Schwarz. Weiß. Rot. Das sind ihre Farben. Aus ihnen entwirft Lisa Deurer ganze Kollektionen. In ihrem New Yorker Atelier hängen Netzoberteile, ausladende Bomberjacken, mit Bommeln übersäte Blusen und Kleider, an denen sich blutrote Fäden wie Adern hinabschlängeln. Ausgefallene Designs in nur drei Farben. Reduktion auf das Wesentliche, nennt Deurer das. Denn für die 26-Jährige steht weniger die Farbe eines Kleidungsstücks im Vordergrund als vielmehr der Schnitt, die Verarbeitung, das Material. Deurer will hochwertig Mode schaffen, die sich leicht miteinander kombinieren lässt. Einen zeitlosen Kleiderschrank. Slow Fashion statt Fast Fashion.
Ihre Entwürfe waren schon bei den großen Modeshows in Paris und New York zu sehen, jetzt ist die Augsburgerin mit ihrem Label LD13 auf der Berliner Fashion Week vertreten, als eine von 32 Designerinnen und Designern. Sie alle unterscheiden sich im Stil, aber eins haben sie gemeinsam: Sie wollen Mode nachhaltiger machen. Aber kann eine Branche, die von immer neuen Trends lebt, wirklich nachhaltig sein?
Weniger als ein Prozent der Textilien werden zu neuer Kleidung recycelt
Nachfrage bei Grit Seymour. Die Designerin lehrt als Professorin für Modedesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und hat schon für internationale Brands wie Max Mara, Hugo Boss oder Eres-Chanel gearbeitet. Sie sagt: „Hundertprozent nachhaltig ist nur das Kleidungsstück, das nie hergestellt wurde.“ Die Bekleidungsindustrie sei die schmutzigste Branche direkt nach der Erdölindustrie und verursache rund zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen.
Den besten Kompromiss sieht die Expertin deshalb in Bekleidung, die in den natürlichen Kreislauf zurückgeht, also vollständig recycelbar oder kompostierbar ist. Aber davon ist die Textilbranche weit entfernt. Weniger als ein Prozent wird bislang nach dem Faser-zu-Faser-Prinzip recycelt. Es fehlt an Infrastruktur, aber auch an kreislauffähigen Produkten, denn die wenigsten Kleidungsstücke sind sortenrein. Kurzer Blick auf das Etikett im Pullover: Acryl, Polyamid, Polyester, Elasthan. Mehr Plastikgemisch als Pullover.

Bei Lisa Deurer ist das anders. Sie will nachhaltigere Kleidung entwerfen. Auf der Farm von Model-Ikone Isabella Rossellini, die regelmäßig junge Künstlerinnen und Künstler einlädt, entwickelte Deurer ihre Idee: Kleidung nach dem Farm-to-Wardrobe-Prinzip schaffen, also aus natürlichen Materialien und möglichst lokal produziert. Von ihrem New Yorker Atelier aus suchte die 26-Jährige nach regionalen Partnern und reiste ins amerikanische Hinterland, nach Pennsylvania auf den Hof von Marie Minnich. Dort stehen 290 Schafe, die es ohne die Farmerin vielleicht nicht mehr geben würde. Sie ist eine der wenigen in den USA, die die gefährdeten Romeldale-Schafe noch züchtet. Die weiße Wolle der Tiere ist gröber als Merino, doch mit Mohair oder Seide kombiniert, lassen sich daraus hochwertige Kleidungsstücke fertigen. 230 Kilogramm Wolle hat Deurer von der Farm bezogen.
In Kentucky machte sie einen Ingenieur ausfindig, der die Wolle in einer selbst gebauten Maschine wusch. Von dort lieferte sie das Material an die American Woolen Company, die daraus Fäden spann. Zwei Jahre dauerte es, bis aus der Wolle der seltenen Schafe tragbare Einzelstücke wurden. Erste Erkenntnis aus dem Projekt: Ohne die Unterstützung von Rossillini, den lokalen Produzenten und ihrer Familie wäre es nicht gegangen. Zweite Erkenntnis: „Man braucht einen langen Atem, wenn man etwas verändern will“, sagt Deurer.
In einem Baumwoll-Shirt stecken 2700 Liter Wasser
Wer heute Modedesign studiert, kommt mit ausgefallenen Mustern und Schnitten nicht weit. „Junge Designerinnen und Designer müssen den gesamten Herstellungsprozess im Blick haben und Mode radikal neu denken, vor allem wenn es um Materialien geht“, sagt Modeprofessorin Grit Seymour. Bislang frisst die Herstellung von Kleidung enorme Ressourcen. Rund 70 Prozent der weltweit produzierten Klamotten besteht aus chemischen Fasern wie Polyester, Elasthan oder Polyacryl. Die Kunststofffasern basieren auf Erdöl und sind billiger als Naturfasern wie Baumwolle, Leinen oder Hanf. Aber auch die haben es in sich. Für die Herstellung eines einzigen Baumwoll-Shirts werden rund 2700 Liter Wasser benötigt, also so viel wie ein Mensch in zweieinhalb Jahren trinkt. Und die Produktion ist komplex. Der Rohstoff muss angebaut, zu Garn gesponnen, gewebt, gefärbt und genäht werden. Dafür fliegt ein T-Shirt mehrmals um den Globus.

„In den 1980er-Jahren ging es bei nachhaltiger Mode darum, Kunstfasern mit Naturfasern zu ersetzen. Heute gehört mehr dazu“, sagt Magdalena Schaffrin. Die Expertin berät Modeunternehmen, die nachhaltiger werden wollen und hat mit dem "202030 - The Berlin Fashion Summit" ein Konferenzformat für nachhaltige Mode gegründet. Um Textilien wirklich nachhaltig zu machen, müssten vier Bereiche berücksichtigt werden: Der ökonomische, soziale, ökologische und kulturelle. Neben der Wirtschaftlichkeit geht es vor allem um die Arbeitsbedingungen entlang der Lieferketten. Die Wahl der Materialien und der Einsatz von Chemikalien spielen eine Rolle ebenso wie die Kommunikation rund um das Thema.
Auch die Suche nach alternativen Materialien ist ein wichtiger Ansatz. „Für Studierende oder kleine Labels ist das oft eine Herausforderung, denn nachhaltige Materialien sind teurer und schwieriger zu bekommen“, sagt Seymour. Doch an Ideen mangelt es nicht, da wird mit Gräsern, Fruchtschalen oder Pilzen als Lederersatz experimentiert. Ein Berliner Label verkauft Geldbeutel aus Zunderschwamm. Auch in den USA forschen Unternehmen mit Pilzen, selbst große Marken wie Adidas oder Stella McCartney haben schon mit dem Schwammerl-Leder geliebäugelt. Bisher blieb es aber bei einer Handtasche, einem Prototypen und gelungener PR, denn wirklich massentauglich ist das Material noch nicht. Eine britische Designstudentin soll schon Schmuck aus Tränen kreiert und Schweiß aus Kleidungsstücken herausgelöst haben, um Kristalle daraus zu machen und sie auf Cappies zu kleben.
Wer blickt da noch durch? In der EU gibt es mehr als 300 Textil-Siegel
Dagegen wirkte der Auftritt eines Models, das bei der Berliner Fashion Week 2020 in einem Rock aus Ananasleder über den Laufsteg tapste, fast bodenständig. Entworfen hat ihn die österreichische Designerin Marina Hoermanseder, die mit ihrem Schnallen-Look und orthopädischen Lederkorsetts schon Hollywoodstars wie Lady Gaga, Taylor Swift, Rihanna, Jennifer Lopez oder Kylie Jenner einkleidete. Legendär auch der Auftritt der ehemaligen Digitalstaatsministerin Dorothee Bär, die im knappen Superheldinnen-Kostüm bei der Verleihung des Computerspielpreises über den Roten Teppich stakste. Auch dieses Kleid hatte Hoermanseder entworfen. Für ihren Rock aus Ananasleder wurde die Designerin von der Tierrechtsorganisation PETA mit dem „Vegan Fashion Award“ geehrt. War zwar eine einmalige Sache, aber wenn es der Sache dient und Aufmerksamkeit erzeugt.

Grüne Masche also? „Sicherlich ist Greenwashing ein Problem in der Branche, aber man kann das nicht verallgemeinern. Es gibt genug Labels, die das Thema ernst nehmen und etwas verändern wollen“, sagt Seymour. Davon ist auch Schaffrin überzeugt. „Bei jungen Designerinnen und Designern ist es mittlerweile selbstverständlich, dass Nachhaltigkeitsaspekte in den Kollektionen mitgedacht werden. Sie reden nicht groß darüber, sondern machen es einfach, weil sie um die Probleme durch den Klimawandel, die begrenzten Ressourcen und die Umweltverschmutzung wissen.“
Auch bei Konsumentinnen und Konsumenten wächst das Bewusstsein, auch wenn es sich nicht unbedingt im Kaufverhalten niederschlägt. Immer mehr Menschen wollen wissen, wo und unter welchen Bedingungen ihre Kleidung produziert wird. Textil-Siegel sollen Orientierung geben, sorgen aber eher für Verwirrung, allein in der EU gibt es mehr als 300. Wer soll da noch durchblicken? Mit ihrer Agentur nimmt Schaffrin die Siegel unter die Lupe. Ihre Empfehlung: In Sachen Recycling ist das GRS-Siegel verlässlich, GOTS garantiert Qualität bei Biobaumwolle und die Fair Wear Foundation steht auch im Textilsektor für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne.

Bald soll es Klarheit im Siegel-Chaos geben. Die EU hat 2022 eine Textilstrategie vorgelegt. Eine Art Vision, nach der bis 2030 alle Textilerzeugnisse, die in der EU auf den Markt kommen, langlebig, reparierbar und recyclingfähig sein sollen. Gesetzliche Regelungen sollen Lieferketten offenlegen, die illegale Ausfuhr von Textilabfällen stoppen und Hersteller zur Verantwortung ziehen. „Die Ziele sind hochgegriffen, aber um Gesetzte auf den Weg zu bringen, braucht es Visionen“, sagt Schaffrin. Sie nennt das Strategiepapier einen historischen Schritt, denn zum ersten Mal werde die Textilindustrie überhaupt von der EU reguliert.
Ultra-Fast-Fashion-Anbieter drängen auf den europäischen Markt
Die Vorstellung, Fast Fashion möge aus der Mode kommen, bleibt aber reines Wunschdenken. Die globale Kleidungsproduktion hat sich seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt. Tendenz steigend. Während Modelabels früher zwei Kollektionen im Jahr auf den Markt brachten, bieten Fast-Fashion-Firmen wöchentlich neue Styles an. „Damit wurde künstlich ein Bedürfnis nach immer Neuem erzeugt“, sagt Seymour. „Die meisten wären vermutlich froh, wenn sie weniger im Schrank hätten.“

Dem Umweltministerium zufolge kauft jeder Deutsche sechzig Kleidungsstücke pro Jahr – am liebsten bei C&A oder H&M. Getragen werden die Sachen aber nur noch halb so lange wie vor 15 Jahren. Jedes fünfte Kleidungsstück wird so gut wie nie angezogen. Die Qualität nimmt ab, dafür steigt die Überproduktion. Eine Entwicklung, die den beiden Modeexpertinnen Sorgen macht: Ultra-Fast-Fashion-Anbieter wie Shein oder Temu drängen auf den europäischen Markt, deren Preise deutlich unter denen der klassischen Fast-Fashion-Konzerne liegen. „Die Bekleidungsproduktion wird weiter steigen, was absoluter Irrsinn ist, wenn man das kapitalistische Streben nach Profit außen vorlässt und auf die Umwelt blickt“, sagt Seymour. Sie vergleicht es mit der Autoindustrie. „Die Umweltbelastung und der hohe Spritverbrauch von SUVs sind bekannt, trotzdem steigen die Verkaufszahlen.“ Eine ähnliche Mentalität gebe es in der Mode.
Die meisten kennen die Bilder von Textilbergen in Ghana und wissen um die miserablen Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Bangladesch, trotzdem kaufen sie weiter Billigklamotten. Die Folge: Jede Sekunde wird auf der Erde eine Lastwagenladung Textilien auf Deponien abgelagert oder verbrannt. Die Menge an Altkleidern ist in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen. Mit 518.000 Tonnen war Deutschland 2021 weltweit der zweitgrößte Exporteur von gebrauchter Bekleidung nach den USA. „In der Modebranche sollte Nachhaltigkeit oberste Priorität haben. Fakt ist aber, dass sich bislang vor allem kleine Labels darauf fokussieren“, sagt Seymour.
Junge Designerinnen hoffen auch ein Umdenken im Konsumverhalten
Labels wie das von Malaika Raiss. Ihre Designs sind geradlinig und minimalistisch. Flatternde Hosenanzüge aus Viskose, bodenlange Kleider aus Seide, mal rückenfrei, mal an der Taille gerafft. Auch sie zeigt ihre Kollektion kommende Woche auf der Berliner Fashion Week. Die Designerin war auch schon auf der Modeshow in Kopenhagen vertreten, die als Vorreiterin in Sachen Nachhaltigkeit gilt. Wer dort präsentieren will, muss 18 Mindeststandards erfüllen und beispielsweise garantieren, dass unverkaufte Kleidungsstücke nicht zerstört werden oder bei der Präsentation kein Abfall zustande kommt.
Raiss sieht die größte Herausforderung für junge Designerinnen und Designer im Zugang zu alternativen Materialien. „Die großen Player sichern sich langfristig Warenkontingente oder schließen Exklusivverträge für Innovationen“, schreibt sie. „Wenn Zugang besteht, haben wir mit hohen Mindestabnahmen zu kämpfen.“ Investitionen, die für ein junges Unternehmen kaum zu stämmen sind. Auch Deurer kennt das Problem: „Das ganze System ist auf Masse ausgelegt. Wenn du ein T-Shirt anfertigen lassen willst, musst du gleich mal 300 Stück bestellen. Mit weniger fangen die meisten Hersteller gar nicht erst an, weil es sich finanziell nicht lohnt.“ Geringe Marchen seien nicht lukrativ und das Weniger-ist-Mehr-Prinzip sei schwer durchzusetzen.
In einem sind sich die beiden Designerinnen ebenfalls einig: Nicht nur der Herstellungsprozess, auch das Konsumverhalten muss sich ändern. „Es mag der Wirtschaftlichkeit entgegenstehen, aber ich möchte saisonunabhängige Mode fertigen“, sagt Deurer. Auch Raiss findet, dass das Thema Nachhaltigkeit noch nicht vollständig bei Kundinnen und Kunden angekommen ist. „Viele sind uninformiert oder nur oberflächlich interessiert, besonders im Bezug auf faire Produktion.“ Sie wünscht sich mehr Bewusstsein: „In der Generation meiner Großmütter gab es eine ganz andere Einstellung zur Wertigkeit von Textilien, das ist verloren gegangen.“
Deurer hat das Nähen noch von ihrer Oma gelernt, die bei einer Augsburger Textilfirma arbeitete. Mit ihr und ihrer Mutter besuchte sie Textilmessen. „Mir hat das Spaß gemacht, aber ich habe mich immer mehr für das Handwerk als für Mode interessiert.“ Sie macht ein Praktikum bei Strenesse und wird an der renommierten Parsons School of Design in New York angenommen. Nach vier Jahren hat Deurer ihren Abschluss in der Tasche, gründet ihr Label LD13 und ergattert ein Stipendium bei Isabella Rossellini. Spätestens da weiß sie, wo sie mit ihren Designs hinwill: Zu hochwertiger Mode und mehr Nachhaltigkeit. Aber sie weiß auch, wie schwierig das ist.
Manche kleinen Labels haben sich auf Upcycling spezialisiert
Denn für mehr Nachhaltigkeit braucht es nicht nur gesetzliche Regelungen und innovative Materialien, sondern ein generelles Umdenken. „Ein Kleidungsstück gleicht einem Wegwerfprodukt, es hat seine Wertigkeit verloren“, sagt Seymour. Das spiegelt sich auch im Preis: Menschen geben heute etwa genauso viel Geld für Kleidung aus wie in den 1980er-Jahren, bekommen aber zehn Mal mehr Kleidung. Die Preise für Textilien sind im Vergleich zu anderen Konsumgütern in den letzten Jahren kaum gestiegen. „Das Wichtigste ist, dass die Verantwortung nicht immer weggeschoben wird“, sagt Seymour. „Jeder kann dazu beitragen, dass sich etwas verändert.“ Es gebe viele Möglichkeiten, um Mode zu konsumieren.

Die einfachste und beliebteste Alternative zu neuen Kleidungsstücken sind Second-Hand-Shops. Etwa zehn Prozent des Umsatzes auf dem deutschen Bekleidungsmarkt entfällt inzwischen auf Vintage-Mode. Geshoppt wird nicht nur im Laden, sondern immer häufiger online auf Plattformen wie vinted oder momox. Allerdings steigen die wenigstens komplett auf Gebrauchtes um, sondern kaufen zusätzlich noch Textilien von der Stange.
Manche kleinen Labels haben sich auf Upcycling spezialisiert und schneidern aus ausrangierten Stoffen neue Designs. Diese sind meist teurer als herkömmliche Kleidungsstücke, dafür bekommen Kundinnen und Kunden handgefertigte Einzelstücke. Auch im Recycling gibt es kreative Ideen. PET-Flaschen werden zu Polyesterfasern verarbeitet. Das Label Josea Surfwear macht aus Fischernetzen, Teppichen und Stoffresten Bikinis. Das Unternehmen Airpaq sammelt überschüssige Airbags und fertig Rucksäcke. Bottletop in London verbindet Getränkedosen-Verschlüsse zu grobmaschigem Gewebe und bastelt daraus Handtaschen.
Die Kunststofffaser Elasthan kam in den 1960er-Jahren auf den Markt
Ein anderer Ansatz: Inzwischen gibt es einige Firmen, die Kleidung vermieten. Einen angesagten Mantel für eine Saison ausleihen und ihn wieder zurückgeben? Für die meisten ist das noch eine Nische, aber bei jüngeren Menschen kommt es an. Einer Greenpeace-Umfrage zufolge haben 15 Prozent der 18- bis 29-Jährigen schon mal Kleidung bei einem kommerziellen Anbieter ausgeliehen. Auch Seymour hält das für ein spannendes Zukunftsmodell, denn Mode ist vergänglich, aber auch beständig. Jeder Trend kommt wieder, wenn man nur lange genug wartet. Schlaghose, Skinny Jeans, Baggy Jeans, Mom Jeans, Wickelhose, Hüfthose, Hochwasser, Culottes – alles schon mal dagewesen. „Wirkliche Neuheiten gibt es nur noch in der Materialentwicklung“, sagt Seymour.
Wann sie das letzte Kleidungsstück gekauft hat? Seymour überlegt. „Vermutlich letztes Jahr, aber genau weiß ich es nicht. Ich beschäftige mich den ganzen Tag mit Mode, da will ich in meiner Freizeit nicht auch noch shoppen gehen.“ Sie sei eher minimalistisch unterwegs, investiere selten, dafür in hochwertige Textilien. „Es gibt dieses Konzept, dass sieben Bekleidungsstücke reichen, um für jede Gelegenheiten passend gekleidet zu sein. Dem folge ich ein Stück weit.“ Außerdem rät sie zu zeitlosen Klassikern. Ein hochwertiger Kaschmirpullover mag im ersten Moment teuer erscheinen, zahlt sich aber aus. Noch ein Tipp der Expertin: Am besten dehnbare Bekleidung ohne Knöpfe oder Reißverschluss kaufen, dann passen sie auch, wenn das Gewicht mal schwankt.
Stretch geht auch, ist aber nicht so nachhaltig. Daran dachte noch niemand, als die Faser in den 1960er-Jahren auf den Markt kam. Da waren nur alle froh, dass die Jeans endlich nicht mehr zwickte. Fortschrittlich war auch die Erfindung des Lyocel oder auch Tencel in den 1990er-Jahren. Entwickelt von der österreichischen Firma Lenzing wird die Faser aus Zellstoff von Eukalyptus- oder Buchenholz gewonnen und ist biologisch abbaubar. Vor allem kleinere Modelabels, die auf Nachhaltigkeit setzen, verwenden die Faser.
Expertin sieht Überkonsum und Überproduktion als drängendste Problem
Auch Deurer hat daraus schon Kleidung gefertigt. Für ihre aktuelle Kollektion hat sie mit Herstellern in Portugal, Polen, Italien und Deutschland zusammengearbeitet. „Die einen sind auf die Fertigung von Hosen spezialisiert, die anderen auf Jacken. Es gibt kaum ein Atelier, das alles schneidern kann“, sagt Deurer. Und wie die meisten jungen Designerinnen und Designer hat sie ihre Kleidungsstücke aus Deadstock produziert, also aus Schnittresten der großen Hersteller. Langfristig will sie aber ihre Idee mit den Schafen weiterverfolgen. Sie träumt davon, mit lokalen Produzenten zu arbeiten, sich im Luxus-Segment einen Namen zu machen und davon, die Modebranche zu verändern, wenn auch nur im Kleinen.
„Mode ist vielfältig und es braucht vielfältige Antworten auf die verschiedenen Probleme“, sagt Schaffrin. Was die Expertin ändern würde, wenn sie könnte? Die Menge an Textilien reduzieren. „Der Überkonsum und die Überproduktion sind aus meiner Sicht das drängendste Problem.“ Es gehe nicht darum, den Konsum von Mode zu verbieten. „Mode macht Spaß, sie ist Ausdruck der Persönlichkeit und wandelt sich im Laufe des Lebens“, sagt Schaffrin. „Aber man sollte sich fragen, welche Kleidungsstücke man wirklich braucht und woher sie kommen.“ Deurer nummeriert ihre Kleidungsstücke durch, denn sie findet: Statt zehn Mäntel lieber einen von LD13 im Schrank.