ernst genommen und belächelt", besonders im Fußball sei das so. Zwar sei in den vergangenen 30 Jahren auch "vieles besser geworden", findet Straub, trotzdem sei es "einfach ärgerlich und frustrierend, dass es bis heute Menschen gibt, die es immer noch nicht kapiert haben".