Das Verhältnis von Markus Söder und Barbara Stamm war über die Jahre nicht immer frei von Konflikten. Trotzdem – oder vielleicht auch deswegen – hat der Ministerpräsident immer wieder Rat bei Stamm gesucht. Nach ihrem Tod spricht Söder mit dieser Redaktion über seine Bewunderung für Barbara Stamm – und darüber, warum sie ihm fehlen wird.
Frage: Welche Gedanken hatten Sie, als Sie vom Tod von Barbara Stamm erfahren haben?
Markus Söder: Es tut sehr weh. Sie wird mir sehr fehlen. Wie viele Menschen habe ich eine sehr enge Bindung zu Barbara Stamm. Auch wenn ich wusste, dass sie schon länger gekämpft hat und es ihr nicht gut ging, haben wir nie die Hoffnung aufgegeben. Als die Nachricht dann kam, dass Barbara Stamm verstorben ist, hat es einfach nur weh getan. Es war wie ein Stich ins Herz.
Was haben Sie an ihr besonders geschätzt?
Söder: Sie war eine großartige Persönlichkeit und ein wundervoller Mensch. Sie war die Mutter Bayerns und die Seele Frankens – und vielleicht auch unsere Queen im Freistaat. Ich habe immer bewundert, mit welcher Freude und Empathie sie auf Menschen zugegangen ist. Wie sie sich leidenschaftlich für die Schwächsten der Gesellschaft eingesetzt hat. Und wie sie es immer wieder geschafft hat, Menschen zu begeistern.

"Ich war für ihn sicher keine Bequeme", hat Barbara Stamm einmal über Sie gesagt. Hat sie Ihnen auch unangenehme Wahrheiten gesagt?
Söder: Unser Verhältnis hat sich über die Jahre entwickelt. Als ich ein junger, manchmal etwas zu forscher JU-Vorsitzender war, hat sie mich oft ermahnt, nicht die zu vergessen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. In späteren Jahren hat sie mich dann beraten, wie man sich von einem Politiker zum Staatsmann entwickeln kann. Und die letzten Jahre waren wir wirklich ganz eng und herzlich verbunden. Ich würde sie als eine wichtige Ratgeberin bezeichnen – das war sie für Horst Seehofer und das war sie für mich. Und was uns immer verbunden hat, war auch die Liebe zu Franken und die Liebe zum Fasching.

Sie waren ja nicht immer einer Meinung, etwa in der Flüchtlingskrise. Wie war denn in solchen Phasen ihr Verhältnis?
Söder: Barbara Stamm hat oft die etablierte Meinung in der Partei durcheinandergewirbelt, aber dadurch die CSU und die Politik der Staatsregierung nur besser gemacht. In bestimmten Runden mit den Altvorderen, gerade in den Zeiten, als dort noch eine viel höhere Männerdominanz war, hat sie sich immer wieder engagiert eingebracht und nie klein beigegeben – und am Ende dadurch viel durchgesetzt. Sie hat damit die Politik in Bayern besser und menschlicher gemacht. Barbara konnte schon auch hartnäckig sein, wenn es ihr wichtig war. Aber es war immer für einen richtigen und guten Zweck. Und auch wenn es den einen oder anderen im ersten Moment geärgert hat, haben die meisten dann doch darüber nachgedacht und sich am Ende entsprechend verhalten. Barbara Stamm hat mir jedenfalls nie einen falschen Rat gegeben.

Gibt es einen persönlichen Ratschlag an Sie, der Ihnen besonders im Kopf geblieben ist?
Söder: Es waren sehr viele. Aber der wichtigste Rat war: Nicht nur den Verstand zu benutzen, sondern auch aufs Herz zu hören. Und die kleinen Leute nicht zu vergessen. Das ist ganz wichtig.
Barbara Stamm hat 2019 bei der 'Fastnacht in Franken' zu Ihnen gesagt: "Lieber Markus, wir haben uns auch gefunden. Und wer mich hat, wird mich nicht so schnell verlieren." Was hat sie damit gemeint?
Söder: Ich glaube eine besondere Form von Freundschaft und Loyalität, die auch typisch fränkisch ist. Es dauert ja bei uns Franken, bis wir wirklich Freundschaft schließen. Aber wenn, dann für immer. Und wenn, dann auch richtig – in guten wie in schlechten Zeiten. Da konnte man sich auf die Barbara verlassen. Aber umgekehrt konnte sie das auch. Wir haben immer wieder ihren Rat gesucht und sie auch in den schweren Monaten ihrer Krankheit so gut es ging begleitet.

Sie konnte ja sehr hartnäckig sein, wenn sie von einer Sache überzeugt war. Können Sie beschreiben, wie sie es schaffte, ihre Ziele zu erreichen?
Söder: Mit Leidenschaft, Charme, Ausdauer – und mit guten Argumenten. Und die hatte sie. Würzburg und Unterfranken verdanken ihr deshalb so vieles. Die Entwicklung Würzburgs zu einer so großartigen Universitätsstadt, auch die jüngsten Entscheidungen zum Ausbau der Uniklinik, die hat vor allem Barbara Stamm vorangebracht. Sie ist die Patronin Würzburgs und ganz Unterfrankens gewesen. Kein Oberbürgermeister, keine Oberbürgermeisterin der Nachkriegsgeschichte – und damit will ich keinem zu nahe treten – hat mehr für Würzburg erreicht als Barbara Stamm.

In der CSU galt Barbara Stamm als das "soziale Gewissen". Was bleibt von diesem Blick auf die sozial Schwachen und Bedürftigen in der Partei?
Söder: Ja, das ist ihr Vermächtnis. Sie hat die Identität der Partei hier mit geprägt. Wie ich vorhin gesagt habe: An die Kleinen denken. Ihr Einsatz für die Schwächsten, für Menschen mit Behinderung, bei der Lebenshilfe beispielsweise, und für Familien bleibt unser Auftrag. Es gibt so unglaublich viele Menschen, die mit Leidenschaft, mit Herz und Einsatz das Beste tun, um das Land und ihre Familien voranzubringen. Das bayerische Familiengeld und das bayerische Pflegegeld gehen auf sie zurück. Diese in ganz Deutschland einzigartigen sozialen Leistungen waren ihr lang gehegter Wunsch, den wir dann gemeinsam verwirklichen konnten.

Warum wird Ihnen Barbara Stamm fehlen?
Söder: Mir fehlt dieser großartige Mensch. Mir fehlt diese warmherzige Frau. Und wissen Sie: Letztlich ist es im Leben eines Menschen doch so, dass es immer Fixsterne gibt, die immer da waren, an denen man sich immer orientieren konnte. Und genauso, wie Queen Elizabeth doch bei uns allen eine Lücke hinterlassen hat, weil wir sie seit Jahrzehnten gekannt haben, ist es auch mit Barbara Stamm. Deshalb fehlt sie mir. Und es tut auch so weh.

