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München: Noch eine Stromautobahn: Geht Aiwangers Stromtrassen-Kehrtwende zu Lasten Unterfrankens?

München

Noch eine Stromautobahn: Geht Aiwangers Stromtrassen-Kehrtwende zu Lasten Unterfrankens?

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    Lange lehnte Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger neue Stromtrassen vehement ab, jetzt fordert er sogar eine zusätzliche Stromautobahn nach Bayern - möglicherweise zu Lasten Unterfrankens. 
    Lange lehnte Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger neue Stromtrassen vehement ab, jetzt fordert er sogar eine zusätzliche Stromautobahn nach Bayern - möglicherweise zu Lasten Unterfrankens.  Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Symbolbild)

    Bei manchen politischen Kehrtwenden kann man sich nur noch verwundert die Augen reiben: Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zum Beispiel hatte bekanntlich sehr lange und sehr vehement den Bau großer Stromtrassen in Bayern abgelehnt. "Ich will keine dieser Trassen", beteuerte er etwa noch 2020.

    Kurz nach der vergangenen Landtagswahl verkündete Aiwanger nun aber Mitte November ebenso breitbeinig das genaue Gegenteil seiner früheren Position: Neben den Trassen SuedLink und SuedostLink brauche Bayern eine dritte große Stromautobahn aus Norddeutschland, verlangte er – und garnierte seinen Kurswechsel sogar noch mit heftigen Attacken auf die für die Trassenplanung zuständige Bundesnetzagentur. Deren Chef Klaus Müller sei schließlich "grüner Parteigänger" und habe "vielleicht bei vielen Themen eine andere Vorstellung als der Freistaat Bayern", polterte er.

    In einem achtseitigen Schreiben, das dieser Redaktion vorliegt, machte Aiwanger der Bundesnetzagentur zeitgleich sogar weitere massive Vorwürfe: Deren Planung enthalte "mehrere offenkundig fehlerhafte Annahmen". So werde der künftige Strombedarf in Bayern "erheblich unterschätzt".

    Zwischen den Zeilen kann man gar den Vorwurf herauslesen, dass dies aus politischen Gründen durchaus vorsätzlich passiert sein könnte. Auch unterstelle die Netzagentur viel zu hohe Stromimporte aus Österreich nach Bayern. Die gesamte langfristige Netzplanung bis 2045 müsse trotz langjähriger Abstimmung auch mit dem Freistaat Bayern deshalb sofort geändert werden, verlangte Aiwanger – um "zumindest die gravierendsten Mängel zu beheben".

    Stromleitung nach Schwaben: Einst durch Oberbayern geplant, nun aber durch Unterfranken?

    Was das alles mit Unterfranken zu tun hat? Möglicherweise eine ganze Menge. Zwar hält Aiwanger sich zu möglichen Trassenführungen einer dritten Stromautobahn bedeckt. Die dritte Leitung soll aber offenbar nach Schwaben führen, wo Aiwanger ein Strom-Defizit befürchtet. "Und die Leitungsführung, so hört man, würde dann wohl über Unterfranken und Mittelfranken zum Netzknotenpunkt Gundremmingen gehen", glaubt der Grünen-Energieexperte Martin Stümpfig.

    Harter Kurswechsel: Sein Ziel sei "möglichst wenig Trassen", erklärte Hubert Aiwanger im November 2019 im Landtag. Nun verlangt er eine dritte Stromautobahn von Norddeutschland nach Bayern.
    Harter Kurswechsel: Sein Ziel sei "möglichst wenig Trassen", erklärte Hubert Aiwanger im November 2019 im Landtag. Nun verlangt er eine dritte Stromautobahn von Norddeutschland nach Bayern. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Diese plötzliche Kehrtwende wäre aus unterfränkischer Sicht doppelt brisant: Denn die ursprüngliche Trassenplanung für Bayern sah vor gut acht Jahren vor, Schwaben über die SuedOst-Link-Trasse von Landshut aus über das nördliche Oberbayern zu erschließen – ein Plan, den der damalige CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer verhinderte.

    "Erst die Leitung nach Schwaben durch Oberbayern blockieren und jetzt, wenn die Planungen fertig sind, zu Lasten Frankens wieder fordern", schimpft der Mittelfranke Stümpfig: Mit dieser Dreistigkeit schlage Bayerns Staatsregierung "dem Fass echt den Boden aus".

    "Das hat fast schon was von Realsatire."

    Der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Hoffmann zu Hubert Aiwangers Energiepolitik.

    Doch nicht nur bei den Grünen, auch in der unterfränkischen CSU ist man sauer auf Hubert Aiwanger und seine Energiepolitik: "Aiwanger ist ein Populist, der in Regierungsverantwortung von der Realität eingeholt wird", findet der Bundestagsabgeordnete Alexander Hoffmann. Bei der Stromversorgung gehe es schließlich um die Zukunft des Industriestandorts Bayern. "In Sachen Stromtrassen hat sich Aiwanger längst in seinen eigenen Widersprüchen verheddert", schimpft der CSU-Politiker aus Main-Spessart: "Das hat fast schon was von Realsatire."

    Zum Lachen ist Hoffmann allerdings nicht zumute: Schon bei der Neben-Trasse P43 habe Aiwanger "die Region verkauft", schimpft er. Aiwanger hatte 2019 einen Umweg über Unterfranken für die ins Rhein-Main-Gebiet führende Stromleitung zugestimmt, aber einen fast unsichtbaren Verlauf per Erdkabel entlang der Autobahn A7 versprochen. Beides ist nun Makulatur, die Trasse soll nun über Land durch den Landkreis Main-Spessart führen.

    Aiwanger hätte sich zumindest für den A7-Verlauf der P43 einsetzen müssen, findet Hoffmann: "Doch bis heute kommt von ihm nur das Schweigen im Walde."

    Bundesnetzagentur widerspricht Aiwanger: Netzplanung basiert auf "validen Annahmen"

    Sowohl der Grüne Stümpfig als auch CSU-Mann Hoffmann bezweifeln zudem die Notwendigkeit der von Aiwanger nun geforderten dritten Stromautobahn. Die Bundesnetzagentur teilt auf Nachfrage mit, dass den aktuellen Planungen "bei aller verbleibenden Ungewissheit über die Zukunft valide Annahmen zugrunde" liegen – also auch ohne eine neue Aiwanger-Trasse genug Strom nach Bayern fließen kann.

    Der Netzbetreiber Tennet schlägt stattdessen zur Netzstabilisierung eine Stich-Trasse von der Leitung P43 zum Netzknotenpunkt Trennfeld vor – was allerdings ebenfalls für Main-Spessart eine zusätzliche Belastung wäre. Eine Energiewende ohne neue Leitungen könne es zwar nicht geben, findet deshalb der regionale CSU-Landtagsabgeordnete Thorsten Schwab: "Aber es wäre schon Aiwangers Aufgabe als bayerischer Energieminister, diese Leitungen so zu verteilen, dass es nicht immer nur einen Landkreis trifft."

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