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WÜRZBURG: Prostituiertenschutz: Ist das neue Gesetz gescheitert?

WÜRZBURG

Prostituiertenschutz: Ist das neue Gesetz gescheitert?

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    Seit etwas mehr als einem Jahr gilt das neue Prostituiertenschutzgesetz – und Experten zufolge hat es sein Ziel verfehlt.
    Seit etwas mehr als einem Jahr gilt das neue Prostituiertenschutzgesetz – und Experten zufolge hat es sein Ziel verfehlt. Foto: Foto: Andreas Arnold, dpa

    Es sollte Zwangsprostitution aufdecken und vor Gewalt schützen: Seit etwas mehr als einem Jahr gilt das neue Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) – und Experten zufolge hat es sein Ziel verfehlt. „Anmeldepflicht und behördliche Registrierung sind absolut nicht dazu geeignet, Opfer von Ausbeutung oder gar Menschenhandel aufzuspüren“, sagt Charlie Hansen, Generalsekretärin des Berufsverbands Sexarbeit in Berlin auf Anfrage dieser Redaktion. Statt Schutz zu bieten, habe das Gesetz zu Verunsicherung geführt und die Situation vieler Frauen noch verschärft. Ähnlich deutlich ist die Kritik in Unterfranken.

    Solwodi: Ausbeutung wird im Prinzip legalisiert

    Das Gesetz „geht an den Betroffenen vorbei“, sagt Renate Hofmann, Leiterin der internationalen Frauen-Hilfsorganisation Solwodi in Bad Kissingen. „Es werden im Prinzip Ausbeutungssituationen legalisiert und die Not und das Elend der Frauen werden nicht wahrgenommen.“ Rund 70 Erstanfragen habe es allein in diesem Jahr bei Solwodi gegeben. Eine „extreme“ Zunahme, vor allem auch aus dem Flüchtlingsbereich, sagt Hofmann. Dabei gehe es um Zwangsprostitution, Gewalt, Menschenhandel, Zwangsheirat. Trotz des Gesetzes.

    Dieses ist am 1. Juli 2017 in Kraft getreten und schreibt unter anderem vor, dass sich Sexarbeiterinnen eine Anmeldebescheinigung ausstellen lassen müssen. Die Anmeldung ist mit einem Informations- und Beratungsgespräch verknüpft. Bordellbetreiber benötigen eine Betriebserlaubnis und sollen mit den Gesundheitsämtern zusammenarbeiten.

    Zwangsprostitution lässt sich in den Beratungsgesprächen kaum aufdecken

    In Unterfranken haben bisher 42 Gewerbe eine solche Erlaubnis beantragt, insgesamt 225 Prostituierte haben sich angemeldet. Das geht aus der Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales auf eine Anfrage der Würzburger Grünen-Abgeordneten Kerstin Celina hervor, die dieser Redaktion vorliegt. Der Großteil der angemeldeten Prostituierten besitzt demnach die rumänische (97), deutsche (37) oder ungarische Staatsangehörigkeit (18). Die Bescheinigungen seien aber bundesweit gültig. „Eine valide Schätzung der Zahl der tatsächlich in Unterfranken im Prostitutionsgewerbe tätigen Personen ist nicht möglich“, heißt es in der Antwort. Und: Es seien im vergangenen Jahr keine Fälle aufgedeckt worden, in denen Anzeichen für Zwangsprostitution oder Ausbeutung erkannt wurden.

    Renate Hofmann und ihre Kollegin Veronika Richler wundert das nicht. „Die Frauen kommen, holen sich die Bescheinigung ab und das war?s“, sagt Richler. Die Beratungsgespräche seien kaum geeignet, Zwangssituationen aufzudecken. Nur in einem Fall habe sich ein skeptischer Mitarbeiter des Amtes an sie gewandt. Ein Kontakt mit der betroffenen Frau sei aber nie zustande gekommen.

    Wer keine Arbeitserlaubnis hat, kann sich nicht anmelden

    „Wenn man jemanden zu Arbeit zwingen kann, kann man ihn natürlich auch dazu zwingen, zu einer Behörde zu gehen und sich diesen Schein zu holen“, bestätigt Charlie Hansen vom Berufsverband Sexarbeit. Hinzu komme, dass viele der Betroffenen keine Arbeitserlaubnis haben – sich also „per se gar nicht bei der Behörde melden können“. Das treffe etwa auf Frauen aus afrikanischen Ländern zu. „All die prekär arbeitenden Kolleginnen, die wirklich Schutz oder eine Anlaufstelle benötigt hätten, gerade die schließt dieses Gesetz jetzt aus und drängt sie in den Untergrund“, kritisiert Hansen.

    Auch in der unterfränkischen Statistik tauchen Frauen aus Afrika, Frauen auf der Flucht, nicht auf. „Aber sie sind definitiv da“, sagt Richler. Nigerianerinnen etwa, die vor Menschenhändlern nach Deutschland geflüchtet sind. Auf der Straße oder in den Bordellen, so die Sozialpädagogin, könnte man sie antreffen. Dazu müsste jedoch „viel stärker kontrolliert werden“.

    Kerstin Celina: Statistiken müssten hinterfragt werden

    Zweimal pro Jahr sei jedes Prostitutionsgewerbe zu kontrollieren, zudem hätten anlassbezogene Kontrollen stattzufinden, heißt es von der Staatsregierung. So werde auch in der Region verfahren. Bei den Kontrollen geht es aber nicht nur um die Anmeldepflicht, sondern auch um die Einhaltung der Mindeststandards für Bordelle. „Dabei konnten nur sehr wenige Verstöße festgestellt werden. Eine statistische Erfassung der Kontrollen sowie der Verstöße erfolgte nicht.“

    Genau das wäre aber nötig, sagt Kerstin Celina. Die Grünen-Politikerin fordert, „viel genauer hinzuschauen, was im Bereich Zwangsprostitution passiert“. Um das Dunkelfeld aufzudecken, müssten die Statistiken nicht nur erhoben, sondern hinterfragt werden. Das aber passiere bisher nicht. Sie sehe nicht, „dass man irgendwas macht, außer das Gesetz unwillig zu erfüllen“.

    Prostitution und Prostituiertenschutzgesetz Der bessere Schutz von Prostituierten vor Ausbeutung und Gewalt ist Ziel des ProstSchG, das am 1. Juli 2017 in Kraft getreten ist. Es schreibt eine Anmeldepflicht für Prostituierte vor, die mit einem vertraulichen Beratungsgespräch verbunden ist, sowie eine regelmäßige Gesundheitsberatung. Zudem besteht Kondompflicht und Werbung für ungeschützten Sex gegen Geld ist verboten. Bordellbetreiber müssen laut Gesetz eine Erlaubnis beantragen. Diese wird erteilt, wenn bestimmte Mindeststandards erfüllt werden. Dazu gehört etwa ein Notrufsystem oder dass die Türen aller Räume, die für sexuelle Dienstleistungen genutzt werden, jederzeit von innen geöffnet werden können. Außerdem sind die Betreiber zur Kooperation mit Gesundheitsämtern verpflichtet. Die Selbsthilfeorganisation Dona Carmen, die sich für die Rechte von Prostituierten einsetzt, hat in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Gesetz eingereicht. Nach ihren Schätzungen gibt es bundesweit etwa 200 000 Prostituierte. Wie viele Frauen davon Zwangsprostituierte sind, lässt sich den Angaben zufolge nicht sagen. dpa

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