Können bei einer Demonstration gegen die Corona-Politik auch gelbe Punkte mit der Aufschrift "ungeimpft" strafbar sein? Absolut, findet Andreas Franck, Oberstaatsanwalt in München und Antisemitismus-Beauftragter der bayerischen Justiz. Es sei deshalb richtig, dass die Würzburger Staatsanwaltschaft gegen drei Personen ermittelt, die bei einer Corona-Demo im Oktober 2021 vor dem Würzburger Hauptbahnhof solche Aufkleber trugen, erklärt Franck: "Ich hätte es als falsch angesehen, wenn man sich von diesen Menschen an der Nase herumführen lässt."
Ob "Judenstern" oder gelber Punkt: Verharmlosung des Holocaust bleibt Volksverhetzung
Schließlich seien die gelben Punkte nur eine Reaktion der Demonstranten auf das konsequente Vorgehen der bayerischen Justiz gegen den Missbrauch von "Judensternen" durch Corona-Leugner, argumentiert Franck. Das Ziel bleibe jedoch gleich: Die Gleichsetzung des Umgangs mit Kritikerinnen und Kritikern der Corona-Politik in heutiger Zeit mit der Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden in der Nazi-Zeit.

Eine Gleichsetzung, die die bayerische Justiz konsequent als Volksverhetzung verfolgen will: Denn wer mit Symbolen der Judenverfolgung gegen aktuelle politische Maßnahmen protestiert, "der nimmt zumindest billigend in Kauf, den Holocaust zu verharmlosen", findet der Oberstaatsanwalt.
Seit einem Jahr koordiniert Franck die Verfolgung antisemitischer Straftaten aller 22 bayerischen Staatsanwaltschaften. Denn Polizei und Justiz müssten solche Straftaten "erkennen, benennen und konsequent bekämpfen", fordert Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Wichtig sei dabei eine bayernweit einheitliche Linie der Staatsanwaltschaften wie auch eine klare Begründung der Anklagen.

Denn nicht immer folgen die Gerichte den Ermittlungsbehörden: So wurde etwa einem Durchsuchungsbeschluss gegen einen Würzburger Ex-Polizisten, der als Profilbild in sozialen Medien einen "Impf-Stern" benutzte, erst in zweiter Instanz stattgegeben. Inzwischen gebe es aber "in einer Vielzahl derartiger Fälle Verurteilungen wegen Volksverhetzung", erklärt Eisenreich. Auch das Bayerische Oberste Landesgericht habe eine entsprechende Verurteilung im Frühsommer bestätigt.
Zahl antisemitischer Straftaten in Bayern zuletzt stark gestiegen
Judenhass gibt es aber nicht nur auf Corona-Demos: 2020 wurden noch 353 antisemitische Straftaten in Bayern angezeigt, in den letzten zwölf Monaten waren es bereits 657. Auch Nazi-Symbolik wie der "Hitlergruß" oder "Sieg-Heil"-Rufe müssten konsequent verfolgt werden, verlangt Eisenreich: "Es muss allen klar sein: So etwas ist keine Bagatelle."

"Wir meinen es ernst", beteuert auch Oberstaatsanwalt Franck. Dies beginne schon mit Judenhass auf dem Schulhof, wenn dort etwa Handybilder, die sich über den Holocaust lustig machen, ausgetauscht werden: "Das ist kein Spaß", warnt der Jurist. 65 Verfahren mit bayernweiter Bedeutung hat Franck deshalb im letzten Jahr selbst eingeleitet.
Die harte bayerische Linie gegen Judenhass sei keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, beteuert Minister Eisenreich: "Denn die Grenze der Meinungsfreiheit ist das Strafrecht." Diese Grenze genau zu definieren, bleibe in einem Rechtsstaat zudem Aufgabe der unabhängigen Gerichte. Auch bei den gelben Corona-Punkten: Hier ist das Verfahren in Würzburg noch nicht abgeschlossen.