Es war Anfang März, als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den reichlich komplexen bayerischen Stufenplan zur Lockerung der Corona-Maßnahmen vorstellte. Inzwischen wurde er aufgrund der anhaltend hohen Infektionszahlen angepasst, verschoben und durch die sogenannte Bundesnotbremse erweitert. Im Wesentlichen soll aber nun endlich das umgesetzt werden, was vor knapp zehn Wochen angekündigt wurde. Doch die Freude darüber wird getrübt: Weil die bayerische Staatsregierung seltsam unvorbereitet wirkt und auch die neuesten Regelungen kaum jemand mehr versteht.

Während die Redaktion regelmäßig Fragen aus der Leserschaft auch zu ganz grundsätzlichen Corona-Maßnahmen erreichen, weil die Menschen kaum noch den Überblick behalten können, findet das Söder-Kabinett den Regel-Wirrwarr "sehr lebensnah und pragmatisch geregelt". Doch die Realität sieht anders aus.
Einige Regelungen – etwa dass Genesene mit einer Auffrischungsimpfung als vollständig geimpft gelten – wurden verkündet, aber bislang in keiner bayerischen Verordnung rechtssicher festgeschrieben. Man gewinnt den Eindruck, dass selbst die Ministerriege den Überblick verliert.
Darüber hinaus hat man Menschen, die ganz konkret mit den neuen Regelungen arbeiten müssen – zum Beispiel Gastronomen –, zu lange im Ungewissen gelassen: So verkündete Söder am vergangenen Dienstag die Öffnungsperspektive für die Außengastronomie, doch erst am Samstag wurden Regelungen für den möglichen Biergarten-Besuch an diesem Montag kommuniziert. Zu spät, um einen Betrieb hochzufahren. Warum nicht längst entsprechende Öffnungspläne in den Schubladen der zuständigen Ministerien liegen, bleibt ein Geheimnis der Staatsregierung.

Für Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ist das alles ohnehin kein Problem. Auf Nachfrage erklärte er, er könne "das Defizit nicht erkennen" – außer dass man sich möglicherweise in der Kommunikation verbessern könne. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) reagierte auf entsprechende Kritik bei Facebook mit einem lapidaren: "Nicht immer nur jammern!"
So bleibt auch nach einem Jahr Pandemie das Resümee: Die bayerische Staatsregierung agiert weltfremd und in Teilen abgekoppelt von den Menschen, die mit den Regelungen umgehen müssen.