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München: Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf zur Kita-Krise: "Wir setzen alles daran, dass die Situation besser wird"

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Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf zur Kita-Krise: "Wir setzen alles daran, dass die Situation besser wird"

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    Der Bedarf an Kinderbetreuung in Bayern wächst, Personal ist knapp:  Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sieht auch Kommunen und Träger in der Pflicht, mehr Menschen für einen Beruf in den Kitas zu begeistern.
    Der Bedarf an Kinderbetreuung in Bayern wächst, Personal ist knapp:  Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sieht auch Kommunen und Träger in der Pflicht, mehr Menschen für einen Beruf in den Kitas zu begeistern. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Die Zeit ist knapp für das Gespräch mit Ulrike Scharf. Gleich wird die Sozialministerin, selbst großer FC-Bayern-Fan, den Fußballer Thomas Müller für sein soziales Engagement auszeichnen. Die 55-jährige CSU-Politikerin, seit Februar 2022 als bayerische Sozialministerin im Amt, ist dennoch nicht in Eile. Das Thema Kinderbetreuung liegt ihr am Herzen, da muss im Zweifel auch ein Profi-Kicker ein paar Minuten warten.

    Die vielen Probleme in bayerischen Kitas sind immer deutlicher geworden. Was sagt die Ministerin zur schwierigen Lage - und was will sie ändern?

    Frage: Es gibt aktuell viel Unzufriedenheit über die Kinderbetreuung in Bayern. Gibt es eine Kita-Krise im Freistaat?

    Ulrike Scharf: So würde ich es nicht formulieren. Wir haben in vielen Bereichen einen Fachkräftemangel. Und auch das Personal, das wir für die Kitas brauchen, ist davon betroffen. Schauen wir aber auf die Entwicklung der letzten zehn Jahre, muss man klar feststellen: Die Anzahl der Beschäftigten hat sich in dieser Zeit um 78 Prozent gesteigert: Wir haben heute 114.000 Beschäftigte in den Kitas. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir hier stehenbleiben dürfen.

    Was macht denn der Freistaat, um die Situation in den Kitas zu verbessern?

    Scharf: Entscheidend sind zwei Dinge: Wir müssen genügend Plätze für die Kinderbetreuung schaffen. Das geht los im Kita-Bereich bei den Kindern bis sechs Jahren. Wir müssen aber auch die Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich fest im Blick haben – ab 2026 haben wir hier einen Rechtsanspruch. Der bayerische Koalitionsvertrag hat 2018 als Ziel einen Ausbau von 42.000 Betreuungsplätzen bis Ende 2023 vorgesehen. Dieses Ziel haben wir weit überschritten, wir sind jetzt schon bei 73.500 zusätzlichen Plätzen. Ich habe zudem eine Offensive für die Kinderbetreuung durch Qualifizierung gestartet. Wir müssen alles unternehmen, um mehr Menschen für einen Beruf in der Kita zu begeistern. Ich habe deshalb letzten August auch ein Weiter- und Fortbildungsprogramm gestartet, das sehr gut angenommen wird. Wir stellen fest, dass die Nachfrage nach diesem Beruf groß ist. Das stimmt mich sehr zuversichtlich.

    Zufrieden ist aber niemand mit der aktuellen Situation: die Kita-Träger nicht, viele Eltern nicht und die Erzieherinnen und Erzieher auch nicht.

    Scharf: Familien sind dann unzufrieden, wenn sie keinen geeigneten Betreuungsplatz bekommen oder wenn die Wartelisten sehr lang sind. Dieses Problem gibt es in Bayern vor allem in den Ballungsräumen. Unzufriedenheit kommt aber auch auf, wenn Stunden reduziert werden müssen, weil Personal, etwa aufgrund von Krankheit, fehlt. Auch das erleben wir leider immer wieder.

    Was können Sie kurzfristig tun, um solche Probleme zu mildern?

    Scharf: Wir haben die Ausbildung zum Erzieher, zur Erzieherin von fünf auf vier Jahre verkürzt – von Fachleuten begleitet und ohne die Qualität zu reduzieren. So können wir schneller mit ausgebildeten Fachkräften in den Kitas rechnen. Die Fort- und Weiterbildung ist aus meiner Sicht zudem ein ganz wesentliches Element, um den Personalmangel zu mildern.

    Müssen sich Eltern und Einrichtungen trotzdem auf größere Gruppen und kürzere Betreuungszeiten einstellen, weil es nicht genügend Fachkräfte gibt?

    Scharf: Diese Entscheidung und die Verantwortung für ausreichend Personal liegt bei den Trägern der Kitas. Arbeitgeber für die Beschäftigten ist der Träger vor Ort, von sehr großen Trägern bis zu kleinen Trägervereinen. Ein Drittel der Kitas ist zudem in kommunaler Trägerschaft: Es gibt viele Kommunen, in denen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister die Kinderbetreuung zur Chefsache machen und genügend Personal akquirieren. Der Freistaat kann hier nur die Rahmenbedingungen verbessern, zum Beispiel mit unserem Leitungs- und Verwaltungsbonus, der künftig Personalbonus heißen wird. Hier entlasten wir das pädagogische Fachpersonal von Verwaltungsaufgaben, damit es mehr Zeit für die pädagogisch wertvolle Arbeit am Kind hat.

    Stellenbesetzungen oder zusätzliche Kita-Plätze vor Ort scheitern also nicht am Geld des Freistaats?

    Scharf: Nein, wir deckeln nicht. Unsere Zuschüsse werden am Bedarf orientiert, der vor Ort in den Kommunen festgestellt wird. Da gibt es keine feste Grenze. So ist unsere Betriebskostenförderung für die Kitas im letzten Jahr auf über zwei Milliarden Euro gestiegen. Dazu kommt noch die staatliche Förderung von Investitionen, zum Beispiel für Kita-Neubauten.

    "Leider sind es immer noch vor allem Frauen, die auf Arbeitszeit verzichten und unter Druck sind, wenn die Betreuungszeit zu knapp ist." Bayerns Sozialministerin hält Kitas deshalb für "systemrelevant".
    "Leider sind es immer noch vor allem Frauen, die auf Arbeitszeit verzichten und unter Druck sind, wenn die Betreuungszeit zu knapp ist." Bayerns Sozialministerin hält Kitas deshalb für "systemrelevant". Foto: Sven Hoppe, dpa

    Die Staatsregierung bezeichnet sich selbst als "Familien-Koalition". Leiden aber nicht gerade junge Mütter, die im Beruf bleiben wollen, unter unzuverlässiger Kinderbetreuung mit kurzfristigen Ausfällen und zu kurzen Betreuungszeiten?

    Scharf: Für mich ist die Kinderbetreuung systemrelevant: Familien in Bayern brauchen eine verlässliche Kinderbetreuung – von ihr hängt viel ab. Leider sind es immer noch vor allem Frauen, die auf Arbeitszeit verzichten, sich zurücknehmen und unter Druck sind, wenn die Betreuungszeit zu knapp ist. Es bleibt deshalb eine gemeinsame Kraftanstrengung von Staat, Kommunen, Trägern und Einrichtungen, dass die Kinderbetreuung sichergestellt ist – übrigens auch in den Grundschulen.

    Müssten sich nicht auch die Unternehmen in Bayern für die Kinderbetreuung mehr engagieren – auch finanziell? Schließlich wird in vielen Branchen jede qualifizierte Arbeitskraft gebraucht.

    Scharf: Ich habe viele schöne Erlebnisse mit Unternehmen in Bayern, die sehr familienfreundlich sind und sich für die Kinderbetreuung engagieren. Es gibt den Familienpakt Bayern mit inzwischen über 1300 Unternehmen. Mein Eindruck ist: Alle Unternehmen, die verstanden haben, dass Familienfreundlichkeit ein echter Wettbewerbsvorteil ist, sind auch wirtschaftlich erfolgreich.

    "Vor zehn Jahren war es fast noch etwas Exotisches, einen Einjährigen in die Kita zu geben. Heute ist das vollkommen normal."

    Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) 

    Erzieherinnen und Erzieher klagen oft über fehlende Wertschätzung für ihre Arbeit, auch aus der Politik. Was läuft da falsch?

    Scharf: Die Wahrnehmung der Kinderbetreuung hat sich komplett verändert: Vor zehn Jahren war es fast noch etwas Exotisches, einen Einjährigen in die Kita zu geben. Heute ist das vollkommen normal. Die Bedürfnisse der Familien haben sich verändert. Wir allen wollen das Beste für unsere Kleinsten, nicht nur, dass sie sicher und wohlbehütet sind, sondern dass sie auch Bildung und Erziehung erfahren. Diese wertvolle Arbeit wird in unseren Kitas geleistet. Wenn unsere Gesellschaft das versteht, dann können wir alle auch ermessen, wie wichtig dieser Beruf ist und welche Wertschätzung diejenigen verdienen, die ihn mit viel Herzblut ausüben.

    Wertschätzung heißt sicher nicht nur, aber doch auch eine angemessene Bezahlung. Verdienen Erzieherinnen und Erzieher aus Ihrer Sicht zu wenig?

    Scharf: Die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten in den Kitas werden viel diskutiert. Aber die Bezahlung kommt dabei nie an erster Stelle. Wichtig ist: Nicht der Freistaat ist der Arbeitgeber und damit zuständig für die Höhe der Bezahlung, sondern die Träger der Kitas. Ich kann deshalb nur an die Träger appellieren, auf eine angemessene Bezahlung zu achten, sodass die Beschäftigten vor Ort zufrieden sind.

    Welche realistische Hoffnung können Sie Eltern und Kita-Personal machen?

    Scharf: Wir setzen alles daran, dass die Situation besser wird. Aber wir brauchen auch alle Partner mit an Bord, insbesondere die Kommunen. Es ist eine kommunale Pflichtaufgabe, die Kinderbetreuung sicherzustellen. Wir stehen fest an der Seite unserer Kommunen und unterstützen finanziell tatkräftig, etwa was die Förderung des Kita-Ausbaus betrifft. Wir müssen alle gemeinsam große Anstrengungen unternehmen, um viele Menschen für die Kinderbetreuung zu begeistern und zu zeigen, dass dies ein wunderbarer Beruf ist.

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