Kaum geht der Sommer zu Ende, kaum werden die Tage kühler und feuchter, sind sie unterwegs auf der Suche nach einer besonderen Beute: die Schwammerl-Sammler. Einer davon ist Rudolf Markones aus Kist im Landkreis Würzburg. Sein Hausrevier liegt im Irtenberger Wald rund um das Naturschutzgebiet Blutsee-Moor. Dort geht er mehrmals in der Woche auf die Jagd nach Steinpilzen und Pfifferlingen, Täublingen und Hexenröhrlingen. Jeder eingefleischte Pilzsammler kennt Stellen, an denen er immer wieder fündig wird. Wir waren mit dem Pilzexperten unterwegs.
Es ist ein sonniger Herbsttag Ende September. Sein erstes Pilzerlebnis hatte Markones in seiner Heimat, in Waldsassen in der Oberpfalz, mit gerade einmal zwei Jahren. „Meine Eltern hatten mich zur Schwammerlsuche mitgenommen. Ich bin da unter den Fichten übers Moos gekrochen und hab darin meine ersten Steinpilze ertastet“, erzählt der Pilzsammler. Vor 15 Jahren hat der ehemalige Hausarzt den Verein Pilzfreunde Mainfranken gegründet, seit zehn Jahren ist er Mitglied der Bayerischen Mykologischen Gesellschaft und arbeitet ehrenamtlich als Pilzberater.
Das Wissen über Pilze geht verloren
Wer früher eine Pilzpfanne oder Schwammerlsoße essen wollte, musste selbst in den Wald gehen. In den Nachkriegsjahren gab es Pilze noch nicht gefriergetrocknet oder aus der Dose. „Da musste man schon wissen, was man essen kann oder was man besser stehen lässt“, sagt Markones. Dieses Wissen rund um die Pilze und den Waldboden wurde von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben. „Heute wissen viele Kinder nur noch wenig über die Natur, den Wald und Pilze.“ Das möchte Markones, Vater von fünf Töchtern und Opa von sechs Enkeln, ändern.
Ausgestattet mit einem Korb, einem kleinen Küchenmesser und einigen Bestimmungsbüchern wartet Markones am Parkplatz am Wald hinter Kist. „Am besten sind Bücher mit Aquarellen, da sind die Merkmale der Pilze besser dargestellt“, rät der Fachmann. Der sehr heiße und trockene Sommer hat seine Spuren im Wald hinterlassen. „Im Moment gibt es nur sehr wenig Pilze.“ Dabei sei der Irtenberger Wald sonst ein richtiges Schatzkästchen für Schwammerlsucher.
Passend zu seinem Hobby trägt Markones ein Hemd mit kleinen roten Fliegenpilzen. Etwa 30 solcher „Pilz-Hemden“ besitzt er, alle hat seine Frau extra für ihn geschneidert. Auf dem Weg in Richtung See berichtet er von den „Pilzfreunden Mainfranken“. Der Verein bietet Pilz-Lehrwanderungen, Ausstellungen oder Lehrabende an, bei denen man das sichere Bestimmen von Speisepilzen lernen kann. Kennt man einen Pilz, schneidet man ihn einige Zentimeter über dem Boden mit einem geraden Schnitt ab. „Wenn man sich nicht sicher ist, sollte man den ganzen Pilz vorsichtig herausdrehen, das erleichtert die Bestimmung.“
Seltene Funde dokumentiert er im Internet
Markones hat 1996 in der Zeitung von einer Pilztagung der Mykologischen Gesellschaften gleich dreier Länder, noch dazu ganz in der Nähe, in Bad Mergentheim, gelesen. „Dort habe ich ganz viele neue Pilze und Pilzler kennengelernt. Da hat sich mir eine neue, wunderbare Welt erschlossen.“ Die Suche nach seltenen Exemplaren trieb ihn mehrmals die Woche in die Wälder, bald dokumentierte er seine oft seltenen Funde auf einer eigene Webseite www.pilzseite.de.
Beim Streifzug durchs Unterholz erzählt er, dass er kürzlich einen „Grazilen Kegelwarzenwulstling“ in der Nähe von Wenkheim (Main-Tauber-Kreis) gefunden hat. Dieser Pilz stammt aus dem Mittelmeerraum und sei ein Indiz, dass sich verstärkt wärmeliebende exotische Pilzarten in unserer Region ansiedeln. Pilze vermehren sich ungeschlechtlich durch Sporen und diese, so Markones, können Tausende Kilometer durch die Lüfte fliegen.
Pilze, so Markones, würden im Naturschutz immer noch zu wenig beachtet. „Dabei spielen Pilze in der Natur eine Schlüsselrolle und sind ein essenzieller Bestandteil der Landökosysteme“, sagt er. Der sichtbare Pilz ist in Wahrheit nur der Fruchtkörper. Der eigentliche Pilz lebt meist als fadenartiges Gebilde in der Erde oder am Baumstamm. Diese mikroskopisch dünnen Zellfäden durchziehen den Boden, Holz und andere Substrate. Dabei wandeln sie organische Materie in anorganische pflanzenverfügbare Nährstoffe um. Die meisten Bäume leben gemeinschaftlich mit Pilzen zusammen. „Während sie die Pilzpartner mit Zuckerverbindungen versorgen, erhalten sie dafür Wasser und darin gelöste Nährstoffe.“
Die fünf häufigsten Pilzarten in der Region
In Deutschland gibt es über 10 000 verschiedene Pilze, rund um Würzburg sind etwa 3000 bekannt. Der Steinpilz gehört zu den beliebtesten Arten. Pilzsucher finden ihn meist ab Spätsommer in Nadel- oder Mischwäldern, oft auf sandigen Böden. Der Dickröhrling ist kräftig und dickfleischig. Rund um das Blutsee-Moor gibt es gleich vier verschiedene Steinpilz-Arten: Sommersteinpilze, Fichtensteinpilze sowie gelbe und schwarze Steinpilze. „Alle Pilze dieser Art sind enorm fest, daher stammt der Name.“
Waldpilze, erklärt der Mykologe, sind geschützt und dürfen nur für den Eigenbedarf geerntet werden. Etwa ein Kilogramm Pilze pro Tag gelten als erlaubt und dürfen mitgenommen werden. „Gewerbliches Sammeln mit der Absicht, die Pilze zu verkaufen, ist bei uns allerdings verboten.“ Pfifferlinge, Rotkappen, Täublinge und Hexenröhrlinge gehören zu den Speisepilzen, die man in den hiesigen Wäldern gut finden kann. An diesem Tag allerdings nicht. „Es fehlt Regen“, sagt Markones. Doch in den nächsten Wochen, so der Pilzberater, werden die Pilze dann hoffentlich aus dem Boden schießen.
Der erste Pilz, den er am heutigen Tag entdeckt, ist der „Tränende Saumpilz“. Dieser sei zwar nicht giftig, aber unerfahrene Pilzsammler sollten ihn besser nicht für Speisezwecke verwenden. Etwas weiter im Dickicht stehen einige kleine „Rosablättrige Helmlinge“. Besonders häufig findet man diese in Wäldern, die von Rotbuchen, Eichen oder Fichten dominiert werden, da das Holz dieser Bäume ihre bevorzugte Nahrung ist. Speisepilze finden wir an diesem Tag nicht. Stattdessen viele „Beringte Flämmlinge“. Sie sind zwar nicht giftig, aber sehr bitter und ungenießbar. „Doch sie machen Hoffnung, dass das Pilzjahr demnächst beginnt.“
Die Deutschen essen gerne Pilze
Die Deutschen essen gerne Schwammerlgerichte: Im Jahr 2016 wurden hierzulande rund 147 000 Tonnen Champignons konsumiert. Schwieriger ist der Anbau von Edelpilzen. „Die meisten Pilze müssen eine Symbiose mit einem Baum eingehen, die sich erst über Jahre und Jahrzehnte entwickeln muss“, erklärt Markones. Pfifferlinge und Steinpilze werden überwiegend aus Osteuropa importiert, wo das gewerbliche Sammeln erlaubt und weit verbreitet ist. Auch dort mache sich in diesem Jahr die Dürre bemerkbar. Wegen geringerer Ernteerträge sei der Preis für Pfifferlinge im Vergleich zum Vorjahr um knapp 30 Prozent gestiegen. Zudem kämen die Steinpilze in diesem Jahr später.
Knapp einer Pilzvergiftung entkommen
Gesund sind Pilze eigentlich nicht und sie sind schwer verdaulich. Vor allem Waldpilze enthalten Schwermetalle wie Blei, Quecksilber oder Kadmium. Außerdem sind sie weiterhin radioaktiv belastet. „Roh sind fast alle Pilze ungenießbar“, sagt der Pilzexperte. Doch durch das Kochen werden die schädlichen Stoffe zersetzt. Allerdings muss man die Pilze lange genug kochen, mindesten 15 bis 20 Minuten. Ein Bekannter des Arztes hatte Rotkappen nur fünf Minuten kurz in der Pfanne angebraten. „Daraufhin hatte er zwei Tage lang heftige Magen-Darm-Beschwerden.“
In seinem Studium hat Markones gerne zehngängige Pilzmenüs gekocht: „Und alle unsere Gäste haben das überlebt“, erzählt er und schmunzelt. Mittlerweile sammelt er die kleinen Waldbewohner mit Kappe eher aus wissenschaftlichem Interesse. Vor 30 Jahren hatte er selbst den graublättrigen Schwefelkopf mit dem grünblättrigen Schwefelkopf – der giftig ist – verwechselt. „Die Suppe hat sehr bitter geschmeckt, daher habe ich sie zum Glück erst gar nicht gegessen.“ Für ein bis zwei Menschen endet der Pilzkonsum pro Jahr tödlich. Hinzu kommen Hunderte von Pilzvergiftungen.
Pilz-Apps sind oft ungenau
Als Pilzberater und geprüfter Pilzsachverständiger wurde er schon häufig von der Uniklinik in solchen Fällen kontaktiert. Über die Jahre hinweg hat Markones sich so viel Wissen aus der Praxis angeeignet, dass es kein Pilzbuch der Welt ersetzen kann. „Einmal wurde mir auch das Erbrochene des Betroffenen mit dem Taxi geschickt“, berichtet er. In seinem Labor und mit seinem Wissen kann er dann schnell herausfinden, wie giftig der Pilze ist und den Erkrankten gegebenenfalls helfen.
Der 67-Jährige rät dringend dazu, sich am Anfang von einem erfahrenen Sammler an die Hand nehmen zu lassen, wenn man sich die ersten Male auf Pilzsuche begibt. Denn Schuld an Vergiftungen sei meist unzureichendes Wissen. Markones warnt vor so genannten Pilz-Apps: „Sie sind viel zu ungenau.“ Um einen Pilz zu ernten und zu verspeisen, müsse man sich zu 100 Prozent sicher sein.
Hexenröhrlinge zum Abendessen
Als wir uns wieder auf den Rückweg zum Parkplatz machen, ist der Weidenkorb immer noch leer. Der Pilzberater hofft, dass es in den nächsten Wochen endlich regnet, dann könnten die Pilze endlich sprießen. Zum Abendessen wird Markones Frau dennoch Hexenröhrlinge zubereiten. Die hat er schon im vergangenen Jahr gesammelt und getrocknet. „Die Soße zu Rindfleisch lässt sich durch eine Handvoll Waldpilze einfach veredeln.“
Die Vielfalt der Pilze Eine Ausstellung der „Pilzfreunde Mainfranken“ mit echten Pilzen und eine Pilzberatung gibt es am Samstag, 29. September, und Sonntag, 30. September, im Pavillon des Bund Naturschutz auf der Landesgartenschau in Würzburg. Besucher können von jeweils 9 bis 18 Uhr mit ihren Pilzen vorbeikommen und sich beraten lassen. Zudem findet an beiden Tagen von 15 bis 15.30 Uhr der Vortrag „Die Vielfalt der Pilze in Unterfranken“ statt. Referent ist der Pilzberater Rudolf Markones, Hilfe bei einer Pilzvergiftung Hinweise auf eine Pilzvergiftung sind Erbrechen, Unruhe, Schläfrigkeit und Verwirrtheit. Bei einem Verdacht auf Pilzvergiftung müssen Betroffene oder Menschen in ihrem Umfeld in jedem Fall die Notrufnummer 112 anrufen und den Giftnotruf unter der Nummer Tel. (089 192 40) kontaktieren. Dem Rettungsteam sollte man genau beschreiben, wie die verzehrten Pilze aussahen, wie sie gelagert und transportiert wurden. Hilfreich seien auch Fotos oder Reste der verspeisten Pilze.