Fast jeden zweiten Tag schloss 2022 ein Pflegeheim in Deutschland, 146 waren es über das Jahr verteilt. Gut 6500 Bewohnerinnen und Bewohner waren von den Schließungen betroffen. Und die Entwicklung könnte in den kommenden Jahren zunehmen. Laut einer Umfrage des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) sorgen sich aktuell 68 Prozent der Pflegeheime um ihre Existenz. In Bayern sind es sogar 74 Prozent. Jede fünfte Einrichtung gilt laut der Bank für Sozialwirtschaft als insolvenzgefährdet.
Weniger Fachkräfte bedeuten weniger Betten in den Pflegeheimen. Und damit: weniger Einnahmen
"Die Lage ist besorgniserregend", sagt Bernd Meurer, Vorsitzender des BPA. Er sieht zwei Probleme. Das Erste: Wie in anderen Branchen auch, hatten die Pflegeheime zuletzt mit steigenden Energiepreisen und hoher Inflation zu kämpfen. Die Kosten für Nudeln und Brötchen, für Verbandszeug und Schutzmasken stiegen drastisch an. "Aber anders als beispielsweise im Einzelhandel können wir die Kosten nicht ohne Weiteres an die Klientinnen und Klienten weitergeben", sagt Meurer.
Die Leistungen werden pauschal von den Kostenträgern vergütet. Das sind in erster Linie die Pflegekassen und die Bezirke. Mit ihnen handeln die Vertreterinnen und Vertreter der Pflegeheime Pauschalen aus. Die Verträge gelten meist für ein Jahr. Kurzfristige Anpassungen aufgrund steigender Kosten seien kaum möglich, klagt der BPA.
"Die Pflegeheime konnten keinerlei finanzielle Reserven erwirtschaften", sagt Meurer. "Wenn immer nur alles auf Kante genäht ist, bringen solche Preisentwicklung sofort das Risiko einer Insolvenz mit sich." Die Kassen weisen die Kritik jedoch zurück. Die steigenden Energie- und Sachkosten würden in den Verhandlungen berücksichtigt, heißt es vom GKV-Spitzenverband, in dem die Kassen organisiert sind. Und Neuverhandlungen seien nicht ausgeschlossen. Die kämen jedoch nur schleppend voran, entgegnen die Vertreter der Pflege.
Das zweite Problem für die Heime ist der Personalmangel. "Wir finden kaum noch Fachkräfte", sagt Meurer. Und das hat Folgen für die Einnahmen. Denn die Personalstärke ist gesetzlich festgelegt. Sind nicht ausreichend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt, können die Pflegeheime weniger Betten anbieten. Weniger Betten heißen auch weniger Einnahmen. Zwar würden dadurch auch die Kosten sinken, jedoch in weit geringerem Maß. "Köche beispielsweise müssen Sie trotzdem bezahlen und die Miete auch", sagt Meurer. "Mit einer Auslastung von 80 Prozent können Sie nicht mehr wirtschaften."
Die Probleme werden von Jahr zu Jahr drängender, mahnen die Verbände
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek sieht vor allem die Attraktivität des Berufs als Ansatzpunkt, um auf den Personalmangel zu reagieren. "Um Fachkräfte für den Pflegeberuf zu gewinnen und zu halten, sind vor allem bessere Arbeitsbedingungen und eine adäquate Entlohnung notwendig", sagte Holetschek unserer Redaktion. "Die Tariflohnbindung ist deshalb ein wichtiger Schritt hin zu einer flächendeckend angemessenen Vergütung."
Gleichzeitig nimmt er die Kostenträger in die Pflicht. Er habe die Kassen angemahnt, die Finanzierung zu gewährleisten. "Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der alle Akteure mitwirken müssen", sagt Holetschek. "Die Leistungserbringer müssen für bessere Arbeitsbedingungen sorgen, und die Pflegekassen müssen ihrem Sicherstellungsauftrag nachkommen."

Doch die Probleme werden von Jahr zu Jahr drängender, mahnen die Verbände. Von 2019 auf 2022 ist die Zahl der Pflegebedürftigen in Bayern laut Landesamt für Statistik um 17 Prozent gestiegen. Seit 2001 hat sie sich verdoppelt. Und die Entwicklung wird sich weiter fortsetzen. Grund ist der demografische Wandel. "Da ist es keine Panikmache, wenn ich sage: Demnächst knallt es", sagt Bernd Meurer. "Sie kriegen die Menschen irgendwann nicht mehr alle versorgt."