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BAMBERG/ASCHAFFENBURG: Richter erkennen Kinderehe an

BAMBERG/ASCHAFFENBURG

Richter erkennen Kinderehe an

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    Die Flüchtlingswelle stellt auch fränkische Gerichte vor ungeahnte Herausforderungen. Denn mit den Asylbewerbern kommen auch minderjährige Mädchen, die bereits verheiratet sind, mit ihren Partnern ins Land. Nun muss geklärt werden, wie mit diesen Paaren umgegangen wird und ob solche Ehen, die nach dem Scharia-Recht geschlossen wurden, auch in Deutschland gültig sind. Der Begriff Scharia bezeichnet das islamische Recht und umfasst alle Gesetze, die in einer islamischen Gesellschaft zu beachten sind.

    Gegensätzliche Urteile

    Zwei fränkische Gerichte liegen bei einem Fall komplett auseinander. Darum geht es: Ein 15-jähriges Mädchen und ihr 21-jähriger Ehemann – beide sind zudem Cousine und Cousin – flohen aus Syrien und leben nun in Aschaffenburg. Das dortige Jugendamt erkennt diese Ehe nicht an, hatte die Jugendliche von ihrem Mann getrennt und wurde ihr Vormund. Dagegen protestierte der Gatte. Es kam zur Verhandlung beim Familiengericht. Das Jugendamt berief sich dort darauf, das Mädchen sei nicht zur Führung eines selbstbestimmten Lebens in der Lage und könne die Tragweite einer Ehe nicht absehen. Deswegen dürften ihr Aufenthalt und der Kontakt mit ihrem Mann vom Jugendamt bestimmt werden.

    Das Familiengericht entschied, dass die deutschen Regelungen für Minderjährige gelten und nicht der Schutz der Ehe, die nach dem Scharia-Recht geschlossen wurde.

    Ganz anders urteilt das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg in diesem Fall, nachdem Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Familiengerichts eingelegt worden waren. Das hob den Beschluss aus Aschaffenburg auf und bestätigte jetzt, dass die Kinderehe rechtskräftig sei. Ein Zivilregisterauszug und die Bestätigung der Eheschließung seitens des Scharia-Gerichts hätten das belegt. Daher könne das Jugendamt nicht über die junge Frau bestimmen, entschieden die Bamberger Richter. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung hat das OLG jedoch Beschwerde gegen dieses Urteils am Bundesgerichtshof (BGH) erlaubt. Dann könnten die Richter dort darüber befinden, ob eine solche Kinderehe gegen die öffentliche Ordnung verstößt und für nichtig erklärt wird. Die Stadt Aschaffenburg kann noch bis 23. Juni entscheiden, ob sie eine solche Beschwerde einlegt.

    Warum aber erkennen Bamberger Richter eine Ehe an, die in Deutschland nicht legal ist? Gerichtssprecher Leander Brößler sagte dazu dem „Fränkischen Tag“: „Die Richter müssen in einer solchen Frage den sogenannten Ordre Public prüfen – ob eine ausländische gesetzliche Regelung mit den wesentlichen Werten unserer öffentlichen Ordnung vereinbar ist. Wäre das nicht der Fall, dürfte das ausländische Recht im Inland nicht angewendet werden.“ Das Problem bei der juristischen Bewertung von Kinderehen: Auch nach deutschem Recht dürfen Minderjährige ab 16 Jahren in Ausnahmefällen heiraten.

    Die Politik hat das Thema nun auch für sich entdeckt und will diese Frage lösen. Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) würde es begrüßen, wenn der Bundesgerichtshof eine Entscheidung trifft: „Der Minderjährigenschutz ist in unserer Rechtsordnung ein hohes Gut und Verfassungsauftrag.“ Bausback fügt an: „Für die Beurteilung der Ehemündigkeit einer Person – also der Frage, ab welchem Alter die Ehe geschlossen werden kann – soll künftig stets deutsches Recht gelten.“

    Anhebung des Heiratsalters?

    Fakt ist: Die Justizminister der Länder erörtern jetzt, ob solchen Heiraten die Anerkennung versagt wird, wenn keine Ehemündigkeit nach deutschem Recht besteht. Als mögliche Maßnahme kommt eine Anhebung des Heiratsalters im deutschen Recht auf 18 Jahre in Betracht. Bayern erhofft sich von dieser Gesetzesänderung, dass die bestehende rechtliche Grauzone für Hochzeiten im Alter von 14 oder 15 Jahren endgültig beseitigt wird.

    Wie viele Fälle von Minderjährigenehe es unter Flüchtlingen überhaupt gibt, dafür existieren in Bayern keine amtlichen Zahlen. In Nordrhein-Westfalen soll es 188 Fälle geben. In Baden-Württemberg wurden 177 Kinderbräute gezählt.

    Hilfsorganisationen wie Unicef oder Terre des Femmes warnen vor einer Gefahr für junge Mädchen. Vor dem Krieg in Syrien seien bei 13 Prozent aller Hochzeiten einer oder beide Ehepartner jünger als 18 Jahre gewesen. Nun seien es mehr als 51 Prozent. Weltweit wurden mehr als 700 Millionen Frauen nach UN-Angaben schon im Kindesalter verheiratet.

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