Hans Gerhard Stockinger, Ehrenvorsitzender der CSU Schweinfurt, war einer der 16 Landtagsabgeordneten, die im Jahr 2000, kurz vor dem Verbot, Angehörige ersten Grades auf Staatskosten anzustellen, mit zwei Töchtern einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Das ist bekannt, seit Landtagspräsidentin Barbara Stamm die Namen öffentlich gemacht hat – ebenso wie die Tatsache, dass Stockinger seine Frau Angelika während seiner 18 Jahre als Landtagsabgeordneter als Büroleiterin beschäftigt hat. Aber viele Fragen blieben bisher offen, vor allem über Art und Umfang der Beschäftigung der Töchter, von denen eine, die 28-jährige Stefanie, als CSU-Stadträtin in Schweinfurt selbst politisch aktiv ist.
Hans Gerhard Stockinger (63) ist sich keiner Schuld bewusst. Beim Gespräch mit dieser Zeitung lässt er erst einmal seinen Ärger darüber los, dass er sich für Dinge rechtfertigen müsse, die absolut legal gewesen seien. „Ich habe nichts verbrochen und ich frage mich, in welcher Gesellschaft ich lebe. Es ist eine Gesellschaft von Neidhammeln und Missgünstlingen.“ Auf die Frage, warum er seine minderjährigen Töchter zu einem Zeitpunkt angestellt hat, an dem die Diskussion um diese Praxis im Landtag längst im Gange war, antwortet der ehemalige Abgeordnete, solange ein Gesetzgebungsverfahren nicht eingeleitet sei, werde viel diskutiert.
Sein Ziel sei ein optimaler Service für die Bürger gewesen. „Meine Frau und meine Töchter haben wesentlich mehr als vereinbart gearbeitet“. Nur weil er seine Familie ausgebeutet habe, hätte er von dem Pauschalbetrag weitere Mitarbeiter in seinem Abgeordnetenbüro anstellen können. Stockinger beschäftigte dort nach eigenen Angaben zuletzt sieben Mitarbeiter, davon fünf als Minijobber.
Stefanie und Susanne Stockinger arbeiteten vom 28. Juni 2000 bis zum Ausscheiden ihres Vaters aus dem Landtag 2008 für ihn. Jede Tochter hatte einen Vertrag über 20 Stunden im Monat und bekam dafür 120 Euro im Monat. „Zusätzlich zum Taschengeld“, sagt Stockinger. Ihr Aufgabengebiet: alle Unterlagen und Artikel archivieren und pro Monat rund 400 Glückwunschbriefe zu Geburtstagen und Jubiläen schreiben. Adressaten waren laut Stockinger die Mitglieder der CSU in Stadt und Landkreis und alle Schweinfurter, die auf der Glückwunschliste der Stadt stehen. Laut Datenschutzrecht habe ein Abgeordneter das Recht auf diese Daten, will Stockinger einer eventuellen Kritik gleich zuvorkommen. Bis Juni 2000 erledigte eine Studentin diese Arbeit. Als sie keine Zeit mehr hatte, habe er gedacht, seine Töchter könnten das auch, so Stockinger wörtlich. „Ich sah keinen Anlass, jemand anderen zu suchen.“ Das Gesetz über die Beschäftigung von Familienangehörigen habe zu diesem Zeitpunkt noch Gültigkeit gehabt. Im Übrigen sei die Altfall-Regelung 2003 und 2009 von allen Fraktionen im Landtag einstimmig verlängert worden.
Ungeachtet der öffentlichen Diskussion bleibt Hans Gerhard Stockinger bei seiner Auffassung, das Modell mit den Familienangehörigen habe sich bewährt und zwar im Interesse der Wähler. Den Vorwurf der Bereicherung weist er zurück. Als er 1990 in den Landtag kam, hätten ihm die Kollegen geraten, seine Frau anzustellen. „Das war gängige Praxis“. Die Diplom-Volkswirtin Angelika Stockinger war 18 Jahre lang als Büroleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in Vollzeit angestellt. Zuletzt erhielt sie ein Gehalt von 1380 Euro, in den ersten Jahren sei es etwa diese Summe in Mark gewesen, so Stockinger. Das Büro war zu Hause in Schweinfurt. Seine Frau habe oft bis spätabends und auch an Samstagen Anrufe entgegengenommen. Außerdem habe sie recherchiert, seine Vorträge und Reden vorbereitet.
Nicht bestätigt haben sich die Vorwürfe, der Ehrenvorsitzende der Schweinfurter CSU sei mit dem Jugendarbeitsschutzgesetz in Konflikt geraten. Frank Firsching, Vorsitzender der Stadtratsfraktion der Linken, behauptet in einer Pressemitteilung, Stefanie Stockinger sei bei ihrer Anstellung 14 Jahre alt gewesen. Das stimmt nicht. Die Rundfunkjournalistin und CSU-Stadträtin war bei Vertragsbeginn 15 Jahre alt, ihre Schwester 17.
Stefanie Stockinger hält das Verhalten ihres Vaters für absolut legitim. „Es war noch nicht verboten, uns anzustellen und wir haben die Leistung erbracht“, betont die 28-Jährige auf Anfrage. „Manche Abgeordneten sind übers Ziel hinausgeschossen und mit denen werden wir nun in eine Schublade gesteckt.“
Hans Gerhard Stockinger war in der letzten Legislaturperiode hochschulpolitischer Sprecher und medienpolitischer Sprecher seiner Fraktion, Vorsitzender der Datenschutz-Kommission und Mitglied im BR-Rundfunkrat. Heute arbeitet er als Professor für Medienrecht, Medienpolitik und -lehre an der Fachhochschule in Würzburg. Foto: Fuchs-Mauder