Einen Treppenwitz der Geschichte liefert der Tiergarten derzeit mit seiner kaputten Delfin-Lagune. Weil die funkelnagelneuen Delfin-Becken in der Lagune ein dickes Leck haben, muss das 45 Jahre alte und eigentlich stillgelegte Delfinarium für über eine Million Euro wieder betriebstauglich gemacht werden. Nach diesem Salto rückwärts muss freilich auch noch die Lagune aufwendig saniert werden. Wer dafür aufkommen muss, das steht noch in den Sternen.
Erst vor vier Jahren wurde die Lagune mit großem Tamtam eingeweiht. Nun muss die alte Anlage wiederbelebt werden, damit die neue repariert werden kann. Wenn es nicht so teuer wäre, könnte man fast darüber lachen. Aber die schöne neue Flipper-Welt ließ sich die Stadt jede Menge kosten: 31 Millionen Euro blätterte der städtische Zoo am Ende für die „naturnahe Freianlage“, die sich harmonisch in das Landschaftsbild des Tiergartens einfügen sollte, auf den Tisch. In Nürnberg erhielten die Großen Tümmler das erste Außenbecken in Deutschland.
Pfusch am Bau hat es trotz der hochtrabenden Pläne offensichtlich reichlich gegeben. Besonders bizarr mutet ein Konstruktionsfehler der Lagunen-Becken an. Direkt unterhalb des Beckenrandes sickert durch eine Spalte permanent Salzwasser. Mittlerweile hat der Tiergarten einfach den Stöpsel gezogen und den Wasserspiegel gesenkt, damit das Meerwasser nicht mehr austreten kann. Das hat man jedoch erst gemacht, als bereits viele Bäume in einem 1000 Quadratmeter großen Waldstück unterhalb der Lagune eingegangen waren. Gegen diesen Umweltschaden hatte die Tierschutzorganisation PETA geklagt. Generell steht der Tiergarten seit dem Bau der Lagune unter besonders kritischer Beobachtung der Tier- und vor allen Dingen der Delfinschützer. In Deutschland werden neben Nürnberg nur noch in Duisburg Delfine in einem Zoo präsentiert.
Mit dem Absenken des Wasserspiegels als Notlösung will sich die Stadt aber nicht zufriedengeben. „Unser Ziel ist es, den Interims-Status zu beenden und eine dauerhafte und sichere Lösung zu realisieren“, sagte der für den Tiergarten zuständige Bürgermeister Christian Vogel (SPD) kürzlich bei einer Pressekonferenz. Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2016 werde mit der Sanierung von zwei der insgesamt fünf Becken der Lagune begonnen.
Parallel sollen andere Baumängel behoben werden. So rosten Teile der Becken durch das Salzwasser. Um die Korrosion der Bewehrung im Beton zu stoppen, soll ein „kathodischer Korrosionsschutz“ verlegt werden, sagte Petra Waldmann, Leiterin des städtischen Hochbauamtes. Das seien Titandrähte, die unter elektrische Spannung gesetzt werden. So könne verhindert werden, dass Salz die Stahlteile zersetzt. Zum Schutz der Delfine werden die elektrischen Drähte in Rohre versteckt. Langfristig, warnte Waldmann, könne die Korrosion sogar die Standfestigkeit beeinträchtigen. Der Korrosionsschutz beeinträchtigt das Wohlbefinden der Tiere laut Tiergarten nicht. Der Elektronenfluss sei so niedrig angesetzt, dass er von den Meeressäugern nicht wahrgenommen werden könne.
Die Ertüchtigung des alten Delfinariums soll im Herbst starten und ein halbes Jahr dauern. Die Instandsetzung sei „eine Voraussetzung für die Mängelbeseitigung“ in der Lagune, so Tiergartendirektor Dag Encke. Nach heutigem Stand sollen bis auf einen Delfin-Bullen alle Tiere während der Bauarbeiten in Nürnberg bleiben. Im Tierpark leben neun erwachsene Delfine und das acht Monate alte Baby Nami.
Damit die edlen Meerestiere trotz Sanierung den Zuschauern gezeigt werden können, soll die Lagune der Reihe nach und Becken für Becken saniert werden. Für die Umbauarbeiten, die wohl, so Encke, bis ins Jahr 2018 reichen werden, muss das Salzwasser aus den einzelnen Becken abgelassen werden. Insgesamt fasst die Lagune rund 5500 Kubikmeter Wasser. Um zu verhindern, dass Staub und Dreck in die Lagune gelangen kann, sollen die einzelnen Becken während der Bauarbeiten von einem Zelt überdacht werden. Wer die Kosten für die Sanierung übernimmt, ist freilich noch fraglich. Bürgermeister Christian Vogel kündigte an, dass die Stadt die Kosten bei den für die Schäden verantwortlichen Firmen und Planern geltend machen will. Sollten sich die Firmen oder deren Versicherungen weigern zu zahlen, werde die Stadt vor Gericht ziehen, kündigte Vogel kämpferisch an.
Im Tiergarten Nürnberg werden seit rund 45 Jahren Delfine gehalten, mit der Lagune wollte der Zoo die Bedingungen für die Tiere verbessern. Dabei trüben die nun aufgetretenen Schäden an den Becken den aktuellen Zuchterfolg in Nürnberg: Denn erstmals seit langem hat ein Delfin-Baby in Nürnberg die kritische Phase von einem halben Jahr überlebt. Nami heißt das Kalb, das im vergangenen November geboren wurde und „dem es prächtig geht“, so Tiergarten-Sprecherin Nicola Mögel. Zwar ernährt sich der kleine Delfin noch hauptsächlich von Muttermilch, doch mit gefrorenen Eiswürfeln wird das Baby langsam an feste Nahrung gewöhnt. Lieblingsspielzeug von Nami ist ein Basketball.
Zuvor hatte das Delfinarium in Nürnberg lange Zeit kein Glück mit der Aufzucht, allein zwischen den Jahren 2004 und 2007, schreibt die „Welt“ seien sieben Kälber in Folge gestorben. Delfinarien sind immer wieder Zielscheibe von Tierschützern. Von ehedem 14 Einrichtungen mit Delfinen in Deutschland existieren heute nur noch die in Duisburg (seit 1965) und Nürnberg (seit 1971).
Erst im Juli erhob der Geschäftsführer von ProWal, Andreas Morlok, schwere Vorwürfe gegen die Betreiber der Lagune: „Wir haben im Dezember 2014 bis Mai 2015 an 25 Tagen recherchiert und mehrere Hundert Verstöße gegen die geltenden Vorgaben dokumentiert.“ Nach Namis Geburt sei nur für das Kalb und dessen Mutter Sunny, aber nicht für die anderen Tiere der vorgeschriebene Mindestplatz im Becken-Komplex verfügbar gewesen.
Zudem würden die Tiere nicht richtig gefüttert werden, und Spielzeug werde vorenthalten, so ProWal. Der Tiergarten reagierte in einer Stellungnahme: „Wie jeder Zoobesucher sehen kann, zeigen alle Delfine eine hervorragende körperliche Kondition, werden also durchaus richtig gefüttert. Auch Spielzeug und Beschäftigung wird abwechselnd angeboten, in dem unter anderem auch Fisch versteckt wird, den die Delfine mit großem Geschick aufspüren.“ Alle Delfine würden gemäß dem neu veröffentlichten Gutachten zur Haltung von Säugetieren des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gehalten. „Seit über 40 Jahren wird der Tiergarten Nürnberg bei der Delfinhaltung der Tierquälerei bezichtigt. Jede Anzeige zieht eine behördliche Kontrolle nach sich. Die erhobenen Vorwürfe wurden noch nie bestätigt.“ Mitarbeit: achs
Freier Eintritt mit Note eins
Der Tiergarten Nürnberg belohnt in den großen Ferien wieder gute Schüler: Alle Kinder mit einem Einser im Zeugnis erhalten gegen Vorlage dieses Dokuments am Montag, 3. August, sowie am Montag, 14. September, freien Eintritt in den Zoo.