Der alte bayerische Regierungschef ist auch der neue. 120 der 198 Abgeordneten des Landtags haben am Dienstag CSU-Chef Markus Söder zum Ministerpräsidenten gewählt. Er kann sich auf eine stabile Mehrheit von CSU und Freien Wählern stützen. Die Atmosphäre im Landtag aber hat sich, wie sich an den ersten beiden Sitzungstagen zeigte, massiv geändert. Die neue, deutlich gestärkte AfD-Fraktion ist offenbar wild entschlossen, alle anderen Fraktionen mit einer noch radikaleren Fundamentalopposition herauszufordern als bisher. Die neue Sitzungsperiode begann mit ungewöhnlich scharfen Wortgefechten.
Am Dienstagvormittag, vor der Wahl und Vereidigung Söders, reichte schon ein Blick in die rechte Ecke des Plenarsaals, um erste Veränderungen zu erkennen. Gemäßigt geltende AfD-Abgeordnete wie die Schwaben Gerd Mannes und Ulrich Singer, die in den vergangenen fünf Jahren führende Positionen in ihrer Fraktion innehatten, saßen in der letzten Reihe, ebenso der oberbayerische Abgeordnete Franz Bergmüller. Vorne haben die Rechtsaußen um Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner das Regiment übernommen. Und der junge AfD-Abgeordnete Daniel Halemba, dessen Haftbefehl wegen des Verdachts der Volksverhetzung erst am Vorabend außer Vollzug gesetzt worden war, durfte medienwirksam in der dritten Reihe beim Vorstand sitzen.
Söders Wahl als Ministerpräsident: Scharfe Worte statt Zurückhaltung
Der Tag, an dem im Landtag ein neuer Ministerpräsident gewählt wird, ist üblicherweise kein Tag für scharf ausgetragene Kontroversen. Daran erinnerte gleich zum Auftakt CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek, als er Söder zur Wiederwahl vorschlug. Er sagte: „Das ist eine Veranstaltung, die Würde gebietet und Respekt vor dem Amt, das wir heute zu wählen haben.“
Doch Ebner-Steiner, die als Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion gleich als zweite Rednerin an der Reihe war, hatte anderes im Sinn. Sie beschimpfte alle anderen als „Kartellparteien“ und warf der CSU unter anderem vor, die „gesetzwidrige merkelsche Masseninvasionspolitik“ mitgetragen zu haben. Sie sagte: „Messermörder, Gruppenvergewaltiger und Islamisten fühlen sich in unserem Sozialstaat pudelwohl.“ Es sei eine „Schande für Bayern“, wenn Massen von Hamas-Anhängern auf bayerischen Straßen demonstrieren. Und sie drohte: „Der Wind in dieser Legislaturperiode wird sich noch einmal verstärken. Also ziehen Sie sich warm an! Schlagen Sie den Kragen hoch, und halten Sie sich gut fest! Denn es wird stürmisch für Sie.“
Erste Sitzung des neu gewählten Landtags mit zwei parallelen Debatten
Florian Streibl, der Fraktionschef der Freien Wähler, konterte: „Wenn es eine Schande für Bayern gibt, dann hat sie gerade eben gesprochen.“ Er erntete dafür lange anhaltenden Beifall von Freien Wählern, CSU, Grünen und SPD. Und diese vier Fraktionen führten dann genau genommen zwei Debatten parallel.
Sie grenzten sich gemeinsam von der AfD ab, betonten die Grundwerte von Freiheit, Recht und Demokratie und kündigten entschlossenen Widerstand gegen Fake-News, Hass und Hetze an. „Wir werden Sie entlarven, das kann ich Ihnen versprechen“, sagte Holetschek an die Adresse der AfD. Auch Grüne und SPD warben für die Gemeinsamkeit der Demokraten. „Die Aufgaben, die vor uns liegen, schaffen wir nicht durch Populismus“, sagte SPD-Chef Florian von Brunn.
Erste Landtagssitzung: Opposition fordert Veränderungen in Bayern
Gleichzeitig lenkten sie die Diskussion wieder auf landespolitische Themen. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze forderte von der neuen Staatsregierung mehr Mut, neue Wege zu gehen: „Verändern, um zu bewahren, das ist die Losung für die momentane Zeit.“ Selbstzufrieden auf den Status quo zu blicken, reiche angesichts der dynamischen Veränderungen nicht aus. „Wir müssen uns den Erfolg immer neu erarbeiten“, sagte Schulze. Von Brunn kritisierte den Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern als „relativ unkonkret“ und forderte insbesondere mehr Initiativen zum Erhalt der Arbeitsplätze in der Industrie. Beide sicherten der neue Regierung eine sachliche und konstruktive Oppositionspolitik zu.
Das letzte Wort an diesem Tag hatte Markus Söder, der nach der Aussprache von allen 120 anwesenden Abgeordneten von CSU und Freien Wählern erneut zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. „Ich nehme die Wahl wirklich mit großer Demut, aber ehrlicherweise auch mit großer Freude an“, sagte Söder und versicherte: „Wir werden alles dafür tun, dass dieses Bayern seinen Charakter als starkes, stabiles Land, als moderne Demokratie behält.“
Söder appelliert an Zusammenhalt in der Gesellschaft
In seiner kurzen Rede schlug Söder versöhnliche Tone an. Er appellierte an den Zusammenhalt in der Gesellschaft und warb für Geschlossenheit und Fairness unter Demokraten. Zum Umgang im Parlament sagte er: „Lasst uns als Demokraten Mut zeigen! Wir müssen vor niemandem Angst haben.“ Ohne die AfD namentlich zu nennen, sagte er: „Je lauter man schreit, desto weniger Bedeutung hat man manchmal. Ich habe keine Angst vor Antidemokraten, aber ich sage Ihnen eines: Antidemokraten sollten sich vor uns hüten, meine Damen und Herren. Wir sind nicht nur mehr, sondern wir sind überzeugt davon, dass wir dieses Land und unsere Verfassung schützen wollen.“
Mit Blick in die rechte Ecke des Plenarsaals fügte er hinzu: „Machen Sie Ihre Arbeit, verschonen Sie uns aber bitte mit völkischen Verschwörungstheorien und Abgrenzungen, wenn von „Kartellparteien“ oder „Altparteien“ gesprochen wird. Manchmal habe ich das Gefühl, die älteste Partei hier im Saal, jedenfalls hinsichtlich ihres Gedankenguts, sitzt an anderer Stelle – solche Parolen, die vor hundert Jahren gedroschen wurden, wollen wir hier im hohen Haus nicht hören.“
Söder betonte, Politik müsse den Menschen jenseits von parteitaktischen Überlegungen Halt und Hoffnung geben. „Wir sind in erster Linie für die Menschen da und nicht für uns.“ Die Regierung werde die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger erfüllen.
Mit der Wahl Söders zum Ministerpräsidenten ist die Regierungsbildung noch nicht abgeschlossen. Erst am Mittwoch kommender Woche will Söder bekannt geben, wer für die CSU ins Kabinett kommt.