Er ist 23 Jahre alt und hat einen Steckbrief über sich bei Instagram hochgeladen. Darin erfährt man viel über den jungen Mann aus Bayern. Seine Schwäche: kümmert sich zu sehr. Was er hasst: gesagt bekommen, was zu tun ist. Eine sanfte Seite hat er auch. Wie sie sich zeigt? Durch ein Lächeln "wie tausend Sonnen", so schreibt er selbst. Der junge Mann, nennen wir ihn Pascal, hat den Wahlaufruf der AfD auf Instagram mit drei blauen Herzen versehen. Es ist die Farbe der rechtsnationalen Partei – und Pascal ist offensichtlich einer ihrer vielen Unterstützer in der Generation unter 30.
Wie beliebt die AfD bei Jungwählerinnen und -wählern ist, zeigt ein Blick in die Statistik. Während Menschen über 70 Jahre bei der Landtagswahl "nur" zu sieben Prozent ihr Kreuz bei der Alternative für Deutschland setzten, erreichte die extreme Rechte bei Wählern zwischen 18 und 24 Jahren 16 Prozent – mehr als doppelt so viel wie noch bei der Landtagswahl 2018. Unter Wählerinnen und Wählern zwischen 25 und 34 Jahren stimmten sogar 18 Prozent für die AfD.
AfD-Affinität unter jungen Wählerinnen und Wählern
Gleichzeitig sind zwar auch die Grünen bei den Jungen beliebter als bei Seniorinnen und Senioren, aber es ist vor allem der Rechtsruck, der Expertinnen und Experten in Bayern erstaunt – Simon Schnetzer zum Beispiel, Jugendforscher aus Kempten. Er wusste zwar um eine AfD-Affinität unter jungen Wählerinnen und Wählern, "aber dass so viele diese Form des Protests wählen, war dann doch überraschend".

Erklären kann er sich den Erfolg der Rechtspopulisten unter Erst- und Jungwählern aber sehr wohl. "Ein großes Argument ist die Frustration", erklärt Schnetzer, "das Gefühl: Die Politik vergisst uns." Junge Menschen hätten viel mehr als Ältere den Eindruck, dass Parteien ihre Bedürfnisse nicht wahrnehmen. Damit verbunden: der Protest "gegen das System". Schnetzer befragt mit seinem Forschungsteam regelmäßig Tausende Jugendliche und veröffentlicht die Ergebnisse in seiner "Trendstudie Jugend in Deutschland". Insbesondere sozial abgehängte junge Menschen fühlen sich ihm zufolge von Rechten angesprochen. "Gerade ihre finanzielle Situation ist für viele ein großes Problem."
Im Jahr 2022 fragten Schnetzer und sein Team junge AfD-Sympathisanten, weshalb sie die "Alternative" wählen würden. Damals hatte noch die umstrittene Corona-Politik eine Rolle gespielt, gegen die die AfD im Bund vehement protestiert hatte. Eine Auswahl der weiteren Antworten: "weil die anderen Parteien nichts tun", "weil sie sagen, was alle denken", "weil das die einzige Partei ist, die noch hinter den Bürgern und Deutschen steht". Schnetzer zufolge vermittelt die AfD Botschaften, die suggerieren: Eigentlich wäre es einfach, an der jetzigen Lage etwas zu ändern.
Die oft geäußerte Vermutung, die Partei punkte vor allem über die sozialen Medien bei jungen Menschen, kann Schnetzer nicht bestätigen. "Wie die AfD einfach nur politische Reden hochzuladen, reicht nicht. Außerdem haben die Grünen und die FDP bei jungen Wählern verloren – obwohl sie sehr aktiv in den sozialen Medien sind." Tatsächlich zeigt ein Blick in die Kommentare unter AfD-Beiträgen, dass vorwiegend Ältere dort posten, Jüngere, wenn überhaupt, vor allem kritisch.

Besonders anfällig für rechte Tendenzen sind Forschungen zufolge junge Männer. Rechtsextremismus-Experte Jannik Fischer von der Uni Hamburg etwa sagte dem Spiegel, dass sich vor allem jene mit einem traditionellen, wettkampforientierten Verständnis von Männlichkeit durch weibliche Emanzipation und die steigende Zahl männlicher Migranten in eine Konkurrenzsituation gedrängt fühlen. Die AfD stehe dagegen für ein Gefühl von "richtiger Männlichkeit".
Jugendforscher Simon Schnetzer zieht mehrere Schlussfolgerungen aus den Wahlergebnissen: "Wir müssen früher an die jungen Menschen rankommen – nämlich schon in der Schule." Viele der Erstwähler hätten die Schule bereits verlassen. Dass politische Bildung häufig zu kurz kommt, ist vor allem in Bayern eine oft geäußerte Kritik am Schulsystem. Und: "Ich würde das Wahlrecht auf 14 Jahre heruntersetzen. Es gibt viele Jugendliche, die sagen: Solange ich nicht wählen darf, ist mir Politik egal" – und die sich entsprechend nicht darüber informieren.
Wählen ab 16? Auch die Freien Wähler sind dafür
Die Debatte um das richtige Wahlalter hält in Bayern seit Jahren an. SPD, FDP und Grüne kämpfen bislang vergeblich dafür, dass im Freistaat schon 16-Jährige wählen dürfen. Auch der Bayerische Jugendring setzt sich dafür ein – und die Freien Wähler. Alexander Hold, bislang deren Landtagsvizepräsident, hatte noch im Mai gesagt, spätestens bei den Koalitionsverhandlungen müsse die CSU "über ihren Schatten springen". Junge Stimmen sind ihm zufolge "eine Bereicherung" für die "nicht gerade junge Landespolitik". Neben der AfD ist nur die CSU noch dagegen – sie zweifelt an der nötigen Reife von Jugendlichen.
Schnetzer hofft, dass das Wahlergebnis der Generation U-30 die etablierten Parteien aufrüttelt. "Ich kann nur sagen: Vergesst die jungen Leute nicht. Schafft Gelegenheiten, sie zu erreichen, ihnen zuzuhören." Da helfe es nicht, wenn ein Politiker öffentlichkeitswirksam seine alte Schule besuche. "Das ist oft ein gesitteter Rahmen, gerade Schülerinnen und Schüler an Gymnasien drücken sich noch dazu eloquent aus." Stattdessen müssten Abgeordnete in Übergangsklassen gehen, in Berufsbildungszentren, in denen Jugendliche ohne Ausbildungsplatz sitzen. Schnetzer selbst ist in seinen ersten Jahren als Jugendforscher mit dem Rad durchs Land gefahren, hat Jugendliche am Straßenrand befragt. "Das würde ich Politikern auch mal empfehlen", sagt er und meint es nicht als Scherz.