Eine Rückkehr zur Atomkraft in Bayern fordert Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schon länger. Nun aber verknüpft er das Thema mit dem Klimaschutz: Nur mit Kernenergie, erklärte er kürzlich, "können wir die Ziele der Klimaneutralität 2040 schaffen".
Eine Wiederinbetriebnahme des im April 2023 abgeschalteten letzten bayerischen Kernkraftwerks Isar 2 bei Landshut sei zudem "möglich und umsetzbar", glaubt Söder. Notfalls könne sich Bayern aber auch am Bau und Betrieb neuer Atomkraftwerke in Tschechien oder Frankreich beteiligen.
Die AfD fordert im Landtag schon immer eine Rückkehr zur Atomkraft. Doch geht Klimaneutralität in Bayern tatsächlich nur mit neuen Kernkraftwerken?
Felix von Zobel (Freie Wähler): "Teile Meinung des Ministerpräsidenten nicht"
"Ich teile die Meinung des Ministerpräsidenten nicht", sagt Felix von Zobel, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler aus dem Landkreis Würzburg. Aus der Atomkraft auszusteigen, sei "absolut richtig" gewesen, findet er. Eine Rückkehr in Bayern hält von Zobel allein schon wegen der ungeklärten Frage des Atommülls nicht für sinnvoll: "Die Endlager-Suche bleibt sehr schwierig."
Volkmar Halbleib (SPD): "Söder will nur von gescheiterter Klimapolitik ablenken"
"Das ist eine klassische Söder-Nummer", kritisiert auch der Ochsenfurter SPD-Mann Volkmar Halbleib. Niemand habe Söder 2021 gezwungen, die Klimaneutralität Bayerns für 2040 anzukündigen – fünf Jahre vor dem Ziel des Bundes – und dann keine entsprechenden Taten folgen zu lassen. "Söders Atomkraft-Pirouette ist deshalb nur der klägliche Versuch, von der eigenen gescheiterten Klimapolitik abzulenken."

Patrick Friedl (Grüne): "Söders Klimaziele waren nie wirklich ernst gemeint"
So sieht dies auch der Würzburger Grüne Patrick Friedl: Söder habe nach der Reaktorkatastrophe in Japan 2011 als Umweltminister in Bayern den Atomausstieg massiv forciert. Das nun infrage gestellte Klimaziel 2040 habe Söder 2022 mit dem neuen bayerischen Klimaschutzgesetz sogar noch einmal verschärft: "Da stand der Atomausstieg längst fest", erinnert Friedl – und auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hatte schon begonnen.
Söders Kehrtwende habe deshalb nichts mit geänderten weltpolitischen Rahmenbedingungen zu tun, findet Friedl: "Vielmehr waren Söders Klimaziele offenbar nie wirklich ernst gemeint."
AKW-Beteiber: Wiederinbetriebnahme von Isar 2 "kein Thema"
Zur Stromerzeugung sei die Atomkraft zudem unbestritten die teuerste Energie, gibt SPD-Mann Halbleib zu bedenken. Für die Energiekonzerne sei Söders Kehrtwende deshalb wenig attraktiv. In der Tat ließ der Isar 2-Betreiber Preußen-Elektra Söders Idee postwendend abprallen: Die Wiederinbetriebnahme sei für das Unternehmen "kein Thema".
Schon im Sommer 2022 hatten Atomkraft-Experten bei einer Anhörung im Landtag den Weiterbetrieb nach April 2023 abgelehnt: Isar 2 sei technisch veraltet und nicht mehr genehmigungsfähig. Dazu sei kein Fachpersonal mehr vor Ort und das ganze Kraftwerk nicht mehr rentabel.
"Bayern müsste die Kosten selbst tragen", warnt Halbleib: "Das wäre ein Milliarden-Aufwand ohne wirtschaftlichen Nutzen." Denn eine flexible Grundlast-Sicherung der Stromversorgung sei mit einem nur langsam hochzufahrenden AKW schlicht nicht möglich. Dabei könnten nur neue Gaskraftwerke helfen, die mittelfristig auf Wasserstoff umgestellt werden können.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) glaubt hingegen, dass Isar 2 schon "in drei bis vier Jahren" und "mit mehreren Milliarden Euro" wieder ans Netz gehen könnte. Dies sei "immer noch schneller als neue Gaskraftwerke", ergänzt Söders Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU).
Björn Jungbauer (CSU): "Müssen Rückkehr zur Atomkraft vorurteilsfrei prüfen"
Angesichts der Unsicherheit der Gasversorgung dürfe man die Atom-Alternative nicht ignorieren, findet auch der unterfränkische CSU-Landtagsabgeordnete Björn Jungbauer. Deshalb hält er Söders Vorstoß für richtig: "Wir müssen eine Rückkehr zur Atomkraft vorurteilsfrei prüfen." Noch gebe es aber viele offene Fragen, räumt der Würzburg-Land-Abgeordnete ein und fordert deshalb: "Wir brauchen eine bessere Faktenlage."
Und Söders Idee von bayerischen "AKW-Allianzen" etwa mit Tschechien? Tatsächlich haben die Tschechen einen massiven Atomkraftausbau, vor allem mit neuen Kleinreaktoren, bereits angekündigt.
Söder selbst habe doch die Sicherheit des grenznahen tschechischen AKW Temelin stets skeptisch beurteilt, entgegnet SPD-Mann Halbleib. Dass die Tschechen nun beim Ausbau auf eine bayerische Beteiligung warten, sei deshalb "keine realistische Option", glaubt er: "Auch diese Idee ist deshalb nur ein weiterer Stoß von Söders heißer Luft."