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Brustkrebs: Frauen müssen oft lange auf Mammografie warten

Gesundheit

Frauen müssen oft sehr lange auf eine Mammografie warten

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    Gerade wenn es einen Abklärungsbedarf gibt, müssen Frauen oft lange auf eine Mammografie warten.
    Gerade wenn es einen Abklärungsbedarf gibt, müssen Frauen oft lange auf eine Mammografie warten. Foto: Michael Hanschke, dpa (Symbolbild)

    Die Angst sitzt tief bei der 54-Jährigen. Das spürt man im Gespräch. 2018 bekam sie die Diagnose Brustkrebs. Die vielen schmerzhaften Begleiterscheinungen setzen ihr bis heute zu, erzählt sie. Unvorstellbar sei der Schock gewesen, als sie vor einigen Monaten wieder einen auffälligen Befund hatte. "Diesmal in der anderen Brust, in der rechten. Man kann sich das gar nicht vorstellen. Diese Scheißangst, dass das wieder alles von vorn losgeht." Eine erste Mammografie gab zum Glück Entwarnung. Allerdings sollte sie aufgrund bestimmter Auffälligkeiten im Blut zeitnah noch einmal eine Mammografie machen und dafür hätte sie drei Monate warten müssen, erzählt sie, "das hätte ich aber nicht ausgehalten". Zum Glück werde sie jetzt dann eingeschoben. 

    Biggi Welter kennt das Problem langer Wartezeiten für einen Mammografie-Termin nur zu gut aus Gesprächen mit Betroffenen. Sie ist Vorstandsmitglied bei Mamazone, der Selbsthilfeinitiative von und für Brustkrebspatientinnen und Leiterin der Regionalgruppe Augsburg. "Mir berichten immer wieder sogar Frauen, die einen Verdacht auf ein Rezidiv haben, die also fürchten müssen, dass der Brustkrebs zurückgekehrt ist, dass sie wochenlang auf einen Termin warten müssen." 

    Augsburger Frauenärztin sagt: Die Lage spitzt sich zu

    "Wir haben hier ein manifestes Problem", sagt Dr. Marion Schäfer und die Lage spitze sich aktuell zu, erklärt die Bezirksvorsitzende für Schwaben im Berufsverband der Frauenärzte. Unterscheiden müsse man grundsätzlich zwischen dem Mammografie-Screening, also dem Vorsorge-Programm, bei dem Frauen im Alter zwischen 50 und 69 alle zwei Jahre zu einer Untersuchung eingeladen werden. Hier gebe es keine Terminprobleme. 

    Aber bei der sogenannten kurativen Mammografie, wenn also tatsächlich der Verdacht auf einen Tumor besteht oder eine anderweitige Kontrolle nötig ist zum Beispiel im Rahmen einer Nachsorge nach einer Brustkrebserkrankung und eine Mammografie zur Abklärung wichtig ist, warten Patientinnen oft sehr lange. "Es war schon immer so, dass wir uns für Patientinnen, die einen hochgradigen Verdacht auf ein Mammakarzinom haben, selbst ans Telefon setzen, die radiologischen Praxen durchtelefonieren und für die Patientin einen Termin vereinbaren. Doch vor etwa zwei Wochen war es zum ersten Mal so, dass auch wir in so einem sehr besorgniserregenden Fall keinen Termin für eine Mammografie bekommen haben. Das hat mich wirklich schockiert." 

    Schäfer und ihr Praxisteam in Augsburg weiten dann den Radius immer weiter aus, rufen also in immer weiter gelegenen Radiologie-Praxen an, um für die Patientinnen einen Termin zu bekommen. Allerdings dürfe man nicht vergessen: "Der Aufwand ist auch für uns sehr groß. Denn auch wir hängen dann oft in Warteschlangen. Das ist alles so grotesk."

    Schäfer: Ohne Privatpatienten lässt sich eine Praxis nicht halten

    Was viele nicht wissen: "Für die Betreuung einer Kassenpatientin erhalte ich einmal im Quartal 16,89 Euro – egal, wie oft die Patientin kommt", erklärt Schäfer, die im Grunde eine überzeugte Vertreterin des Solidarsystems ist. Allerdings müsse eben jedem klar sein, "dass ich ohne Privatpatientinnen, deren Behandlung und Betreuung ich bei jedem Kontakt adäquat abrechnen kann, meine Praxis so nicht halten könnte". 

    Auch hat Schäfer schon mit Radiologen gesprochen und sich die Hintergründe für die Engpässe bei der Mammografie erklären lassen: "Denn ich mache mir auch um die Frauen Sorgen, bei denen es einer Abklärung bedarf und die dann so lange keinen Termin bekommen. Das geht so nicht, da muss etwas passieren." 

    Dr. Ullrich Schricke ist Radiologe in München und im Vorstand des Bundesverbands der Radiologen. Er hat 2019 die "Radiologie Initiative Bayern" mit gegründet, die damals eine große Petition gestartet hat, um die Politik auf die gravierenden Versorgungsprobleme in der kurativen Mammografie aufmerksam zu machen. Das Grundproblem, so Schricke, sei aber geblieben und liege darin, dass die aktuelle Vergütung nicht betriebswirtschaftlich sei. 

    Dazu müsse man wissen, dass es zwei Arten der Honorierung gebe und dass das Mammografie-Screening anders abgerechnet wird als die kurative Mammografie. Konkret heißt das, so Schricke, "dass Radiologen für eine Mammografie im Screening-Programm 64,12 Euro erhalten, für die kurative Mammografie aber nur 39,62 Euro". Das seien eben Sparmaßnahmen, die von der Kassenärztlichen Vereinigung so festgelegt werden mussten, um die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zu überschreiten, erklärt Schricke. Dennoch betont er: "Notfälle versuchen wir immer einzuschieben."

    Augsburg bekommt neues Mammografie-Zentrum

    Und Schricke hat auch eine positive Nachricht: Zusammen mit der Augsburger Radiologin Dr. Karin Flosdorf bauen seine Kollegen und er aktuell in Augsburg ein neues Mammografie-Zentrum auf, "wo wir nicht nur die Screening-Untersuchungen anbieten, sondern auch kurative Mammografien, obwohl Letzteres ein Draufzahlgeschäft ist".

    Privatdozent Dr. Philipp Schlechtweg ist ebenfalls Radiologe. Er ist Mitgesellschafter des Diagnosticum Bayern Mitte, das Standorte unter anderem in Weißenburg und Gunzenhausen, aber auch in Ingolstadt hat. Ein Zentrum für Mammografie-Screening sind sie nicht. Das heißt, die Gemeinschaftspraxis in Weißenburg, die auch eine Kooperation mit dem dortigen Krankenhaus hat, bietet verschiedene radiologische Untersuchungen an, dazu gehören auch kurative Mammografien. Und für eine kurative Mammografie betrage in Weißenburg aktuell die Wartezeit etwa acht bis neun Monate, sagt Schlechtweg. "Die Wartezeiten für kurative Mammografien sind aber in ganz Bayern gerade gruslig lang", räumt der Mediziner ein. 

    Immer mehr radiologische Praxen werden von Finanzinvestoren übernommen

    Allerdings betont auch er: "Notfälle, also Frauen, die einen konkreten Verdacht auf Brustkrebs haben, versuchen wir immer so schnell wie möglich einzuschieben." Dennoch spricht auch Schlechtweg, der stellvertretende Vorsitzende der "Radiologie Initiative Bayern" ist, von einer sehr unbefriedigenden Situation. Vor allem muss seiner Einschätzung nach endlich die Vergütung so angehoben werden, dass kurative Mammografien generell betriebswirtschaftlich sind und nicht nur, wenn sie über die Termin-Service-Stelle vereinbart werden. 

    Doch die hochkomplexe Vergütung ist nur ein, wenn auch ein zentrales Problem. Dazu komme der Personalmangel, erklärt Schlechtweg. So sei nicht nur die Zahl der Ärzte, die Mammografien anbieten, rückläufig, es fehlten auch ganz massiv medizintechnologische Radiologie-Assistentinnen und -Assistenten. Und noch etwas bereitet Schlechtweg große Sorge: "Immer mehr radiologische Praxen in Bayern werden von Finanzinvestoren übernommen." Deren Ziel sei es aber nicht in erster Linie, die medizinische Versorgung in hoher Qualität sicherzustellen, sondern in bestimmten Zeitrahmen eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. 

    Nachgefragt beim Bayerischen Gesundheitsministerium heißt es dort, dass "bisher nur sehr vereinzelt Anfragen zu langen Wartezeiten auf einen kurativen Mammografie-Termin" bekannt seien. Und: "Bisher wurden keine Beschwerden über eine unzureichende Honorierung in der kurativen Mammografie an uns herangetragen." Nichtsdestotrotz nehme man jeden einzelnen Hinweis ernst und gebe diesen an die für die Sicherstellung der fachärztlichen Versorgung zuständige Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) mit der Bitte um Klärung weiter. 

    Kassenärztliche Vereinigung Bayern sieht ein bundesweites Problem

    Von der KVB heißt es auf unsere Anfrage hin: "Wir teilen die Forderung, dass alle Leistungen angemessen als Einzelleistungen vergütet werden müssen." Das "Grundübel unseres ambulanten Gesundheitssystems" bestehe darin, dass der „Budgettopf“, aus dem niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten ihre Honorare erhalten, insgesamt gedeckelt sei. "Die einfachste Lösung wäre es, den Budgetdeckel aufzuheben, dazu sind allerdings weder Politik noch Krankenkassen bereit." 

    Prinzipiell sei es so, dass dieses Problem nur auf Bundesebene geklärt werden könne. Denn der KVB sei auch nicht bekannt, dass die grundsätzlichen Vergütungsregelungen für Radiologen in anderen Bundesländern deutlich anders ausfallen, als dies in Bayern der Fall ist. Fazit: Es handle sich um ein bundesweites Problem, das nicht durch die Verschiebung irgendwelcher Fachgruppentöpfe in einem Bundesland geklärt werden könne, "sondern nur durch eine grundsätzliche Aufhebung der leistungsfeindlichen Budgetierung in der ambulanten Versorgung".

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