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MESPELBRUNN: "Das Wirtshaus im Spessart" - 60 Jahre Räuberromantik

MESPELBRUNN

"Das Wirtshaus im Spessart" - 60 Jahre Räuberromantik

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    Szene aus der Filmkomödie „Das Wirtshaus im Spessart“ aus dem 1957 mit dem unfreiwilligen Räuberhauptmann, gespielt von Carlos Thompson.
    Szene aus der Filmkomödie „Das Wirtshaus im Spessart“ aus dem 1957 mit dem unfreiwilligen Räuberhauptmann, gespielt von Carlos Thompson. Foto: Fotos (5): Archiv Günther Köstler

    Die schrecklichen Räuber treiben noch immer ihr Unwesen im finsteren Spessartwald. Zuletzt vor wenigen Tagen auf der Geishöhe, heißt es. Dort überfielen arglose Menschen im Gasthof – wie einst im 17. und 18. Jahrhundert, allerdings gegen freiwillige Bezahlung und auf ausdrücklichen Wunsch.

    Die Räuberromantik wurde durch den Filmklassiker „Das Wirtshaus im Spessart“ befördert. Die Dreharbeiten fanden 1957 größtenteils in Mespelbrunn statt. Vorlage des Films war die 1828 veröffentlichte gleichnamige Erzählung des Dichters Wilhelm Hauff. Sie wirkt noch immer nach. Und ohne den Film wären die inszenierten Überfälle der Spessarträuber heute nicht so beliebt.

    Auch das Wasserschloss in Mespelbrunn ist bis heute ein Ausflugsziel für viele, die auf den Spuren der Räuberpistole wandeln möchten. Das verwunschen gelegene Bauwerk diente damals als romantische Filmkulisse und wurde weltberühmt.

    Kino Open Air vor dem Schloss am 22. Juni

    Am 22. Juni gibt es am Schloss anlässlich der Erstausstrahlung des „Wirtshauses“ vor 60 Jahren einen Open-Air-Kinoabend. Veranstaltet wird er von Marie Antoinette Gräfin von Ingelheim, genannt Echterin von und zu Mespelbrunn– sie ist die Chefin des Hauses – und ihrer Mutter Hedwig von Ingelheim.

    Die Organisation der Räuberüberfälle, die durch „Das Wirtshaus im Spessart“ inspiriert wurden, liegt in den Händen von Günther Köstler. Der Mespelbrunner hat eine besondere Beziehung zu der Filmkomödie. Sein Vater hat die Dreharbeiten 1957 über mehrere Monate fotografisch begleitet.

    Michael Köstler kam 1945 nach Mespelbrunn

    „Mein Vater war ein Allrounder“, sagt Günther Köstler. 1945 musste Michael Köstler seine Heimatstadt Eger verlassen. Im verträumten Mespelbrunn wurde ihm eine Wohnung im Schloss zugewiesen. Anfang der 1950er Jahre zog er mit Frau und Tochter direkt in den Ort. Er ist in der Spessartgemeinde heimisch geworden.

    Sohn Günther kam im Oktober 1954 zur Welt. „Ich war drei Jahre alt, als der Film gedreht wurde“, erzählt er in seinem Garten in Mespelbrunn mit Blick auf einen bewaldeten Berg. Eigene Erinnerungen an die Schauspieler, die Kameraleute oder an Szenen wie die Kutschfahrten durchs Schlosstor hat er nicht. Dennoch scheint sich damals etwas in seinem Kinderherzen eingenistet zu haben. Denn die Spessarträuber ließen ihn nicht mehr los und faszinieren ihn bis heute.

    Mit der Leica am Dreh dabei

    Sein Vater war nicht von Haus aus Fotograf. In Eger verdiente Michael Köstler als Verwaltungsangestellter seinen Lebensunterhalt. In seiner Freizeit genoss er hinter den Bühnen, wo er als Feuerwehrmann Bereitschaft hatte, viele Opern und Theaterstücke. Er wäre wohl auch gerne Schauspieler geworden, meint sein Sohn und bezeichnet ihn als „Unterhaltungstalent“.

    In seiner neuen Heimat zog Michael Köstler „an vielen Strängen“, sagt Sohn Günther, um sich eine neue Existenz aufzubauen. Er arbeitet zuerst als Schlossgärtner, berichtete später als Zeitungsreporter über die Ereignisse rund um Mespelbrunn und gab Tanzstunden.

    Ausschlaggebend für seinen „Paparazzo“-Einsatz bei den Dreharbeiten zum „Wirtshaus“ war wohl, dass der Tausendsassa einige Zeit in einem Fotostudio in Aschaffenburg tätig war. Seither besaß er eine Leica-Kamera. Derart professionell ausgestattet ging er im Sommer 1957 so oft wie möglich zum Schloss und drückte auf den Auslöser.

    Viele Schaulustige bei den Dreharbeiten

    Dass dort Aufregendes passiert, sprach sich schnell herum und zog Schaulustige an. Sie wollten einen Blick auf Carlos Thompson erhaschen, den smarten und gut aussehenden unfreiwilligen Räuberhauptmann, dazu das ansteckende Lachen der schönen und kecken Liselotte Pulver hören, die sich als „Comtesse Franziska“ in den Räuberhauptmann verliebt, und dazu die anderen Stars sehen. Etwa Rudolf Vogel, er spielte den Gaukler Parrucchio. Oder Hans Clarin und Helmut Lohner (Handwerksburschen Peter und Felix), Wolfgang Neuss (Räuber Knoll) und Hubert von Meyerinck (Polizeimajor).

    „Damals war rund ums Schloss nichts abgesperrt“ erzählt Günther Köstler und zeigt in seinem Album auf ein Foto. Es zeigt Lilo Pulver in ihrer Verkleidung als Bursche, mit der sie sich ins Räuberlager eingeschmuggelt hat. Sie sitzt mit einer weiteren Person auf einer Decke, macht Brotzeit.

    Heute undenkbar, stehen damals nur wenige Meter entfernt zwei Frauen im typischen 1950er-Jahre-Look am See und beobachten die damals schon berühmte Schauspielerin. Lilo Pulver hatte 1955 als Stationsvorstehertochter aus dem ungarischen Nest Hódmezövásárhelykutasipuszta in dem Film „Ich denke oft an Piroschka“ die Herzen erobert.

    Carlos Thompson im Cabriolet

    Michael Köstler konnte sich damals auf dem Gelände frei bewegen. Carlos Thompson lächelte ihm mehrmals freundlich in die Kamera. Einmal bemerkte der Schauspieler den Fotografen jedoch nicht. In diesem Moment gelang Michael Köstler ein toller Schnappschuss: Thompson – mit Hut auf dem Kopf und Zigarre lässig im Mund – saust mit seinem Cabrio davon. Die Unschärfe suggeriert Geschwindigkeit. Womöglich wartete seine große Liebe, die Schauspielerin Lilli Palmer, bereits irgendwo auf ihn.

    Der Argentinier mit deutsch-schweizerischen Wurzeln und die Deutsche mit ebenfalls Vorfahren aus der Schweiz haben während oder kurz nach den Dreharbeiten am 21. September 1957 geheiratet. Lilli Palmer war mehrmals zu Besuch in Mespelbrunn und trug sich dort ins Gästebuch der Familie von Ingelheim ein.

    Lilo Pulver bedankt sich

    Lilo Pulver verewigte sich darin am 10. Oktober 1957: „Ich bedanke mich für alles Gute, speziell aber für die Tee- und Kaffeepausen.“ Rüdiger Vogel hob den „den reizenden Nachmittag in Ihrem Märchenschloss“ hervor.

    Nach den Erzählungen seines Vaters sind die Schauspieler jeden Abend in ihre Hotels gefahren. Die meisten wohnten im Hotel Post in Aschaffenburg, Lilo Pulver im Wenzelhof in Haibach, damals eine der besseren Unterkünfte. „Sie hat dort ihren 28. Geburtstag gefeiert.“ Heute befinde sich dort, wo sie mit ihren Gästen angestoßen hat, ein Bio-Markt. Die „Komparserie und Schminke“ war laut Köstler in der Nähe des Drehorts untergebracht: im Schlosshotel.

    Erinnerngen an ein Filmrequistit

    Womöglich ist ihm damals, als er als Dreijähriger seinen Vater begleitet hat, ein bestimmtes Filmrequisit im Gedächtnis haften geblieben. Der Wagen, mit dem der Moritatensänger und Gaukler Parrucchio im Film unterwegs war, stand in der Scheune neben dem Wohnhaus der Familie Köstler. „Er war dort bei unseren Vermietern eingelagert.“

    Jedenfalls übernahm Günther Köstler Jahre später die Rolle des Parrucchio beziehungsweise von Rudolf Vogel bei Aufführungen der Spessart-Bühne Mespelbrunn. Ein Mal hat das Laientheater sogar vor dem Schloss gespielt. Es konnte die aufwendige Inszenierung nur im „Fünf-Jahres-Rhythmus stemmen“, zuletzt 2012. „Ohne Unterstützung geht es nicht“, sagt Günther Köstler, alle Mitwirkenden seien jedoch „bereit und offen“ für eine Wiederaufnahme. Bis dahin unterhält er mit seiner Truppe arglose Spessart-Gäste mit inszenierten Überfällen.

    Räuber-Hotline und Kartenvorverkauf

    Informationen über das Programm der Mespelbrunner Spessarträuber gibt es über die Räuber-Hotline: Tel. (0171) 780 90 83.

    Karten für das Kino Open Air vor dem Schloss Mespelbrunn am 22. Juni gibt es per E-Mail: schlossverwaltung@schloss-mespelbrunn.de oder ingel-mail@t-online.de. Die Filmvorführung von „Das Wirtshaus im Spessart“ startet um 21 Uhr; Einlass ist ab 19 Uhr. Weitere Informationen unter www.schloss-mespelbrunn.de

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