Klimafreundliche Mobilität stärken, Schiene und ÖPNV attraktiver gestalten: Mit diesen Worten warb Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zu Jahresbeginn für das Deutschlandticket. Mit Erfolg. Die Abgeordneten stimmten zu, im Mai ging das Ticket an den Start. Und heute? Hat das Ticket die Erwartungen erfüllt?
Laut Volker Wissing: ja. „Das Deutschlandticket ist ein echter Gamechanger und bereits nach drei Monaten ein großer Erfolg. Die ersten Erhebungen zeigen, dass das Ticket stark nachgefragt wird“, sagte Wissing unserer Redaktion. „Das Ticket wird langfristig zu einem enormen Modernisierungsschub des ÖPNV führen und dabei helfen, das Angebot attraktiver zu gestalten.“
Seit Einführung des Deutschlandtickets fahren mehr Menschen Bahn
Die Zahlen scheinen Wissing recht zu geben. Elf Millionen Abos hat die Deutsche Bahn verkauft. Eine Auswertung von Mobilitätsdaten des Mobilfunkanbieters O2 Telefónica, die unserer Redaktion vorliegt, zeigt: Seit Einführung des Tickets verzeichnet die Bahn 170.000 zusätzliche Zugreisende am Tag. Besonders stark nahm die Zahl der Pendler zu. Sie stieg um 27,5 Prozent. Das Auto bleibt dafür öfter stehen: Im Vergleich zum Juni 2019 ist die Zahl längerer Pendlerfahrten mit dem Auto um 11,8 Prozent gesunken.
Trotzdem gibt es Kritik am Deutschlandticket. Die kommt zum Beispiel vom Bund der deutschen Landjugend. Der Verband kritisiert den schlecht ausgebauten ÖPNV in ländlichen Regionen. „Wo nur wenig mehr als der Schulbus fährt, hilft auch ein bundesweites Ticket nicht“, sagte Anne-Kathrin Meister, stellvertretende Vorsitzende des Verbands, kurz nach Einführung des Abos.
In wenigen Gebieten ist der ÖPNV so schlecht ausgebaut wie in der Region. Beispiel: Donau-Ries. Hier wohnen nur 38 Prozent der Menschen in der Nähe einer Haltestelle, die mehr als 20-mal am Tag angefahren wird. Das zeigen Daten des Bundesinstituts für Bau, Stadt- und Raumforschung. Zum Teil liegt das an der ländlichen Prägung – aber nicht nur. Im Ostalbkreis, der an Donau-Ries grenzt und ebenso ländlich geprägt ist, sind es 93 Prozent. Das Problem: Bundesweit gibt es keine einheitlichen Standards für den Ausbau des ÖPNV. Wie schnell dieser vorangetrieben wird, liegt letztlich am Willen der Bundesländer. Und im Vergleich schneidet Bayern da schlecht ab – vorletzter Platz. Einzig in Mecklenburg-Vorpommern wohnen weniger Menschen in der Nähe einer ÖPNV-Haltestelle.
Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die Zahl der Abfahrten von Zügen und Bussen in den Gemeinden betrachtet. Liegt diese in städtischen Regionen wie München und Augsburg bei etwa 250 Abfahrten pro 1000 Einwohner, sind es in den ländlichen Gemeinden der Region in der Regel nur um die 40.
Dirk Flege, Geschäftsführer des Verbands pro Schiene, fordert deshalb Zusatzangebote, um das Ticket auf dem Land attraktiver zu machen. Eine Idee ist der „PlusBus“. Ein Shuttleservice, der Menschen auf dem Land im Stundentakt zum nächsten Bahnhof bringt. Eine weitere Lösung sei die Reaktivierung von stillgelegten Bahnstrecken.
Verena Bentele über das Deutschlandticket: „Beitrag zur Mobilitätswende, aber nicht zur sozialen Teilhabe“
Kritik kommt auch von Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. „Im Moment leistet das Ticket zwar einen Beitrag zur Mobilitätswende, aber nicht zur sozialen Teilhabe“, sagt sie. „Nicht wenige Verkehrsverbünde verkaufen das Ticket lediglich digital über das Smartphone. Viele Seniorinnen und Senioren und auch manche Menschen mit Behinderungen in Deutschland besitzen aber kein Smartphone“, sagt Bentele. Und Menschen, die Grundsicherung oder kleine Einkommen beziehen, könnten sich das Ticket nicht leisten. „Es fehlt ein bundesweites Sozialticket für 29 Euro.“ In Bayern wird es so ein Ticket zwar ab September geben. Allerdings nur für Auszubildende, Studierende und Freiwilligendienstleistende.