Sie heißen Champagner, Cava, Sekt, Spumante oder PetNat und können so viel. An den Feiertagen kommt diesen Schaumweinen wieder nur die Rolle des Begrüßungsschlucks und des Feuerwerk-Begleiters zu. Wie schade ist das eigentlich! Hier kommen fünf Hauptrollen für das schäumende Getränk und dazu fünf Gebote für die ganz große Freude daran.
Formel-1-Fahrer übergießen sich damit bei der Siegerehrung, langweiligen Betriebsfeiern soll es Schwung verleihen und Geburtstage zur Unvergeßlichkeit adeln. Dieses Getränk, das einmal als Still-Wein begonnen hat und dann, in erhöhter Qualität, Perlen bekommt durch eine zweite natürliche Gärung und nicht durch einen Wasser-Sprudler. Schaumweine haben einen eindeutigen Ruf als Feier-Getränk, der sie das Leben leichter und luftiger erscheinen lassen. Doch das ist nur eine Bühne, auf der die perlenden Weine zu spielen vermögen.
Erstes Gebot:
Setzen Sie Schaumweine auch als Speisenbegleiter ein. Die animierende Frische, der geringe Alkoholgehalt und dazu der Stil des Ausbaus und die Auswahl der Rebsorten ermöglichen wunderbare Kombinationen mit Essen. Da bringt der im Stahl ausgebaute Blanc de Blancs (ist immer Chardonnay) mit seiner Salzigkeit die Austern, das Sushi oder auch den gebeizten Lachs zum Leuchten. Der unprätentiöse Lambrusco, der so viele Jahre verkannt wurde, hebt das Nudelgericht in kulinarische Höhen mit Italo-Lebensfreude, während der Schäumer, der im Holzfass über viele Monate, ja Jahre, ausgebaut wurde, mit jedem guten Stück Fleisch mithalten kann. Und das ohne die Wucht eines Rotweins, die einen ins Sofa sinken lässt nach dem Hauptgang.
Kurvig ist die Geschichte des kleinen Sekthauses BurkhardtSchür. Den gebürtigen Badener Sebastian Schür, der qua Geburt schon aus einem Weingut kommt, hatte es vor vielen Jahren nach Bürgstadt verschlagen als Leiter des Außenbetriebs ins Weingut von Paul und Sebastian Fürst, das Weltruhm genießt für seine roten wie weißen Tropfen. An diesem Erfolg hat der Burgunder-Spezialist Sebastian Schür großen Anteil, was natürlich Begehrlichkeiten in der Wein-Branche geweckt hat. Wie also die ur-eigenen Ambitionen und die Aufgabe bei den großartigen Fürsts verbinden? Am besten mit einem eigenen kleinen Betrieb, der nur einen einzigen Fokus hat: Schaumwein aus Burgunder-Rebsorten. Da traf es sich gut, dass Schürs Ehefrau Laura Burkhardt eine ausgewiesene Wein-Fach-Frau ist, die sich, nach dem Studium der „Internationalen Weinwirtschaft“, beruflich intensiv mit Champagner aus kleinen Häusern beschäftigt hat. Das Ergebnis dieser önophilen Verbindung kann sich mehr als sehen lassen. Die Schaumweine von Burkhardt Schür sind innerhalb kürzester Zeit ganz oben in Deutschland angekommen mit einem Stil, der in die Champagne blickt und dabei völlig eigenständig bleibt. Der „Blanc de Noirs“ aus den klassischen Rebsorten, die auch den Champagner ausmachen, paart die Fleischigkeit des Pinot Meunier mit der Frucht des Pinot Noir und der Eleganz des Chardonnay.
Perfekt zu Fisch und weißem Fleisch. Blanc de Noirs Brut, 28 €, www.burkhardtschuer.de
Zweites Gebot
Schaumwein kann, muss aber nicht ins Geld gehen. Lieber Finger weg von Bling-Bling-Marken-Champagnern, die in verrückter Aufmachung, zum Beispiel in beleuchteten Flaschen, angeboten werden und Sie in der Schicki-Micki-Berichterstattung und im Supermarkt-Regal anspringen. Da steckt die Ambition nur in der Ausstattung und nicht im Getränk selbst. Ein guter perlender Tropfen sollte auf der Flasche eine klare Herkunft vorweisen können. Auf klingende Fantasienamen und Abfüller, die billigen Stillwein in der ganzen Welt zusammen kaufen und dann verperlen, können Sie gerne verzichten. Diese Produkte eignen allenfalls für den Untergang im Orangensaft-Gemisch. Ab 15 Euro jedoch lassen sich schon Schaumweine mit Charakter und Eigenständigkeit finden.
Einer davon musste erst seinen schlechten Ruf abstreifen: der Lambrusco. Es waren die 70er- und 80er-Jahre, in denen dieser Wein aus der Emilia-Romagna unzählige Schul- und Studentenpartys geflutet hatte. Da traf es sich gut, dass die Variationen der Lambrusco-Traube enorm hohe Erträge ermöglichen und die Winzer eine „dienende Süße“ diesem eigentlich sehr eigenständigen trockenen Wein angedeihen ließen. Irgendwann war die Schraube überdreht und der rote Schäumer (den es seltener auch in einer weißen Version gibt) rutschte im Ansehen durch alle Siebe des Wein-Geschmacks bei den Verbrauchern. Genau diese Konstellation der Nicht-mehr-Beachtung bei gleichzeitig vorhandener Qualität und Erfahrung ermöglichte einen erstaunlichen Neu-Start des Lambruscos mit großer Ambition kleiner Betriebe vor allem auch im biologischen Weinbau. Und das zu erstaunlich guten Preisen.
Zur Wurst-Platte, egal ob kalt oder warm, zu Parmesan. 2021 Lambrusco di Sorbara, Cantina della Volta, 16 €, www.weinhalle.de
Drittes Gebot:
Behandeln Sie Ihren Schaumwein gut! Wie Still-Wein kann der schäumende Verwandte sehr gut über Jahre lagern, wenn die Qualität stimmt. Er kann durchaus auch aufrecht stehen. Nur UV-Licht und Vibrationen (also den Platz auf dem Wäschetrockner) kann er nicht leiden. Lassen Sie sich bei Schaumwein nicht von älteren Jahrgängen irritieren in Sachen Haltbarkeit. Solange der Wein aus dem besagten Jahrgang noch auf der Hefe liegt, ist die Zeit angehalten. Erst wenn er degorgiert ist, also von der Hefe getrennt, dann beginnt die Uhr zu ticken. Viele Weingüter schreiben mittlerweile das Datum des Dégorgements auf das Etikett am Rücken der Flasche.
Ein Schaumwein mit Jahrgang kostet in der Regel mehr. Er muss Ihnen deshalb noch lange nicht besser schmecken. Denn mit der Reife ändert sich das Aromen-Bild: Aus dem sofort zugänglichen jugendlich-spritzigen Auftritt wird ein entspannter Moment, der den gereiften Wein deutlich spüren lässt mit großer Tiefe. Es ist eine Frage der Gelegenheit. Gereifte Schaumweine sind wunderbare Essensbegleiter. Da darf dann auch die ur-deutsche Rebsorte Riesling mitspielen. Jung getrunken konkurriert die Rebsorten-eigene Säure mit der Kohlensäure aus der zweiten Gärung. Das kann anstrengend werden. Ganz anders ist das bei einem gereiften Riesling-Sekt, der dann mit all seinen Reife-Aromen ein knackiger Riesling bleibt, aber auf beste Art anschmiegsam burgundisch wirkt. 2016 Geheimrat J Sekt Riesling brut, Weingut Wegeler, € 34.90, www.wegeler.com
Viertes Gebot:
Wählen Sie das richtige Glas! Die Sekt-Schale ist bestens geeignet. Und zwar für die Erdnüsse, die Sie zum Schaumwein reichen. Auch die Tulpe hat Ihre Qualitäten. Für Prosecco mit Orangensaft. Aber nicht für Ihren Schaumwein. Nun kann man sich verspielen mit den Spezial-Gläsern, die für perlende Weine angeboten werden. Können Sie sich komplett sparen. Es genügt ein wirklich gutes, nicht zu beengendes Weißwein-Glas: „Zalto Denkart Universal“, ab € 35 im Fachhandel.
Wohl kein Getränk in der Welt hat ein derartiges Image: Champagner vermittelt Leichtigkeit, Lebensfreude, Luxus und soll die großen Momente des Seins (wenn man also in „Champagner-Laune“ ist…) begleiten. Und ja: Es funktioniert tatsächlich. Bleiben wir dennoch bei den Fakten: es ist ein Schaumwein aus einem der kühlsten Anbaugebiete Frankreichs, der Champagne, dessen Trauben meistens auf Kreideböden gewachsen sind. Drei Rebsorten dürfen, müssen aber nicht mitspielen: Pinot Noir (Spätburgunder), Pinot Meunier (Schwarzriesling) und Chardonnay. Neben den großen bekannten Marken, die Millionen von Flaschen produzieren, haben sich in der Champagne etliche kleine Betriebe etabliert, die vorzüglichen, individuellen Winzer-Champagner herstellen zu bemerkenswerten Preisen. Les Meurgers, Blanc de Noirs, Gallimard, 36 €, www.champagne-characters.com
Und ja: Schaumwein geht auch ohne Alkohol. Jörg Geiger aus Schlat an der Schwäbischen Alp hat sich auf Schaumweine in allerhöchster Qualität spezialisiert. Im Zentrum stand dabei die alte deutsche Sorte der „Champagner(!)-Bratbirne“, die auf den alten Streuobstwiesen wächst, die er von seinen Großeltern geerbt hat. Wie sein Großvater schon, macht er wunderbaren Birnen-Schaumwein daraus. Und das im Verfahren der Flaschengärung mit anschließendem Hefe-Lager (méthode champenoise), mit der auch alle hochwertigen Schaumweine hergestellt werden. Nach der zweiten Gärung entzieht er dem feinen Birnen-Schaumwein den Alkohol in einem schonenden Verfahren. Übrig bleibt ein großartiges Getränk, das so gar nicht nach Diät und Entsagung schmeckt. Birnenschaumwein Champagner Bratbirne alkoholfrei, 19,90 €, www.weinhalle.de
Fünftes Gebot:
Auf ins Vergnügen – aber richtig! Wenn Sie also den Schaumwein Ihrer Wahl nun in der Hand haben und öffnen wollen, dann sollten Sie einige Dinge beachten: Wenn Sie die Agraffe (ja, so heißt das Draht-Gestell auf dem Korken) aufgedreht haben, sofort den Daumen auf den Korken. Sonst droht Gefahr für Ihr Augenlicht oder die Deckenbeleuchtung, denn der Korken steht unter höchstem Druck. Danach gaaaanz langsam den Korken herausdrehen. Ohne Knall, denn diese abrupte Bewegung reißt nur Aromen aus Ihrem Wunsch-Getränk. Jetzt kann das Vergnügen beginnen…