Die bayerische AfD hat Mitte Januar in Schweinfurt ein sogenanntes "Regierungsprogramm" für Bayern vorgelegt. Kern ist ein sogenannter "Geh-Hoam-Plan" oder "Remigrationsplan", der aufnimmt, was führende AfD-Politiker gemeinsam mit Neonazis und einigen Unternehmern im November offenbar bei einem Geheimtreffen in Potsdam geplant haben: die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland.
Wir haben dieses Programm, das die AfD umsetzen möchte, wenn sie an die Regierung käme und - wie die Partei sagt - "Verantwortung für Bayern" übernehmen würde, mit dem Würzburger Juristen Prof. Kyrill-Alexander Schwarz einem Faktencheck unterzogen. Der Staatsrechtler, der an der Uni Würzburg Öffentliches Recht lehrt, stellt schnell fest: Das Programm hält der Wirklichkeit nicht stand. Auf Basis bestehender deutscher und europäischer Gesetze oder Verträge ist es entweder nicht machbar, oder schon im Ansatz falsch.
Zum besseren Verständnis stellen wir der juristischen Bewertung die im "Regierungsprogramm" der Bayern-AfD aufgeführten Punkte zu "Remigration" voran.
Remigrationsplan der Bayern-AfD
- a. Die AfD steht für Remigration. Das bedeutet echter bayerischer Grenzschutz. Wir werden sogenannte "Pushbacks" an den Grenzen durchführen. Illegale Migranten und Personen ohne gültige Identitätsdokumente sind zurückzuweisen.
- b. Wir werden einen "Geh-hoam-Plan" verfolgen: Eine AfD-geführte Staatsregierung setzt die konsequente Abschiebung aller illegal eingereisten Migranten um, Straftäter und islamistische Gefährder werden ausgewiesen.
- c. Wir werden als Freistaat Bayern den Bund für seine Flüchtlingspolitik verklagen. Rechtswidrige Vorgaben der Bundesregierung werden nicht mehr befolgt.
Warum dieser "Remigrationsplan" nicht umsetzbar ist
Der Plan erweist sich aus staatsrechtlicher Sicht als nicht umsetzbar, so die Bewertung von Prof. Kyrill-Alexander Schwarz. Und zwar weder auf der Basis bestehender nationaler Gesetze, noch auf der Basis geltender völkerrechtlicher Verträge.

"Pushbacks": nicht vereinbar mit bindenden Konventionen und geltendem Recht
Laut Schwarz betreffen die von der AfD propagierten "Pushbacks", also Zurückweisungen, die EU-Außengrenzen und lassen sich innerhalb des Schengen-Raums, also etwa von Deutschland aus, "so gar nicht durchführen". Geht es um die Zurückweisung von Migranten an den Schengen-Außengrenzen, wird die Genfer Flüchtlingskonvention wirksam, die ein Zurückweisungsverbot kennt: Verboten ist damit die unmittelbare Verbringung in einen Verfolgerstaat sowie die Abschiebung oder Zurückweisung in Staaten, in denen eine Weiterschiebung droht.
Auch die Europäische Menschenrechtskonvention enthält ein flüchtlingsrechtliches Zurückweisungsverbot. Beide Konventionen sind als völkerrechtliche Verträge bindend und finden im deutschen Recht ihre Entsprechung.
Das Aufenthaltsgesetz beschränkt die Möglichkeit der Zurückweisung
Die Vorstellung der AfD, man könne "illegale Migranten und Personen ohne gültige Identitätsdokumente zurückweisen", scheint zunächst vereinbar mit dem deutschen Aufenthaltsgesetz. "Ein Ausländer, der unerlaubt einreisen will, wird an der Grenze zurückgewiesen", heißt es in Paragraf 15 Absatz 1 des deutschen Aufenthaltsgesetzes. Doch der Paragraf 15 Absatz 4 beschränkt die Möglichkeit der Zurückweisung: Die Zurückweisung eines Menschen, der sein im Grundgesetz garantiertes Recht auf Asyl geltend macht, ist nicht erlaubt.
"Insgesamt muss dem Ausländer daher grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden, zunächst einzureisen und seinen Schutzanspruch - unabhängig davon, ob dieser tatsächlich besteht - auch geltend zu machen", erläutert Jurist Schwarz.
Abschiebung von islamistischen Gefährdern wäre religiöse Diskriminierung
Dem Staatsrechtler zufolge verstößt auch die geforderte konsequente Abschiebung von Straftätern und islamistischen Gefährdern dann gegen das geltende Recht, wenn sie bei den Gefährdern ausdrücklich nur Muslime in den Blick nimmt: Dies stellt eine Diskriminierung aus Gründen der Religion dar, sagt Schwarz.
Dass ausländische Straftäter ausgewiesen werden, ist laut Aufenthaltsgesetz zwar prinzipiell gesetzeskonform, praktisch aber nur sehr eingeschränkt möglich. Denn das Gesetz fordert eine Abwägung zwischen den Ausweisungsgründen und den Bleibeinteressen des Ausländers und gestattet deshalb nicht die Abschiebung bei jeder Straftat.
Für ein besonders schweres Ausweisungsinteresse müsse eine Verurteilung zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr vorliegen oder die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung, so Schwarz. Doch selbst dann gelten diverse Abschiebeverbote. Etwa dann, wenn ein ausländischer Straftäter in ein Land zurückgeschoben würde, in dem "sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung" bedroht wäre.
Der Plan der AfD, Vorgaben der Bundesregierung nicht zu befolgen, ist im Ansatz falsch
Eine Klage Bayerns gegen den Bund wegen seiner Flüchtlingspolitik ist prinzipiell möglich, sagt Kyrill-Alexander Schwarz. Allerdings müsste diese Klage entweder eine Normenkontrolle mit der Behauptung sein, bestimmte flüchtlingsrelevante Gesetze verstießen gegen das Grundgesetz. Wäre ein Bund-Länder-Streit angedacht, müsste sich dies gegen eine bestimmte Maßnahme oder Unterlassung des Bundes richten, die gerade das Land Bayern in seinen Rechten verletzt.
Dass die AfD bei einer dieser beiden Vorgehensweisen erfolgreich sein könnte, hält der Würzburger Jurist für ausgesprochen unwahrscheinlich. Der Plan der AfD, "rechtswidrige Vorgaben der Bundesregierung nicht mehr befolgen" zu wollen, ist - so die Schlussfolgerung des Staatsrechtlers - schon im Ansatz falsch. Denn für die Umsetzung flüchtlingsrelevanter Gesetze sind die Länder selbst verantwortlich.