Selbst scheinbar harmlose Verletzungen können außer Kontrolle geraten. Manchmal genügt ein Kratzer oder ein Biss. Wenn es dem Immunsystem nicht gelingt, Bakterien, die über die Wunde eindringen, an Ort und Stelle unschädlich zu machen, droht eine Sepsis. Die Erreger werden ins Blut geschwemmt und im ganzen Körper verbreitet. So wird das eigene Blut zum todbringenden Boten - und innerhalb kürzester Zeit drohen lebenswichtige Organe zu versagen.
Wenn eine Hautverletzung rot und dick wird, kann das ein Alarmsignal sein, erläutert Infektionsmediziner Prof. Hartwig Klinker. Spätestens wenn hohes Fieber und eine massive Verschlechterung des Allgemeinzustands hinzukommen, sollte man den Notarzt rufen, sagt der Leiter der Infektiologie an der Medizinischen Klinik der Würzburger Uni. Nicht jede Sepsis wird durch eine offene Wunde verursacht. Häufiger Ausgangspunkt sind Lungenentzündungen. Auch von Harnwegsinfektionen kann die gefährliche Kettenreaktion ihren Ausgang nehmen.
Besonders gefährdet sind Patienten mit geschwächtem Immunsystem. Dazu gehörten alte Menschen und Diabetiker, Krebspatienten, Patienten nach einer Organtransplantation oder HIV-Infizierte, erläutert Professor Klinker: "Die Zahl dieser Risiko-Patienten ist heute ganz anders als vor 30 oder 40 Jahren." Früher hätten diese Menschen nur geringe Überlebenschancen gehabt, heute kann die moderne Medizin sie zwar behandeln, doch der Preis ist eine zumindest vorübergehende massive Abwehrschwäche. Deshalb nehmen die Sepsis-Fälle enorm zu, sagt der Fachmann. Im Krankenhaus spielt die Erkrankung eine besonders große Rolle. Die Hälfte der Sepsis-Erkrankungen entstünden zu Hause, die andere Hälfte in der Klinik, davon ein Großteil auf Intensivstationen: "Das hat viel mit moderner Medizin zu tun."
Wo immer die Haut oder Schleimhaut geschädigt ist, haben Erreger die Chance, in die Blutbahn einzudringen. Katheter, Beatmungsmaschinen oder Implantate können trotz aller Hygiene zu Einfallstoren für Infektionen werden. Zusätzlich wird das Problem kompliziert, weil in Kliniken vermehrt Bakterienstämme vorkommen, die nicht auf übliche Antibiotika reagieren.
"Die Patienten sterben häufig, weil die Entzündung sehr rasch und komplex abläuft", erklärt Professor Klinker. Innerhalb von ein bis zwei Tagen könne sich so eine lebensbedrohliche Situation ergeben, weil viele Organe gleichzeitig in Mitleidenschaft gezogen werden. Antibiotika helfen nur bis zu einem gewissen Punkt. "Wenn die Entzündungsreaktion erst einmal in Gang ist, gibt es nur noch relativ wenige Mittel, sie zu stoppen." Es läuft eine dramatische Kettenreaktion ab: "Kreislauf, Lunge, Niere, alles bricht zusammen." Einzige Chance ist, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen. Die frühe Diagnose ist allerdings oft schwierig, weil einerseits höchst unterschiedliche Erkrankungen als Auslöser in Frage kommen und andererseits die Symptome der Sepsis sehr unspezifisch sind.
Sehr hohes Fieber, beschleunigte Atmung, dazu ein sehr schneller Herzschlag und niedriger Blutdruck sind typisch. "Schnellstens in die Klinik", rät Professor Klinker in einem solchen Fall. Denn je früher die antibiotische Behandlung einsetzt, umso besser.
Das Stichwort
Sepsis
Verschiedenste Infektionen können
in eine Sepsis ausarten. Krankheits-
erreger (meist Bakterien) breiten
sich dabei von einem Infektions-
herd (Wunde etc.) durch den Blut-
kreislauf aus. Dem Organismus ge-
lingt es nicht, die Infektion örtlich
zu begrenzen. In der Folge ent-
steht eine heftige Entzündung, die
sehr rasch auf alle Organe des Kör-
pers übergreift. Information:
www.sepsis-gesellschaft.de