Die Fassade ist porös. Der einst helle Stein, der den Witterungen der vergangenen Jahrzehnte ausgesetzt war, weist dunkle Flecken auf. Am "Führerbau" in der Münchner Arcisstraße nagt der Zahn der Zeit. Die Fenster zerbröseln förmlich, ein Wasserschaden jagt den nächsten, die Haustechnik ist 70 Jahre alt. Ein massiver Schimmelbefall bedrohte vor etwa zehn Jahren das wertvolle Hauptarchiv der Hochschule für Musik und Theater, die seit 1957 dort beheimatet ist. Für Studierende von Bayerns größter staatlicher Kunsthochschule stellt das eine Zumutung dar. Ein Student sagt: "Das Gebäude zerfällt." Doch das halte die Studierenden nicht vom Musizieren ab.
Die Musik der Studierenden soll "die Dämonen" des Nationalsozialismus vertreiben
Der Führerbau am Königsplatz ist ein geschichtsträchtiges und überaus problematisches Bauwerk – erinnert er und ein baugleicher "Zwilling", der ehemalige "Verwaltungsbau der NSDAP", doch noch heute an das Dritte Reich. Das Zentralinstitut für Kunstgeschichte formuliert es so: Mit der Um- und Neugestaltung des Königsplatzes, dem ersten großen Bauprojekt der Nationalsozialisten, sei "ein monumentales Forum der Bürokratie und des Kults" entstanden. "Partei und Staat manifestierten so architektonisch ihren Machtanspruch in der 'Hauptstadt der Bewegung'." Im Führerbau, der 1933 bis 1937 nach Plänen des Architekten Paul Ludwig Troost für Adolf Hitler gebaut worden war, wurde das "Münchner Abkommen" unterzeichnet. Es führte zur Zerschlagung der Tschechoslowakei.
Die Musik der Studierenden sollte und soll "die Dämonen" des Nationalsozialismus vertreiben, sagt Kunsthistorikerin Iris Lauterbach vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Aber wie es mit dem maroden Gebäude weitergehen würde, das war lange nicht klar. In den vergangenen Jahren wurden Mängel nur notdürftig beseitigt – immer mit Blick auf eine mögliche ganzheitliche Sanierung in der Zukunft. Diese nimmt nun Gestalt an, wenn auch noch reichlich unkonkret.
Fest steht: Die Generalsanierung des Gebäudes wird jetzt angepackt. Bayerns Kunst- und Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), der Anfang Oktober den Planungsauftrag für die Baumaßnahmen erteilt hatte, sprach von einem "Meilenstein". Dabei geht es nicht allein um den Führerbau, sondern um eine Erweiterung zu einem Campus. "So schaffen wir für die Musikhochschule sowie das gesamte Kunstareal neue innovative Perspektiven", erklärte Blume. Lydia Grün, die Präsidentin der Hochschule, sprach ähnlich von einem "großen Erfolg". Staatsminister Blume gebe "unseren Studierenden, der gesamten Hochschulfamilie und damit der Kunst und Kultur in Bayern eine stabile Zukunft".
Minister Blume: "Unser Bekenntnis zu einer lebendigen Erinnerungskultur"
Wann genau mit den Arbeiten begonnen werden kann und wie die Baumaßnahmen aussehen werden, kann das Staatsministerium für Kunst und Wissenschaft bisher allerdings nicht sagen. Klar ist, dass das Vorhaben teuer wird. Die Sanierung des Führerbaus, der neue Campus und die Einrichtung eines Interimsquartiers in der Frankenthalerstraße werden auf eine Summe von bis zu 400 Millionen Euro geschätzt. Zudem soll mit der Generalsanierung die Nazi-Vergangenheit nicht getilgt werden: An der Hochschule werde eine zeitgemäße und moderne Erinnerungskultur gewährleistet bleiben.

Die Hochschule organisiere Konferenzen, Konzerte, Diskursveranstaltungen und Theater-Aufführungen, die die nationalsozialistische Vergangenheit thematisieren, teilt sie auf Anfrage mit. So schaffe sie eine Verbindung zur Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund initiiere sie auch etwa Forschungsarbeiten zu Musikerinnen und Musikern, die vom NS-Regime verfolgt wurden, und zu jüdischem Musikleben im süddeutschen Raum.
Die historische Last, die der Führerbau mit sich trägt, ist den Studierenden bewusst. "Aber man gewöhnt sich dran", meint Studentin Fiona Ruprecht. Je nachdem, wo man sich befinde, werde das Bewusstsein für den Ort stärker. Vor allem im Keller überkomme sie ein seltsames Gefühl, da es dort aussehe wie in einem Bunker. Ruprecht erzählt, dass das Bauwerk vor einiger Zeit für einen Filmdreh verwendet wurde, der die Hochschule in das Jahr 1938 zurückversetzte. Hierfür wurde etwa eine Hakenkreuzflagge vor den Eingang gehängt. "Es ist schon gruselig, wenn man sich vor Augen führt, was hier damals passiert ist", sagt die Studentin.
Für Kunsthistorikerin Iris Lauterbach vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte war es die beste Entscheidung, Institutionen in die ehemaligen NSDAP-Räumlichkeiten einziehen zu lassen, die völlig gegensätzlich zu den Nationalsozialisten stehen, sagt sie. Minister Markus Blume betonte: Das Haus zu erhalten und weiterhin mit einer kulturellen Nutzung auch im Sinne der Demokratie zu versehen, sei "unser Bekenntnis zu einer lebendigen Erinnerungskultur".