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MÜNCHEN: Streit um die „Schwabinger 7“

MÜNCHEN

Streit um die „Schwabinger 7“

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    Angejahrtes Original: die Kultkneipe „Schwabinger 7“ in der Münchner Feilitzschstraße
    Angejahrtes Original: die Kultkneipe „Schwabinger 7“ in der Münchner Feilitzschstraße Foto: Foto: dpa

    Dass die Kneipe schön ist, würden wohl selbst ihre größten Fans nicht behaupten: Graffiti zieren den schmucklosen Flachbau in der Feilitzschstraße im Münchner Stadtteil Schwabing. Wilde Kabel laufen über Putz. Selbst das Schild über der Tür mit der Aufschrift „Schwabinger 7“ ist kaum noch zu entziffern. Innen sorgen in Tequila-Flaschen gesteckte Kerzen für schummriges Licht. In seiner Kneipe gehe es immer noch so zu wie 1969, lässt sich Wirt Gerd Waldhauser, den alle nur „Manila“ nennen, in der Münchner Lokalpresse zitieren: „Die wilden Zeiten von damals sind längst vorbei, aber in der '7' ist die Zeit stehengeblieben.“

    Vielleicht ist ja genau das der Grund, warum der geplante Abriss der runtergekommenen Absturzkneipe in München derzeit hohe Wellen schlägt. Anfang Januar hatte eine Hamburger Immobilienfirma das Grundstück, auf dem sich auch eine Döner-Bude und ein Kino befinden, gekauft. Ende Juni laufen die Mietverträge aus, im Juli sollen die Abrissbagger anrücken. 34 Wohnungen der gehobenen Preiskategorie sollen entstehen, dazu 500 Quadratmeter Einzelhandel.

    Doch seit die Pläne bekannt geworden sind, brodelt der Protest: „Wir schützen, was wir lieben – Schwabing und die Sieben“, riefen mehrere Hundert Demonstranten bei einem Protestzug. Kabarettisten wie Michael Mittermeier oder der Würzburger Frank-Markus Barwasser wetterten gegen das „Luxusgesindel“, das mit seelenlosen Protzneubauten den Charme und die Identität Münchens gefährde.

    Ein Protest, der neu ist, in der traditionell luxuslastigen Landeshauptstadt: Anders als in Berlin oder Hamburg zeigten sich die Münchner nämlich bisher eher unbeeindruckt von der Luxussanierung ehemals bodenständiger Stadtviertel. Selbst Quadratmeterpreise für Neubauwohnungen jenseits der 10 000-Euro-Marke nahm man eher als Nachweis der Attraktivität Münchens wahr, denn als Gefahr für die eigene Identität. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) reagierte deshalb auch eher irritiert auf die Proteste: „Es geht um eine Saufkneipe in einer ehemaligen Baubaracke“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Vorsichtshalber fügte er allerdings an, sich für den Bau neuer, günstiger Wohnungen einzusetzen.

    Doch den Protestierern geht es wohl nicht allein um den Kampf gegen Luxusneubauten und den Erhalt einer Baracken-Kneipe. Es geht auch um ein Stück „Kiez-Charme“ im mitunter arg aufgeräumten München. Ein wenig Reeperbahn, ein bisschen Prenzlauer Berg. Etwas Schmuddliges, Authentisches im weitgehend durchgestylten Münchner Nachtleben. Und es geht um ein idealisiertes Bild vom lebendigen Künstler- und Studentenviertel Schwabing, das es in der von Fastfood-Läden und Modeketten geprägten Realität so schon lange nicht mehr gibt: Die „Schwabinger 7“, erklärte Liedermacher Konstantin Wecker deshalb verklärt dem „Spiegel“, sei der „letzte Zeuge der wilden Schwabinger Zeit“ der 1960er Jahre.

    So ist es nur konsequent – und auch sehr münchnerisch – dass eine Bürgerinitiative den Kneipenabriss per Eintrag in die Denkmalliste verhindern wollte. Selbst CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle, der seinen Stimmkreis in Schwabing hat, unterstützte den Vorschlag – der allerdings beim Denkmalamt nicht auf fruchtbaren Boden fiel: Die ehemalige Lagerhalle sei kein schützenswerter Nachkriegsbau, teilte die Behörde nüchtern mit. Und auch „die vielfach als schützenswert bezeichnete Innenausstattung der 'Schwabinger 7' ist, wenngleich sie aus den 50er Jahren stammt, nicht von überdurchschnittlicher Qualität“.

    So müssen sich die Fans der Kultkneipe wohl damit abfinden, dass die „wilden Sechziger“ endgültig vorbei sind. Immerhin besteht Hoffnung: Wirt Manila hat bereits eine neue Kneipe aufgemacht – nur einen Steinwurf von der „7“ entfernt.

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