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Berlin: Trend: Im Container leben?

Berlin

Trend: Im Container leben?

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    _ Foto: agt

    Ein blauer, trister Kasten steht am Straßenrand. Autos fahren vorbei und wirbeln Schmutz auf. Die Sonne knallt auf das Stahldach, das wie Wellpappe aussieht. Die Bauarbeiter bleiben draußen – kein Wunder bei der Hitze, die den dunklen Container stickig werden lässt.

    Das ist das landläufige Bild eines Containers: Im Winter wird es drinnen bitterkalt, im Sommer ist es viel zu heiß. Dass in so einem Kasten sogar Menschen wohnen sollen, scheint kaum möglich – ja eigentlich unzumutbar. Erntehelfer leben dennoch für einige Monate in diesen Baracken. Maximal. Für den Großteil der Bevölkerung stellt der Container – wenn überhaupt – eine Notlösung dar. Die ist deutlich bekannter geworden, seit vor einigen Monaten tausende Flüchtlinge in Deutschland angekommen sind. Sie alle mussten zeitgleich ein Dach über dem Kopf bekommen – und das schnell.

    Jeder Zentimeter muss schlau genutzt werden

    Direkt hinter der Haustür steht der Esstisch, gegenüber die Küchenzeile, daneben ein kleines Sofa. Der Container ist zwölf auf zweieinhalb Meter groß und 2,6 Meter hoch. Nicht viel Platz für einen kompletten Hausstand. Jeder Zentimeter muss schlau genutzt werden. Das kleine Bad liegt in der Mitte, ein schmaler Gang passt noch vorbei. Er führt zum Schlafzimmer.

    Es gibt vielleicht hübschere Orte zum Leben – doch immerhin garantieren die wenigen Quadratmeter den Asylbewerbern die Privatsphäre, die in Turnhallen nicht möglich war. Und wie sonst bekommt eine Gemeinde möglichst viele Wohnmöglichkeiten in kurzer Zeit? Die Lösung: Container. „Wir mussten die Menschen schlichtweg von der Straße bekommen“, sagt Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Der größte Vorteil der Stahlkästen: Sie sind schnell verfügbar.

    Wohncontainerverkauf ist lukrativ

    Das haben auch Firmen schnell erkannt und genutzt: Der Verkauf von Wohncontainern für Flüchtlinge ist lukrativ, die Preise explodieren. In Hochzeiten war die Nachfrage der Städte und Kommunen weit größer als das Angebot. In Deutschland sind in den vergangenen Monaten mehrere Container-Dörfer entstanden. Die Stadt Berlin plant insgesamt 30, in jedem sollen 500 Asylbewerber Platz finden. Die Berliner Regierung aus SPD und CDU war sich einig: Im Vergleich zur privaten Anmietung, etwa Zimmern in Hotels, seien die Containerdörfer die günstigste Variante. Die ersten Unterkünfte sollen in diesen Tagen bezugsfertig sein. Auch in Schleswig-Holstein gibt es ganze Dörfer aus Containern – sie sind bereits großteils belegt.

    Die deutsche Bauindustrie hält wenig davon, Asylbewerber in Containern unterzubringen. Heiko Stiepelmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer, sagt, dass Container-Wohnungen nur Übergangslösungen für Notsituationen seien. Längerfristig müsste kostengünstig und nachhaltig geplant werden. Mittlerweile bleibt mehr Zeit, um die Unterkünfte besser vorzubereiten. Die Situation hat etwas an Not verloren, es kommen aktuell deutlich weniger Asylsuchende in Deutschland an als erwartet.

    Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht deswegen eine Tendenz zum sozialen Wohnungsbau oder Modulbau. „Eine Fläche von 90 Quadratmetern kann man schnell in drei Wohnungen aufteilen“, sagt Düsterdiek. Denn: „Containersiedlungen sind keine Dauerlösung.“

    Auch für Studenten interessant

    Studentenboxen in München – so etwas gibt es schon.
    Studentenboxen in München – so etwas gibt es schon. Foto: mbk

    Der Meinung schließt sich Peter Dussl von der Firma Conhouse an. Conhouse fertigt seine Modulbauten aus Stahlelementen – ähnlich den Containern. In eigener Initiative plant die Firma derzeit in Nürnberg mehrere Unterkünfte für Asylbewerber. Die Wohnungen umfassen jeweils 60 Quadratmeter mit Küche und einem eigenen Bad. Sie sind auf lange Sicht geplant. Viele Gemeinden hätten schäbigere Container umgebaut, nach dem Motto „das tut's“. Doch bei Containern gelte dasselbe wie bei der Massivbauweise: „Man muss es richtig machen, dann sind es hochwertige Gebäude.“ Und dann könnten sie auch nachhaltig genutzt werden: „Wir rechnen damit, dass wir die Module nach fünf bis zehn Jahren abbauen und an anderer Stelle wieder aufbauen“, sagt Dussl.

    Etwa für Studenten. Auch sie wohnen zeitlich beschränkt in kleinen Würfeln. Doch als Notlösung betrachtet das kein Student. Im Gegenteil: Die „micro-compact homes“ des Studentenwerks in München sind beispielsweise sehr beliebt. Und das, obwohl die Würfel winzig sind.

    Er misst nur sechs Quadratmeter. Diese Fläche muss ein Hundezwinger laut Tierschutzverordnung mindestens haben. Der Flur ist hier gleichzeitig Bad: Über den Duschboden betritt man den Wohnraum, rechts drängt sich ein weißes Klo, die Winterjacken hängen in der Dusche. Wer sie benutzen will, muss vorher die Garderobe räumen.

    Mit ein wenig Organisationstalent genug Platz für den Alltag eines Studenten. Den meisten ist vor allem eines wichtig: Privatsphäre. Trotz der Beliebtheit gibt es in Deutschland nicht viele Container-Studentenstädte. Sie sind wegen der geltenden Bauverordnungen beinahe so teuer wie ein Wohnheim. Die deutsche Bauindustrie sieht deswegen auch bei Studentenunterkünften keine nachhaltige Lösung mit Containern.

    Amsterdam für Container bekannt

    „Vielversprechender sind ganz normale Wohngebäude, die so flexibel geplant sind, dass sie uns heute helfen, die akute Wohnungsnot von Flüchtlingen in den Griff zu bekommen und morgen als Studentenwohnungen nachgenutzt werden können“, sagt Stiepelmann. Darauf setzen die deutschen Unis deswegen mittlerweile.

    In anderen Ländern ist das nicht so: Für seine Container-Studentenstadt ist vor allem Amsterdam bekannt. Sie ist mit 1000 Containern die größte auf der Welt. Fast eineinhalb Jahre müssen interessierte Studierende auf einen Container warten. Der misst dort 23 Quadratmeter und kostet rund 450 Euro im Monat.

    Heute keine Frachtcontainer mehr

    Der Wohncontainer bekommt viel Gegenwind. Dennoch hat er nicht nur bei den Studenten einen Imagewandel durchlaufen. Containerproduzenten setzen mittlerweile jedoch nicht mehr unbedingt auf das Umrüsten alter Frachtcontainer. Firmen wie Conhouse fertigen die Wohnelemente neu an. Bei Conhouse sind sie aus Stahl. Die Wände bestehen aus zwei dünnen Schichten mit Dämmung in der Mitte. Und dennoch behalten die Gebäude oft die bewährte Container-Größe. Denn genau das kennzeichnet den vielleicht wichtigsten Vorteil des Wohnens auf kleinem Raum: Jeder Eigentürmer kann sein Haus mitnehmen. Überall hin.

    Auch so etwas gibt es: ein Containerhaus über mehrere Etagen in der Luxusausführung.
    Auch so etwas gibt es: ein Containerhaus über mehrere Etagen in der Luxusausführung. Foto: agt

    Wer hat nicht schon einmal die Lust verspürt, alle Sachen zusammenzupacken, aufs Auto zu laden und in ein neues Leben zu fahren? In den USA ist das Umziehen mit Haus schon seit langem gängige Praxis. Die Berufswelt erfordert auch in Deutschland immer mehr Flexibilität. Was liegt da näher, als einfach mal mit Haus umzuziehen? Der Frachtcontainer ist mit seinen knapp 14 oder 28 Quadratmetern das einzige Modul, das es in Massen weltweit in gleichen Abmessungen gibt. Ungefähr in dieser Größe gehalten, passt das Eigenheim – auseinandergenommen in seine einzelnen Module – problemlos auf einen Lkw. Für einen Transport können die Module einfach auseinandergeschraubt werden. Vorher muss nur schlau geplant werden: „Die Badewanne sollte nicht genau auf die Zwischenwand zweier Module gemauert sein – das wäre ungeschickt“, sagt Dussl von Conhouse.

    Mittlerweile kann der Bauherr seine Container-Elemente sogar in schwer erreichbare Gebiete, zum Beispiel an Berghänge, mit dem Hubschrauber fliegen lassen. Wer kann ehrlich von sich behaupten, dass er nicht fasziniert wäre, wenn das eigene Haus angeflogen kommt? Und das wird komplett fertig auf die Wiese gestellt. Genau so, wie der Käufer es sich vorher ausgesucht hat: als persönliches Ideal-Eigenheim. Mehrere Stockwerke übereinander, Eckformen, ein Container schräg auf den unteren gesetzt oder hochkant gestellt – der Kreativität sind beinahe keine Grenzen gesetzt. Ebenso individuell wird das eingebaute Material ausgesucht.

    Vom eigenen Haus in eine kleinere Bleibe

    Das hübsche Eckhaus steht leicht erhöht an einem Teich. Abgeschliffene Holzdielen bedecken den Boden der großen Terrasse. Innen ist es modern und kreativ eingerichtet: Marmorfliesen im Bad, in den anderen Räumen liegt Parkett. Über eine Treppe geht es in den ersten Stock, hier hängen bunte Drucke an der Wand. Die bodentiefen Fenster lassen die letzten Strahlen der Abendsonne hinein.

    Dieses Containerhaus steht auf dem Grundstück eines Einfamilienhauses, das für die ältere Dame zu groß geworden ist. Was liegt also näher, als das Haus den Kindern zu überlassen und selber in eine kleinere Bleibe zu ziehen? „Viele Leute beauftragen uns, weil sie nicht oder nicht mehr so viel Platz brauchen“, sagt Peter Dussl von der Firma Conhouse. Ihnen reichten 70 Quadratmeter. Also eine Wohnung – aber als eigenes Haus. Und wenn ein Umzug ansteht, nehmen sie das Gebäude einfach mit.

    Bunt: das Flüchtlingsheim im Berliner Stadtteil Zehlendorf
    Bunt: das Flüchtlingsheim im Berliner Stadtteil Zehlendorf Foto: Jörg Carstensen DPA (dpa)

    Alles so einfach? Naja. Eine Schwierigkeit können Baugenehmigungen darstellen. „Je nach Region gelten andere Richtlinien, etwa um ein einheitliches Stadtbild zu erhalten“, sagt Bernd Düsterdiek vom Städte- und Gemeindebund. Das bestätigt Dussl: „Wenn ein Bauamt am Aussehen festhält, wird es schwieriger.“ Schwieriger heißt in dem Fall schlicht teurer. Denn ein vorgeschriebenes Satteldach lässt sich zum Beispiel problemlos oben drauf montieren, „es ist dort aber nur teure Deko“. Das Modulhaus gibt es in jeder Preisklasse - alles eine Frage der Ausstattung.

    Ein durchschnittliches Modulhaus sei aber 30 Prozent billiger als ein Massivhaus, sagt Dussl. Der Preis variiere vor allem durch die Kosten der Bodenbeläge. „Mit allem Drum und Dran – Ausstattung, Lieferung, Montage – kann man sagen, dass ein Modulhaus etwa 1000 Euro pro Quadratmeter kostet.“ Für ein Haus mit 100 Quadratmetern sind das also 100 000 Euro. Und das spricht sich rum. Über fehlende Aufträge könne Conhouse sich nicht beschweren, sagt Dussl. Das Leben in einem Container sei nicht zuletzt wegen der Wohnungssuche für Asylbewerber bekannter geworden.

    Der Container, den früher jeder als schmutzige, stickige Baubaracke bezeichnet hätte, entwickelt sich zum flexiblen und bequemen Luxus-Eigenheim.

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