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München: Corona-Politik in Bayern: Verirrt im Gestrüpp der eigenen Regeln

München

Corona-Politik in Bayern: Verirrt im Gestrüpp der eigenen Regeln

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    Ausgerechnet in der vierten Corona-Welle hakt das Krisenmanagement im Regierungsapparat von Ministerpräsident Markus Söder (CSU).
    Ausgerechnet in der vierten Corona-Welle hakt das Krisenmanagement im Regierungsapparat von Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Foto: Sven Hoppe, dpa

    Der Druck der heftigen vierten Corona-Welle auf die Politik in Bayern steigt. Doch inzwischen scheinen sich selbst Bayerns Ministerinnen und Minister samt dem Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) im Gestrüpp der eigenen Regelungen und Vorschriften zu verirren. Am Dienstag - just an dem Tag, an dem die Corona-Ampel in Bayern auf Rot sprang - wollte die Söder-Regierung ein in der Vorwoche selbst geschaffenes Problem aus dem Weg räumen. Und machte die Sache damit nur noch schlimmer.

    Was war passiert? Die Regelungen der Corona-Ampel sollten, so der Beschluss der vergangenen Woche, uneingeschränkt auch für Teenager ab zwölf Jahren gelten. Die werden zwar in der Schule engmaschig getestet. Trotzdem sollte auch für die rund sechzig Prozent Ungeimpften in dieser Altersgruppe in Ampelstufe Rot die 2G-Regel greifen – zum Beispiel beim Mannschaftssport im Verein. Die Folge wäre grotesk gewesen: Am Vormittag hätten die getesteten Schülerinnen und Schüler zwar ohne Maske am Schulsport teilgenommen. Am Nachmittag wäre ihnen in der gleichen Halle das Training im Sportverein aber untersagt worden.

    Sogar die "Bild" titelte deshalb: "Bayern sperrt Jugendliche aus! Söders 2G-Hammer" - was dem Ministerpräsidenten dem Vernehmen nach gar nicht gefiel. Der Vereinssport sollte für Jugendliche mit Schultest also möglich bleiben - weshalb Söders Kabinett am Dienstag in schönstem Bürokraten-Deutsch "sportliche und musikalische Eigenaktivitäten" für alle Schülerinnen und Schüler befristet gestattete.

    Doch wenn Schwimmen im Verein möglich ist, warum dann nicht auch privates Schwimmen mit Freunden? Und was ist mit Restaurant- und Friseurbesuchen, für die aktuell in Bayern die 3G-Plus-Regel gilt? Hier hatte das Gesundheitsministerium Ende vergangener Woche bereits eine Gleichstellung der Schultests mit den sonst geforderten PCR-Tests bestätigt.

    Weitere Lockerungen für Teenager? Um 14 Uhr nein, um 18 Uhr ja

    Eine Öffnung für Jugendliche über den Vereinssport hinaus sei aber "nicht originäres Ziel" der beschlossenen Lockerung, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am Dienstag kurz vor 14 Uhr auf einer Pressekonferenz. Auch der Ministerpräsident schloss dort weitere Lockerungen für ungeimpfte Jugendliche vehement aus. 

    Diese Redaktion schrieb daraufhin am Nachmittag: Weiter kein Restaurant-, kein Friseur- und kein Schwimmbad-Besuch mit Schultest möglich. Um kurz vor 18 Uhr dann ein Anruf aus der Staatskanzlei: Zum Friseur und ins Restaurant sollen ungeimpfte Jugendliche wegen der 3G-Plus-Regel nun doch mit Schultest gehen können. Später am Abend stellte dann das Gesundheitsministerium klar: Die Ausnahme von 2G für Teenager "gilt auch für den Zugang zu Schwimmbädern, um dort zu schwimmen".

    Entscheidungs-Chaos im Stundentakt in der vierten Corona-Welle

    Ein Entscheidungs-Chaos im Stundentakt, das ausgerechnet im Krisenmanagement der vierten Corona-Welle in Bayerns Regierungsapparat kein Einzelfall ist: So wussten betroffene Kommunen vergangenen Freitag noch Stunden vor Inkrafttreten der neuen Ampelregeln zum Beispiel nicht, wo sie die dafür maßgeblichen Zahlen der regionalen Intensivbetten-Belegung herbekommen.

    Die Frage, ob Friseurinnen und Friseure trotz verschärfter Zugangsregeln weiter Maske tragen müssen, wurde vom Gesundheitsministerium mit Nein beantwortet – obwohl die Regierung nur wenige Tage vorher noch beschlossen hatte, dass bei der nun dort gültigen Regel 3G-Plus "keine Erleichterungen etwa für Maske, Abstand oder Personenobergrenzen" mehr gelten.

    Söders Regierung wirkt erstaunlich unvorbereitet

    Die Regierung wirkt jedenfalls erstaunlich unvorbereitet auf die erneute Corona-Welle. Dabei kann es doch keine Überraschung für die Verantwortlichen sein, dass vor dem Hintergrund der schwachen bayerischen Impfquote mit dem Herbst die Infektionszahlen im Freistaat wieder in die Höhe schnellen. Die aktuelle Welle sei eben besonders schwer zu handhaben, entschuldigt Söder das Chaos  – weil stets zwischen Geimpften und Ungeimpften unterschieden werden müsse und die Spaltung der Gesellschaft wachse.

    Gleichzeitig scheint aber die Corona-Müdigkeit der Gesellschaft auch beim früher nimmermüden Regierungschef angekommen zu sein: Am Dienstag etwa sprach er desillusioniert von seinen "Murmeltier-Momenten" in Sachen Corona: Wie im Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" müsse er sich immer wieder mit den immer gleichen Fragen und Problemen herumschlagen, ohne wirklich voranzukommen, klagte der CSU-Chef.

    An der Basis wächst der Unmut über die unklaren Vorgaben aus München

    An der Basis, wo die politischen Vorgaben der Söder-Regierung auf die Realität treffen, wächst jedoch der Unmut: "Es wäre schon wünschenswert, wenn wir oft schneller Klarheit herstellen könnten", sagt etwa Thorsten Wozniak, Bürgermeister von Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt). Wozniak kämpft etwa seit Tagen mit den unklaren Zugangsregeln für das Erlebnisbad Geomaris: Am Dienstagvormittag habe auch er die Information gehabt, dass ungeimpfte Teenager nicht mehr rein dürfen. Am Abend verkündete das Ministerium dann das Gegenteil.

    Schriftliche Vorgaben von der Staatsregierung hat der Bürgermeister noch immer nicht. "Und den Unmut der Bürger bekommen dann ganz konkret die Kassenmitarbeiter im Schwimmbad ab", ärgert er sich. Wozniaks Bitte nach München: "Weniger Zeitdruck." Erst mögliche Probleme klären und die Maßnahmen dann lieber ein paar Tage später ohne vermeidbaren Ärger in Kraft setzen. "Wir brauchen doch die Akzeptanz der Bürger",  findet er. "Doch dafür brauchen wir überschaubare und nachvollziehbare Regeln."

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