In den Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendhilfe herrscht seit Anfang des Jahres Katastrophenstimmung. Niemand dort weiß so recht, wie es nach der überraschenden Kündigung des Jugendtarifs durch die Gema (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte) weitergehen soll. Wie berichtet, bringt die Kündigung des Pauschaltarifs die Verantwortlichen vor Ort an ihre finanziellen und zeitlichen Grenzen. Statt der 187-Euro-Jahrespauschale, mit der alle Veranstaltungen abgedeckt waren, sind die Einrichtungen nun mit den geforderten Einzelzahlungen für jede Veranstaltung schnell bei 1000 Euro jährlich, der erhebliche Arbeitsaufwand geht auf Kosten der pädagogischen Arbeit. Auch die kirchlichen Jugendeinrichtungen schlagen mittlerweile Alarm.
Bauchschmerzen wegen neuer Regelung
Stefan Gerlach vom Musikbüro des Jugendkulturzentrum (Jukuz) in Aschaffenburg ist noch immer geplättet vom Vorgehen der Gema. „Ich habe Bauschmerzen bei dem Gedanken, dass wir jetzt wirklich jede einzelne, noch so kleine Veranstaltung anmelden und Musikfolgebögen einreichen müssen, selbst wenn, wie bei uns, Gema-Repertoire so gut wie nie eine Rolle spielt.“ Der nun zu befürchtende Arbeitsaufwand sei für die zumeist in Teilzeit arbeitenden Kräfte im Jugendbereich erheblich. „Wir werden definitiv weniger Veranstaltungen organisieren.“
Um künftig an einen Rabatt für Konzerte im musikalischen Nachwuchsbereich zu kommen, müssen die Jugendzentren der Gema nachweisen, dass keine wirtschaftlichen Ziele verfolgt werden und dass das Durchschnittsalter aller Bandmitglieder 27 Jahre nicht übersteigt. Genau hier sieht Bernd Schweinar, bayerischer Rockintendant im Verband für Popkultur, weitere Probleme auf die durch den neuen Tarif nun ohnehin schon gebeutelten Träger der Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen zukommen. „Wie sollen wir das denn nachweisen?“
Datenschutz nicht gewährleistet
Tatsächlich bewegt sich die Gema mit ihrer Vorgabe, eine Kopie des jeweiligen Ausweisdokuments an sie zu senden, datenschutzrechtlich auf dünnem Eis. Laut dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit darf eine Ablichtung nicht von der Organisation, die die Ablichtung getätigt hat, an Dritte weitergeleitet werden. Auf Bernd Schweinars Nachfrage bei den Datenschutzexperten heißt es: „Zwar ist die Gema im datenschutzrechtlichen Sinne nicht die verantwortliche Stelle, sondern die Konzertveranstalter, die die Kopien für die Gema einholen sollen. Da die Konzertveranstalter jedoch den Vorgaben der Gema unterliegen, werden wir ihre Anfrage zum Anlass nehmen, die Gema hinsichtlich dieses Themas zu sensibilisieren.“ Die Gema mit Sitz in Berlin unterliegt der Kontrolle und Aufsicht des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Gema unbeeindruckt
Die Gema indes zeigt sich von dem Dilemma, das sie durch die Streichung des Jugendtarifs bundesweit verursacht hat, unbeeindruckt. Man habe, so heißt es auf Anfrage dieser Redaktion, das Tarifsystem reformiert, die Vereinbarungen von 2004 seien nicht mehr zeitgemäß. Zudem erhielten Kinder- und Jugendeinrichtungen für ihre Konzerte und Veranstaltungen einen Sondernachlass von 15 Prozent. „Im Ergebnis dürfte die neue Vergütungsgrundlage für den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit insgesamt und auch für einen Großteil der einzelnen Veranstalter zu einer Verminderung der Belastungen führen“, erklärte Pressesprecherin Gaby Schilcher. Eine Nachbesserung komme nicht infrage, denn: „Der neue Tarif stellt eine Verbesserung zur alten Regelung dar.“
In den Ohren der Jugendarbeiter vor Ort klingt das wie Hohn. Die Empörung über die neue Tarifregelung hatte vor wenigen Tagen zur Aberkennung des Bayerischen Rockpreises 2004 geführt, den die Gema damals für die Einführung des pauschalen Jugendtarifs bekommen hatte. Auf Anfrage heißt es: „Diese Entscheidung bedauern wir und erachten sie als sachlich nicht gerechtfertigt.“
Sonderkonditionen „ein Witz“
Das sieht Rockintendant Bernd Schweinar ganz anders. Die Aberkennung sei mehr als gerechtfertigt. Wie er gegenüber dieser Redaktion erklärte, sei die neue Regelung definitiv keine Verbesserung. „Die Gema beruft sich da auf Sonderkonditionen und Preisnachlässe für Konzerte der Unterhaltungsmusik im Bereich der musikalischen Nachwuchsarbeit, aber die sind umgerechnet ein Witz.“ Schweinar rechnet an Beispielen vor, was an Ersparnis bleibt. Im Fall von 100 zahlenden Fans und fünf Euro Eintritt kommt er auf 6,25 Euro Ersparnis. „Und dafür muss sich ein Pädagoge im Jugendzentrum roundabout eine Stunde hinsetzen, um den Meldevorgang auszufüllen, die Musikfolge zu dokumentieren und mit Ausweiskopien nachweisen, dass das Durchschnittsalter der Band unter 27 Jahre war!“ Schweinars Vorwurf: Die Gema versuche hier mit „Sonderkonditionen“ ihr Image aufzupolieren, dabei handele es sich in Wirklichkeit um Centbeträge.