Die Sommerferien sind vorbei, die Schule schon längst wieder angelaufen – und bis die nächste Pause kommt, dauert es bei den meisten noch ein wenig. Keine guten Aussichten. Denn die Hektik des Alltags scheint viele Menschen zunehmend zu stressen, aufgerieben zwischen Familie und forderndem Job. Das Gefühl, dass der Erholungseffekt nach einem Urlaub binnen weniger Tage bereits verpufft ist, dürfte vielen vertraut sein. Fragt sich: Wie lässt sich die sommerliche Zeit der Entspannung länger konservieren? Wie „rettet“ man einen Urlaub in den Alltag hinein? Die österreichische Reisepsychologin Barbara Horvatits-Ebner und der Eichstätter Tourismusforscher Harald Pechlaner wissen, wie dies gelingen kann – und welche Reisen sich für Gestresste besonders gut eignen.
Meist ist es ja wohl so: Die Tage nach dem Urlaub sind wohl die härtesten. Zurück aus dem Paradies und rein in den Stress. Die schlechte Nachricht vorweg: „Wir können uns Erholung nicht aufsparen“, sagt Horvatits-Ebner. Als klinische Psychologin befasst sie sich seit einigen Jahren fachlich und in ihrem Blog mit Reisen und ihrer Auswirkung auf die menschliche Psyche. Die Erholung, sagt sie, verfliege schnell wieder – spätestens nach wenigen Wochen. Wie man allerdings mit der Zeit nach dem Urlaub umgeht, das sei ein wichtiger Faktor. Konkret: Lasse ich mich vom Alltag sofort wieder mitreißen oder lasse ich es ruhiger angehen?
Unangenehme Arbeiten sollten vor dem Urlaub abgeschlossen sein
„Es hilft, unangenehme Arbeiten vor dem Urlaub abzuschließen, denn auch das hat Auswirkungen darauf, ob wir uns entspannen können“, rät Horvatits-Ebner. Es wirke sich ebenfalls darauf aus, ob der Alltag entspannt oder gleich mit einer negativen Herausforderung beginne. Die schönen Erfahrungen, die man im Urlaub gesammelt habe, könnten länger nachwirken, wenn man sich diese immer wieder vergegenwärtige, ergänzt Harald Pechlaner, Inhaber des Lehrstuhls Tourismus an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. „Ich denke, dass die Reflexion der Urlaubszeit im Alltag wichtig ist. Das können Fotos sein, der Austausch mit anderen oder Mitreisenden.“ Die Psychologin sagt: „Manche Menschen schöpfen viel daraus, Fotoalben über die Reise zu gestalten, ein Gericht nachzukochen oder die Erinnerung durch ein im Urlaub gekauftes Kleidungsstück aufleben zu lassen.“ Meditationen und Traumreisen seien weitere Mittel, um sich zurück in die Entspannung zu träumen.
Apropos Meditation: Entspannt man besser in Yoga-Retreats oder Pilgerreisen? „Das ist sehr individuell“, erklärt die Reisepsychologin. „Wer im Job völlig ausgelastet ist, entspannt am Strand vielleicht besser als bei einer Städtereise. Wer sich unterfordert fühlt, möchte im Urlaub vielleicht eher etwas erleben.“ Aber es hänge ab vom Personentyp. Brauche man viel Ruhe oder ziehe man seine Kraft aus spannenden Erlebnissen?
Cluburlaub oder Pilgerreise – wo entspannt es sich besser?
Pechlaner konnte bei einer Exkursion mit Studierenden auf dem Jakobsweg feststellen: „Eine Pilgerreise lässt mehr Tiefe zu. Man kann durchaus als neuer Mensch zurückkommen, weil man über das Leben reflektiert. Zudem setzen wir mehr auf nicht nur den körperlichen, sondern den mentalen Erholungswert, und der ist bei einer solchen Reise tiefer als bei einem klassischen Entspannungsurlaub.“ Diese Entwicklung lasse sich an Reisetrends ablesen, sagt er. In der Tat: Der Wellness-Bereich boomt und verändert sich. Standen früher Massagen und Bäder im Zentrum, beobachtet der Forscher inzwischen mehr Angebote, die dazu einladen, aus Alltagsrhythmen auszubrechen. Darunter fallen Ayurveda-Kuren und „Digital Detox“ – Hotels ohne Internet. „Wellness hat viel mit Well-being, also Wohlbefinden, zu tun. Auch Kulinarik und Genuss spielen dabei eine Rolle“, so Pechlaner.
Wie lang eine Reise gehen sollte, ist im Übrigen genauso individuell wie die Reisegestaltung selbst. „Wir gehen davon aus, dass wir etwa vier Tage benötigen, bis die tatsächliche Entspannung einsetzt“, sagt Horvatits-Ebner. Etwa eine Woche sei darum ein guter Zeitraum. Und: Lieber immer mal wieder kürzere Reisen machen als eine große Sommerreise, denn „Erholung ist etwas, das wir immer und immer wieder benötigen“. Er weiß: Für einige Zeit stand der eine große Sommerurlaub im Fokus, dann mehrere kleine. Und jetzt, nach der Pandemie, entwickelt sich dieser Trend wieder etwas zurück. „Das hat aber auch mit Gründen der Nachhaltigkeit zu tun.“
Noch einmal zur Reisepsychologie. „Die Erwartungen an einen Urlaub sind meist sehr hoch. Ist dann das Hotel nicht so schön oder das Essen nicht so gut, kann das die Stimmung trüben“, sagt Barbara Horvatits-Ebner. Es sei daher wichtig, „sich den Urlaub dadurch nicht vermiesen zu lassen, sondern positive Aspekte woanders zu suchen oder, wenn nötig, das Hotel zu wechseln“.