Seit 1. Juli ist André Herber offiziell als Vorstandsvorsitzender des Fußball-Regionalligisten Würzburger Kickers im Amt. Der Bad Mergentheimer, der bereits in der Vergangenheit ein Geschäftspartner von Kickers-Mit-Anteilseigner Dominik Möhler war, ist Nachfolger von Benjamin Hirsch und der inzwischen dritte Chef der Kickers-AG seit 2021. Im Interview spricht der Kickers-Vorstandsvorsitzende André Herber über die Fehler der Vergangenheit, die Rettung der Stahlrohrtribüne und das Ziel 3. Liga.
Hinter den Würzburger Kickers liegen schwere Jahre. Wie steht es um den Klub vor Beginn der Saison, in der sich womöglich bereits die Zukunft als Profiklub entscheidet?
André Herber: Wir haben, das kann man nicht bestreiten, speziell an der letzten Saison, in der das Loch in der Kasse doch noch einmal deutlich größer geworden ist, noch ein bisschen zu knabbern. Aber wir sind auf einem guten Weg, arbeiten viele Dinge ab, und ich hoffe, wir kommen dann an den Punkt, an dem wir den großen Rucksack mit den Altlasten aus vorherigen Saisonzeiten mal komplett entleert haben.
Das klingt schwierig. Haben Sie denn schon bereut, den Posten angenommen zu haben?
Herber: Nein. Zu keiner Sekunde. Die ersten Tage im Amt waren sehr spannend. Ich spüre eine große Leidenschaft für die Kickers. Sonst kannst du diese Aufgabe nicht übernehmen. Derzeit stehen noch viele Gespräche und Verhandlungen an, die direkt nach dem Abstieg aus der 3. Liga dringend angegangen hätten werden müssen. Da war nicht alles angenehm. Aber ich denke, wir haben bislang schon für viele Probleme gute Lösungen gefunden. Ich spüre bei den Fans und Unterstützern eine große Bereitschaft, mit uns gemeinsam den Weg weiterzugehen. Das freut mich. Ich hoffe, dass wir das alles zeitnahe abarbeiten können, wir gegen den FC Memmingen erfolgreich in die Saison starten und wir dann in einen gewissen Rhythmus hineinkommen. Dieser Rhythmus ist im Fußball ganz wichtig. (lacht) Ich spüre schon, dass in mir das Fußballfieber steigt. Ich freue mich auf die Saison.
Ein Problem, das der Klub zuletzt selbst öffentlich gemacht hat, ist die Stahlrohrtribüne im Stadion, die aufgrund ausgebliebener Zahlungen fast abgebaut wurde.
Herber: Das stimmt, es ist ein weiteres wichtiges Problem, das gelöst wurde. Wie bekannt, konnten in den letzten Jahren, auch aufgrund von überraschenden Rückforderungen von Coronahilfen und niedrigeren Einnahmen, die Pachtzahlungen in dieser Höhe seitens des e.V. nicht mehr bedient werden. Eigentlich war das ja nicht mein Thema, sondern eines für den Stammverein, den e.V., dem das Stadion gehört und der es uns als Profi-AG vermietet. Dennoch haben wir uns als AG im Sinne der Kickers der Sache unterstützend angenommen. Dominik Möhler hat als AG-Mitanteilseiger wieder den Kickers in einer schwierigen Situation geholfen. Dafür sind ich und der Verein ihm sehr dankbar.
Das Budget für das Regionalliga-Team scheint sich, wenn man das Team sieht, aber kaum verändert zu haben.
Herber: Das ist richtig und auch so gewollt. Sebastian Neumann, der als Sportdirektor diesen Bereich verantwortet, kann inzwischen auch wieder mit seinem kompletten Staff zusammenarbeiten, inklusive dem Trainerteam, das unverändert geblieben ist. Wir mussten uns dort genauso wie im Kader nicht neu aufstellen. Es gab sehr viele bestehende Verträge, insbesondere was die Stamm- und Führungsspieler betrifft. Wir haben endlich Kontinuität. Auf dem Transfermarkt haben unser Chefscout Marc Kriegl und Sebastian Neumann, wie ich finde, wieder einen guten Job gemacht.
Provokativ gefragt: Müssen die Kickers mit diesem Budget in der kommenden Regionalliga-Saison Meister werden?
Herber: Der Sportdirektor hat das Ziel formuliert: Wir wollen besser sein als vergangene Saison. Aber eine Garantie gibt es im Sport natürlich nicht. Es gibt neben dem Budget noch einige weitere Dinge, die entscheidend sein werden, ob die Saison erfolgreich wird. Natürlich hoffen wir, dass wir auch das Glück auf unserer Seite haben und am Ende die Chance bekommen, aufzusteigen. Wir arbeiten weiter unter Profibedingungen, das heißt aber nicht, dass wir in dieser Liga über allem schweben. Wir müssen die Regionalliga als unsere aktuelle Spielklasse und als Herausforderung annehmen. Aber ich finde, das tun wir auch schon.

Wieweit müssen sich die Kickers strecken, um in dieser Saison noch einmal Profi-Bedingungen in der Regionalliga zu ermöglichen?
Herber: Wir müssen uns strecken, da es bekanntlich – anders als in der 3. Liga, keine relevanten Fernsehgelder mehr gibt und die Zuschauer- und Sponsoringeinnahmen freilich deutlich geringer sind. Es gab aber positive Signale von dem ein oder anderen Sponsor, sodass dieser Weg weiterhin möglich ist. Jetzt geht es für uns darum, diese Chance zu nutzen und eine erfolgreiche Saison zu spielen. Denn letztlich stellt sich die Frage: Kann Würzburg weiterhin Profifußball? Wir müssen unsere Sponsoren mitnehmen, neue hinzugewinnen und auch alte, die wir vielleicht verloren haben, wieder überzeugen. Das Ganze kann nicht die finanzielle Last eines Einzelnen sein, sondern bedarf der Unterstützung vieler.
Inwiefern erschwert das intensive Werben der Würzburger Bundesliga-Basketballer um potenzielle Geldgeber den Kickers die Sponsorensuche?
Herber: Überhaupt nicht. Ich habe ganz ehrlich bisher keine Berührungspunkte festgestellt. Ich glaube, hochklassiger Basketball, Fußball und Handball können nebeneinander existieren.
Aber letztlich, so der Eindruck spätestens nach der Geschichte rund um die Stahlrohrtribüne, kann Würzburg nur Profifußball, wenn am Ende ein Einzelner die Löcher stopft. Früher hieß der Thorsten Fischer und jetzt heißt er Dominik Möhler.
Herber: Natürlich ist Dominik Möhler als Mit-Anteilseigner ein ganz großer Förderer, der bereits viel mehr gemacht hat, als bei seinem Einstieg vereinbart war. Das ist unbestritten. Aber man muss den Profifußball als gemeinsames Projekt einer ganzen Region verstehen, womöglich auch noch viel mehr als in der Vergangenheit. Dann ist hier viel möglich. Dauerhaft wird es nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen und eine breite Basis besteht.
Beim regionalen Liga-Rivalen FC Schweinfurt 05 geht man derzeit einen Schritt zurück, baut Profistrukturen ab. Ist es einfach nur unvernünftig, in der Regionalliga unter Profibedingungen zu arbeiten?
Herber: Wenn man nur auf die wirtschaftlichen Parameter und Kennzahlen schaut, dann auf jeden Fall. Man muss also wieder in den Profifußball zurück, um deutlich höhere Einnahmen erzielen zu können – aber wenn man ein Ziel ausgibt, muss man auch die Voraussetzungen schaffen, um dieses Ziel verwirklichen zu können. Wir gehen emotional alle davon aus, dass Würzburg Profifußball verdient hat. Deshalb haben wir die Profibedingungen erhalten und setzen alles daran, eine sehr erfolgreiche Saison zu spielen.

Eine weitere Saison unter Profibedingungen wird es, wenn der Aufstieg nicht gelingt, nicht geben?
Herber: Das kann und will ich derzeit überhaupt nicht beantworten. Wir sind nicht in der Situation, um Mehrjahrespläne aufzustellen und müssen auch sehen, wie sehr die Region, Fans und Sponsoren nun das Projekt Profifußball und damit 3. Liga wollen und unterstützen und Altlasten weiterhin abgetragen werden können. Wir blicken nun auf die kommende Spielzeit und werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln, zum Beispiel auch, wie viele Zuschauerinnen und Zuschauer letztlich an den Dalle kommen werden. Wir werden fleißig weiterarbeiten und die Voraussetzungen schaffen, dass es am Dallenberg eine gute Zukunft gibt.
In der übernächsten Saison steigt der bayerische Regionalliga-Meister wieder direkt auf. Würde es vielleicht Sinn machen, sich darauf zu konzentrieren?
Herber: Nein. Denn wir müssen in jedem Jahr unsere Kostenstruktur im Auge behalten. Zudem haben wir ein sehr gutes, bereits eingespieltes Team und bestehende Verträge, an die wir gebunden sind. In einem Jahr auf All-In zu gehen, um aufzusteigen, und wieder mit einem völlig ungedeckten Fabel-Etat, wie zum Beispiel in der letzten Saison, zu planen, wäre unverantwortlich.

In der kommenden Saison reicht auch die Meisterschaft wieder nicht zum Aufstieg. Der Erste aus Bayern trifft auf den Ersten aus dem Norden. Eine Ungerechtigkeit?
Herber: Natürlich sollten Meister immer auch aufsteigen. Aber so sind nun mal leider die Regularien. Die Situation ist, wie sie ist, und die müssen wir annehmen. Wir wollen in dieser Saison das Beste daraus machen.
Was wird aus Ihrer Sicht nötig sein, damit die Kickers erfolgreich in dieser Saison sind?
Herber: Ganz wichtig ist die Unterstützung unserer tollen Fans als zwölfter Mann. Wir müssen die Ruhe bewahren, gelassen bleiben und gleichzeitig wachsam sein – wir werden nichts geschenkt bekommen. Uns darf nichts so schnell aus dem Konzept werfen und es darf nicht bei jedem sportlichen Rückschlag gleich alles infrage gestellt werden. Nicht jedes Spiel muss auf die Goldwaage. Wenn sich aber Muster abzeichnen, müssen wir intern darüber sprechen. Mein Job ist es dabei, die Sachen neben dem Platz zu regeln. Bei den Dingen auf dem Feld sind Sebastian Neumann und unser Trainer Marco Wildersinn die Verantwortlichen. Am Ende werden wir im Sport alle am Erfolg gemessen. Die Voraussetzungen sind in dieser Saison gut.