Das soll der Fußball der Zukunft sein? Sie heißen Baller League, Icon League oder Infinty League, die in den vergangenen Jahren reihenweise erfundenen Hallenfußball-Serien, die mit einigen echten Prominenten und vielen Internet-Berühmtheiten, neuen Regeln und viel Tamtam um ein junges Publikum werben. Und sie haben damit durchaus Erfolg.
Für Mittelfeldspieler Enes Küc war das Engagement in der Icon League zumindest attraktiver, als mit den Würzburger Kickers in der Regionalliga Bayern um Punkte zu kicken. Er verließ die Rothosen deshalb im Herbst. Die Baller League indes erhielt zuletzt nicht nur eine 25-Millionen-Euro-Spritze von einem großen Finanzinvestor, sie expandiert von Deutschland aus nach Großbritannien und in die USA. Fußball-Promis wie Gary Lineker, Jens Lehmann, Luís Figo oder Ronaldinho wurden dafür als Teammanager und Zugpferde verpflichtet. Was also steckt hinter dem Phänomen? Eine Art TikTok-Trend oder eine ernsthafte Fußball-Revolution?
Doppelaufstieg mit den Kickers
Ein Video-Anruf in Frankfurt bei Daniel Donaldson: Der 37-Jährige spielte früher beim Würzburger FV und den Würzburger Kickers. Mit den Rothosen schaffte er 2012 den Doppelaufstieg aus der Landesliga in die damals neu geschaffene Regionalliga Bayern. Heute lebt Donaldson mainabwärts und ist Marketing-Chef der Baller League, nachdem er zuvor jahrelang bei der Deutschen Fußball-Liga DFL unter anderem an der Auslandsvermarktung der Bundesliga gearbeitet hatte.
Der gebürtige Mönchengladbacher, der wegen seines BWL-Studiums nach Würzburg gekommen war und sich bei den hiesigen Klubs als kopfball- und zweikampfstarker Kicker einen Namen machte, kennt die verschiedenen Fußball-Welten. "Ich fand es spannend, etwas komplett Neues aufzubauen, das parallel zum klassischen Fußball laufen kann", erzählt Donaldson, der vom Start weg im Führungsteam der Baller League dabei war.

"Manche denken, das sei keine ernsthafte Sportveranstaltung", sagt er und ergänzt: "Das ist ein Trugschluss. Bei uns spielen die besten Straßenfußballer. Unser Ziel ist es, daraus einen echten Sport, einen Wettbewerb zu machen und nicht ein Influencer-Format." Darum gehe es ihm und seinem Unternehmen in Zukunft: als Wettbewerb ernst genommen zu werden. In nur einem Jahr habe man schließlich viel erreicht. Anfang März wird die nunmehr dritte Baller-League-Spielzeit starten.
Die Idee dahinter: ein schnelles Spiel Sechs-gegen-Sechs auf einem verkleinerten Feld. Kurz vor Schluss jeder Halbzeit kann eine Regeländerung dann noch einmal für zusätzliche Spannung sorgen. Da spielen dann plötzlich, je nachdem wie es der Zufall will, nur noch drei Spieler pro Mannschaft, manchmal auch nur ein Akteur pro Team im direkten Duell mit einem Kontrahenten.
"Unser Ziel ist es, daraus einen echten Sport, einen Wettbewerb zu machen und nicht ein Influencer-Format."
Daniel Donaldson, Marketing-Chef der Baller League
Zu sehen ist das Ganze auf der Internetplattform Twitch, aber auszugsweise auch im analogen Fernsehen. Immerhin 365.000 Menschen folgen der Seite der Liga auf Instagram. Im öffentlichen Bewusstsein spielt die Liga aber noch eine kleine Rolle. Oder hätten sie gewusst, dass der Ex-Spieler der Würzburger Kickers im Herbst im Finale um den Baller-League-Titel stand?
Das Kleinfeldspiel treffe einen Nerv, glaubt aber Donaldson: "Viele Leute denken: Die junge Zielgruppe hätte nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Da heißt es, ein 90-minütiges Fußballspiel sei schon zu lange. Wir streamen in der Saison am Montagabend sechs Stunden Fußball am Stück. Es gibt Leute in der jungen Zielgruppe, die schauen sich das komplett an, weil bei uns in den sechs Stunden extrem viel passiert."
Und dabei gehe es eben nicht darum, dass da einige Internet-Berühmtheiten und Fußball-Altstars am Spielfeldrand stehen. Inzwischen kommt die Baller League auch ohne ihren inzwischen ausgeschiedenen Mitgründer Mats Hummels aus. "Die Leute schalten ein, weil sie den Fußball auf dem Platz cool finden und nicht wegen irgendwelchen Stars", ist Donaldson überzeugt: "Da gibt es kein Spiel, das schnell entschieden ist, weil eine Mannschaft 3:0 führt."
Attraktiv bei der jungen Zielgruppe
Aber ist das Ganze überhaupt noch Fußball oder reine Show? "Natürlich ist das Fußball", meint Donaldson: "Nur halt eine andere Form: Kleinfeldfußball." Und der müsse sich, was die Popularität angeht, vor dem Elf-gegen-Elf-Rasenkick nicht verstecken. "Wenn man sich anschaut, welche Art weltweit öfter gespielt wird, dann ist das Kleinfeldfußball – egal ob in England oder Südamerika. Wenn man nicht in einem Verein aktiv ist, trifft man sich in der Freizeit zum Zocken, das ist überall so."
Und genau darin liege eine große Chance, sagt Donaldson: "Wenn man sieht, wohin sich der Amateursport entwickelt, wie schwierig es ist, Jugendliche anzuziehen und zu begeistern, ist es einen Versuch wert, im Schulterschluss mit anderen Verbänden den Kleinfeldfußball voranzutreiben. Wir denken, dass die junge Zielgruppe diese Art Fußball eher selbst spielt und langfristig dann auch eher konsumiert."
So sieht Donaldson die Baller League denn auch als Chance für den Fußball im Allgemeinen und für verborgene Talente im Besonderen: "Wir bieten Spielern, die nicht in das klassische 90-Minuten-Fußballakademie-System gepasst haben, aber trotzdem zocken können, eine Bühne." Man wolle beim Kampf um Spieler ja gar nicht in Konkurrenz treten zum Amateurfußball in Regional- oder Landesligen, meint er. "Wir verbieten keinem Spieler dort zu spielen, bieten den betreffenden Klubs immer Hilfestellungen an, um Lösungen zu finden. Und wenn es um die Finanzierung und Bezahlung geht, sind wir sicher transparenter als jeder Amateurfußball-Verein."
Gut dotierte Verträge für die Aushängeschilder
Einige Hundert Euro gibt es pro Spieltag schon zu verdienen, die Aushängeschilder der Teams werden indes mit attraktiveren Verträgen ausgestattet. Der Streit um Spieler habe sich inzwischen deutlich abgeschwächt, findet Donaldson.

Nun ist die Baller League nicht alleine auf dem Markt, sondern konkurriert zusätzlich noch mit anderen Hallenfußball-Serien um Aufmerksamkeit. "Ob sich das einmal konsolidiert, kann ich nicht voraussagen. Wir sind nach dem ersten Jahr aber selbstbewusst", sagt Donaldson, der freilich zugibt: "Ins Stadion gehe ich auch noch gerne und esse beim Spiel eine Bratwurst."
Da kommen bei ihm auch einmal Erinnerungen an die Erfolge in Würzburg hoch. "Der Kontakt ist nicht abgebrochen und wenn ich in Würzburg bin, kann ich mich auch mit Leuten aus dem blauen und dem roten Lager gut unterhalten." Am Ende sei dann ja alles Fußball: "Und wenn wir dazu beitragen können, dass die jungen Leute mehr Fußball spielen und gucken, sind wir zufrieden."