Es ist so still, dass man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören kann, als Florian Teichtmeister am Dienstagmorgen die Tür zum großen Schwurgerichtssaal am Wiener Straflandesgericht öffnet. Der ehemalige Theater- und Fernsehstar, einst einer der bekanntesten und erfolgreichsten österreichischen Schauspieler, wirkt gefasst, aber angespannt. Seine Haltung ist geduckt, der Kopf gesenkt. Rasch nimmt Teichtmeister auf der Anklagebank Platz. Kameraleute und Fotografen bekommen ihn nur kurz zu sehen. Dann müssen sie den Saal verlassen. Es ist der Auftakt zum wohl vorläufig letzten großen Auftritt des 43-Jährigen.
Schon wenige Stunden später wird Teichtmeister das Gericht als freier Mann verlassen. Ein Zurück in sein früheres Leben aber, in TV-Rollen wie beim "Tatort" oder auf Bühnen wie die des Wiener Burgtheaters, wird es für ihn wohl nicht geben. Dafür ist das, was in diesen Stunden verhandelt wird, zu folgenschwer, zu verstörend, zu abscheulich.
Kampfsportler Carsten Stahl war ebenfalls beim Teichtmeister-Prozess
Ein derartiges Medieninteresse hat das Wiener Straflandesgericht seit Langem nicht gesehen. Rund 60 Journalistinnen und Journalisten drängen sich in den Sitzreihen des Gerichtssaals. Polizeibeamte in Zivil und andere Sicherheitskräfte beobachten das Publikum genau, schließlich sind Störaktionen angekündigt. Draußen, direkt vor dem Gebäude, demonstrieren seit acht Uhr morgens mehrere Gruppierungen gegen Kindesmissbrauch, hunderte Polizeibeamte halten die Demonstranten auf Abstand. Zu den Kundgebungen aufgerufen haben auch Rechte und altbekannte Organisatoren aus dem verschwörungsideologischen Coronaleugner- und Impfgegner-Milieu.
Gekommen ist auch der Deutsche Carsten Stahl. Der Kampfsportler und ehemalige Fernseh-Laiendarsteller ist mit seiner Initiative gegen Kindesmissbrauch nun auch in Österreich vertreten. Der Wiener Ableger seines "Bündnis Kinderschutz" wird von einem Gastronomen geleitet; letzterer, Stahl und weitere teils muskelbepackte Männer stehen, während sich drinnen Journalisten, Kameraleute und Fotografen auf die Füße steigen, auf der Straße und halten ihre Transparente in die Kameras. Andere Demonstrantinnen und Demonstranten tragen einen Galgen mit der Aufschrift "Teichtmeister" vor sich her. Vereinzelt sitzen diejenigen, die den Schauspieler am liebsten hängen sehen würden, auch im Gerichtssaal. Doch es bleibt still während der Verhandlung.
Was dann unter dem Vorsitz von Richter Stefan Apostol verhandelt wird, gleicht einer öffentlichen Aufarbeitung von Teichtmeisters jahrelangem Weg in die "Eskalation" und in den "absoluten Kontrollverlust", wie er es selbst nennt. Gleich zu Beginn bekennt sich der gebürtige Wiener schuldig im Sinne der Anklage. Der frühere Schauspieler legt Zeugnis ab über sein Innenleben, seine jahrelange schwere Drogen- und Alkoholabhängigkeit – und seine Störung.
Schauspieler Florian Teichtmeister bezeichnet sich selbst als pädophil
Ja, antwortet er auf die Frage der Staatsanwältin, er selbst würde sich als pädophil bezeichnen. Im Jahr 2008 sei er zum ersten Mal auf Darstellungen von Kindesmissbrauch gestoßen, das sei über eine gewöhnliche Porno-Seite geschehen, wo auch "Lolita"-Bilder angeboten worden waren, Fotos von zwölf-, 13-jährigen Mädchen in aufreizenden Posen. Die Fotos, die er sich dann über umständliche Wege im sogenannten Darknet, einem verborgenen Teil des Internets, besorgte, zeigen schließlich immer jüngere Mädchen. Sein enormer Drogenkonsum – Teichtmeister spricht selbst von "drei bis vier Gramm Kokain am Tag" – habe sein Unrechtsbewusstsein immer geringer werden lassen. Bis er, wie er sagt, die Kontrolle verlor.

Denn beim reinen Besitz von Material mit Kindesmissbrauchs-Darstellungen, wie ihm das die Staatsanwaltschaft noch vor seinem ersten, im Februar schließlich krankheitsbedingt abgesagten Prozesstermin vorgeworfen hatte, blieb es nicht. Der Schauspieler fertigte bis ins Jahr 2021 hinein 110 Videos und Bilderstrecken aus dem Material an. Das österreichische Strafrecht wertet dies als Herstellung von Kindesmissbrauchsmaterial, was wiederum drei statt nur zwei Jahre Gefängnisstrafe nach sich zieht.
Die Videos und Fotos versah Teichtmeister mit Texten, aus denen zuerst Staatsanwältin Julia Kalmar, später die zweite Richterin des insgesamt vierköpfigen Schöffen-Senats ausführlich vorlesen. Es sind Gewaltfantasien, an Abscheulichkeit kaum zu überbieten, für viele Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal sind sie nur schwer zu ertragen. Während des Vortrags der "pädo-sadistischen Texte" vergräbt Teichtmeister sein Gesicht in den Händen oder schüttelt den Kopf. Nach dem Warum gefragt, spricht er immer wieder in kryptischer Weise von seiner eigenen Kindheit und von "Ohnmachtsgefühlen aus bestimmten Gründen", die er mit Kokain, Alkohol und den Missbrauchsbildern habe betäuben wollen.
Teichtmeister beschaffte sich kinderpornografische Bilder aus dem Darknet
In schmerzlicher Weise arbeite er jetzt in seiner Therapie die dahinterliegenden Gründe auf: das Gefühl von Machtlosigkeit, das aufgrund einer "Grenzüberschreitung" in seiner Kindheit entstanden sei. Diese Gewaltfantasien niederzuschreiben, das habe ihm ein Gefühl der Selbstermächtigung gegeben, habe ihm geholfen, die empfundene Machtlosigkeit zu kompensieren. Lange habe er sich eingeredet, dass er nur Bilder konsumiere. "Heute weiß ich, dass es ohne Konsumenten keine Anbieter gibt", sagt der ehemalige Fernsehstar. Niemals aber habe er Material weitergegeben oder gar für das Material bezahlt. Das habe er getan, um sich selbst "ein gewisses Maß an Verantwortung zu setzen, um das System Kindesmissbrauch nicht zu unterstützen".
Jahrelang machte Teichtmeister weiter, auch, als er 2014 beruflich in die Rolle eines Mannes schlüpfte, der mit Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht wird. Damals, das zeigen die Daten-Auswertungen des Sachverständigen, habe Teichtmeister besonders viel Material aus dem Darknet beschafft. Nur zwischendurch, sagt der Angeklagte vor dem Richter, habe er Phasen der Selbsterkenntnis erlebt, eingesehen, "dass das falsch ist". Hilfe habe er sich dennoch keine gesucht und auch nie mit jemandem darüber gesprochen.
Anfang August 2021 schließlich rastete Florian Teichtmeister aus. Bei der Wiener Polizei ging ein Notruf ein, am Telefon war Teichtmeisters damalige Lebensgefährtin, es ging um häusliche Gewalt. Als die Beamten eintrafen, übergab ihnen der Schauspieler einen USB-Stick mit Kindesmissbrauchs-Darstellungen. Die Polizisten fanden auch Kokain. Bei einer angeordneten Hausdurchsuchung zeigte sich Teichtmeister kooperativ, er übergab den Beamten nicht weniger als 22 Datenträger inklusive aller Passwörter. Dann aber, so berichtet die Staatsanwältin im Prozess, schwieg Teichtmeister. Er begann eine Therapie, suchte eine Psychiaterin und einen Therapeuten auf und machte einen Entzug.
Der Schauspieler besaß 76.000 Missbrauchsbilder
Teichtmeister hoffte im Ermittlungsverfahren, um einen Prozess herumzukommen, und tatsächlich wurden zumindest die Vorwürfe wegen Drogenbesitzes und häuslicher Gewalt fallen gelassen. Ein Geständnis aber reichte Teichtmeister erst kurz vor der eigentlichen Anklage, im Januar 2023, schriftlich nach. Erst berichteten österreichische Medien anonym. Monate später wurde klar, wer der Prominente ist, bei dem 76.000 Missbrauchsbilder gefunden worden waren.
Eine Entlassung oder Freistellung bei seinem damaligen Arbeitgeber, dem Burgtheater, konnte Teichtmeister damals noch abwenden. Gegenüber dem Chef der berühmten Bühne, Martin Kusej, beteuerte er, alles sei eine Intrige seiner Ex-Partnerin, die Vorwürfe würden sich als haltlos herausstellen. Offensichtlich hoffte Teichtmeister zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch, ohne Verfahren davonkommen zu können.
"Es war eine Erleichterung. Ich wollte erwischt werden", sagt Teichtmeister nun vor dem Richter über jenen Tag, als die Polizei vor seiner Tür stand. Er habe immer gewusst, dass einmal der Tag kommen würde, an dem Schluss sei, mit den Drogen, dem Alkohol und mit der Sucht nach den Missbrauchsdarstellungen. Dass er nach wie vor trocken wie auch clean sei, sei durch regelmäßige Harn- und Blutproben unter Aufsicht bewiesen und werde auch weiter gewährleistet, versichert Teichtmeisters Anwalt Rudolf Mayer.
Ein Psychiater bestätigt Teichtmeister eine schwerwiegende Störung
Der Angeklagte leide an einer schwerwiegenden und nachhaltigen Störung, erklärt der Psychiater Peter Hofmann abschließend in seinem Gutachten. Es sei davon auszugehen, dass Teichtmeister auch in Zukunft die nun vor Gericht festgestellten Tathandlungen wiederholen würde, auch existiere ein erhebliches Rückfallrisiko aufgrund der Mehrfach-Abhängigkeit von Kokain und Alkohol. "Diese Störung ist nicht einfach weg therapierbar", sagt Hofmann. Er empfiehlt eine bedingte Strafe in einer forensisch-therapeutischen Einrichtung.
Die Staatsanwaltschaft will in Teichtmeisters Schuldeingeständnis, der begonnenen Therapie und der Kooperation mit den Behörden kein rechtliches Gewicht erkennen. Richter Apostol und die drei weiteren Richterinnen sehen das anders. Teichtmeisters bisherige Unbescholtenheit, sein Geständnis, die Kooperation mit den Behörden und vor allem die andauernde Therapie, all das sei strafmildernd zu werten, ebenso wie die soziale Ächtung. "Niemand sucht sich aus, ob er pädophil ist", sagt Apostol.
Entsprechend fällt das Urteil aus: zwei Jahre Haft in einem forensisch-therapeutischen Zentrum, ausgesetzt zur Bewährung und verknüpft mit vier zentralen Weisungen, die Teichtmeister einhalten muss: fachpsychiatrische Behandlung auch mit psychopharmakologischer Medikation, geeignete Psychotherapie, absolute Drogen- und Alkoholabstinenz sowie die Inanspruchnahme von Bewährungshilfe.
Demonstrantinnen und Demonstranten stellten Galgen vor dem Gerichtsgebäude auf
"Wie soll es denn mit Ihnen weitergehen?", fragt der Richter dann noch. Teichtmeister sagt, er habe bereits eine Jobzusage, er wolle dem Staat nicht auf der Tasche liegen und selbst wenn es seinem neuen Chef aufgrund der öffentlichen Anfeindungen gegen ihn nicht möglich sei, ihn zu behalten – er sei bereit, jede Arbeit anzunehmen.
Als mildernde Umstände wertet das Gericht auch die Galgen der Demonstranten auf der Straße. Einen solchen bekam am vergangenen Wochenende auch Teichtmeisters Mutter in ihrem Haus im niederösterreichischen Langenlois zu sehen.
Bei allen, die er enttäuscht habe, vor allem aber bei seiner Familie, wolle er sich entschuldigen, sagt Florian Teichtmeister in seinem Abschluss-Statement. Die könne schließlich für all das nichts dafür. "Ich möchte mich entschuldigen, dass ich nichts gesagt habe."