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WÜRZBURG: Laufen: Ein Sport für die Psyche

WÜRZBURG

Laufen: Ein Sport für die Psyche

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    Ein Pionier der Lauftherapie: Ulrich Bartmann.
    Ein Pionier der Lauftherapie: Ulrich Bartmann. Foto: Foto: Johannes Kiefer

    Jeder Läufer kennt das: Nach dem Laufen geht es einem besser. Man hat sich zwar angestrengt, fühlt sich aber tatkräftig und irgendwie glücklich. Der Kopf ist frei, man hat den Stress hinter sich gelassen. Professionell genutzt und gefördert wird dieser Effekt von Lauftherapeuten. Lauftherapie wurde in den 1970er Jahre zunächst in den USA im Rahmen einer Körpertherapie zur Behandlung psychischer Störungen, wie zum Beispiel Depressionen oder Suchterkrankungen, eingeführt. Ulrich Bartmann (70), Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut und emeritierter Professor für Soziale Arbeit, beschäftigt sich seit fast 40 Jahren mit dem Thema Laufen als Therapie. 1986 hat er das Laufen bereits therapeutisch für Patienten einer psychiatrischen Klinik erfolgreich eingesetzt. 2003 hat er unter der Trägerschaft der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) eine Weiterbildung zum Lauftherapeuten in Würzburg gegründet, und seitdem 13 Weiterbildungskurse praktiziert. Und er läuft noch immer.

    Frage: Was ist Lauftherapie und für wen ist sie geeignet?

    Ulrich Bartmann: Lauftherapie ist eine wissenschaftlich belegte Methode, die Nicht-Läufer zum Laufen hinführen will, mit dem Ziel, Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten zu bekommen und auf diesem Wege exemplarisch wieder Handlungskompetenz für eventuelle Probleme zu gewinnen. Sie wird von professionell ausgebildeten Lauftherapeuten praktiziert und je nach Indikation unter therapeutischer oder pädagogischer Zielsetzung angewandt – einer der Unterschiede zu anderen Formen des Laufens. Die Stärkung des Selbstwertgefühls ist hierbei das A und O.

    Wie sind Sie selbst zum Laufen gekommen?

    Ulrich Bartmann: Alexander Weber gilt als Gründer der Lauftherapie in Deutschland. Über ihn und seine Methode habe ich vor vielen Jahren einen Artikel gelesen und ihn daraufhin auch aufgesucht. Nach dem Gespräch habe ich selbst mit dem Laufen angefangen. Bis dahin war ich kein Läufer und habe mit einem Wechsel von Laufen und Gehen das Joggen erlernt. Als ich dann fünf Minuten am Stück laufen konnte, war ich riesig stolz auf mich, obwohl mir klar war, dass jeder erfahrene Läufer darüber nur schmunzeln kann. Das war eine sehr wichtige Erkenntnis, denn auch Patienten haben nach solchen kleinen Schritten entsprechende Erfolgserlebnisse, die man als Lauftherapeut verstärken muss.

    Wie unterscheidet sich therapeutisches Laufen vom herkömmlichen Laufen?

    Ulrich Bartmann: Wir joggen für unser seelisches und körperliches Wohlbefinden und nicht, um anderen zu zeigen, dass wir die schnellsten, besten und größten Läufer sind. Wir beginnen mit einem Wechsel von zwei Minuten joggen und zwei Minuten gehen. Nach acht bis zehn Wochen kann jeder locker eine halbe Stunde ohne Gehpause laufen.

    Kann eigentlich jeder laufen?

    Ulrich Bartmann: Wenn keine orthopädischen oder internistischen Gründe dagegen sprechen, kann jeder – vom Kind bis zum Senioren – mit dem Laufen anfangen. Bevor man mit dem Joggen beginnt, sollte man sich medizinisch untersuchen lassen, am besten von einem Arzt, der selbst läuft.

    Wie motivieren Sie jemanden, der noch nie gelaufen ist?

    Ulrich Bartmann: Das ist mit der schwierigste Part. Aber ich habe ja selbst lange geglaubt, ich könnte nicht laufen und präsentiere mich so als Modell. Das wichtigste ist, sich einfach darauf einzulassen. Es war oft schwierig, Patienten in der Klinik davon zu überzeugen. Denn es sind ja Ängste da und zwar oft größere als bei Ottonormalverbraucher. Der Vorteil: Beim Laufen erleben die Laufanfänger schnell einen Erfolg. Auch in der Klinik hat man direkt gesehen, dass es den Läufern besser geht.

    Wie beginnt man das Laufen?

    Ulrich Bartmann: Die meisten machen den Fehler und rennen einfach los, wie von einer Tarantel gestochen. Das ist falsch. Das Tempo beim therapeutischen Laufen ist nicht schneller als beim zügigen Gehen, nur dass es eine sogenannte Flugphase gibt. Beide Füße sind dabei kurz zugleich in der Luft, während beim Gehen immer ein Fuß am Boden ist. Mein Laufprogramm beginnt mit einem Wechsel von zwei Minuten Laufen und zwei Minuten Gehen, und das beim ersten Termin sechs bis siebenmal und zwar zweimal die Woche. Mit jedem Lauftermin steigern wir uns ganz allmählich, das heißt die Laufminuten werden verlängert, die Gehpausen verkürzt.

    Bei welchen Erkrankungen hat therapeutisches Laufen Erfolg?

    Ulrich Bartmann: Neueste Studien belegen, dass Laufen bei Depressionen so effektiv ist, wie eine Psychotherapie oder auch eine medikamentöse Behandlung. Es wirkt außerdem sehr gut bei Abhängigkeitserkrankungen, Stress und Burn out oder Ängsten. Selbst bei Verhaltensauffälligkeiten von Kindern wirkt Laufen sehr gut. Auch Menschen, die Psychopharmaka nehmen, hilft Laufen. In vielen Fällen können die Medikamente reduziert und manchmal sogar ganz abgesetzt werden.

    Wie wirkt sich das Laufen aus?

    Ulrich Bartmann: Laufen baut das Selbstwertgefühl auf und führt zu Wohlbefinden. Viele Zivilisationskrankheiten entstehen dadurch, dass wir unserem Körper mehr Energie zuführen als er verbraucht. Laufen verbraucht Energie und aktiviert den Stoffwechsel auf allen Ebenen, das ist das Entscheidende, denn dadurch verbessern sich sämtliche Vitalwerte und das Immunsystem wird gestärkt.

    Wann setzen diese positiven Effekte ein?

    Ulrich Bartmann: Wenn man mal acht bis zehn Wochen läuft, kann man signifikante Verbesserungen im psychischen Bereich nachweisen

    Ist Laufen auch nach schweren Erkrankungen wie Krebs die richtige Therapie?

    Ulrich Bartmann: Die Wirkungen von Sport bei Krebspatienten wurden lange Zeit kontrovers diskutiert und hängt auch sicherlich davon ab, in welchem Stadium sich der Krebs befindet. Inzwischen geht man von eindeutigen positiven Effekten aus, wenn die Patienten in der Lage sind zu laufen. Dabei hat sich gezeigt, dass körperliche Aktivität messbar die Nebenwirkungen einer Chemotherapie reduzieren kann. Außerdem steigert sich die Leistungsfähigkeit und das Selbstbewusstsein wird gestärkt – was die Lebensqualität enorm verbessern kann. Doch nicht nur das: Körperliche Aktivität hat auch direkte Einflüsse auf die Entstehung von Krebs, den Verlauf einer Krebserkrankung und das Rückfallrisiko.

    Ist es besser alleine oder in der Gruppe zu laufen?

    Ulrich Bartmann: Es gibt viele Leute, die sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen haben. Das heißt: Eine Vielzahl von Patienten hat sich mit Laufen selbst therapiert. Der Einstieg ist allerdings in einer Gruppe unter Anleitung eines Lauftherapeuten immer einfacher. Außerdem kann der Austausch in der Gruppe viele zusätzlich positive Effekte haben.

    Korrigieren Sie die Läufer auch?

    Ulrich Bartmann: Meistens korrigiere ich nur das Tempo. Die meisten Anfänger laufen viel zu schnell. Dann rege ich noch an, dass am Ende Dehnübungen gemacht werden. Den Laufstil korrigiere ich in der Regel nicht.

    Bezahlt die Lauftherapie die Krankenkasse?

    Ulrich Bartmann: Jein. In der Klinik wird Lauftherapie über den Kliniksatz abgerechnet. Ansonsten kann man für Lauftherapie als Präventionskurs von vielen Krankenkassen einen Zuschuss bekommen.

    Ist meine Therapie irgendwann beendet oder muss ich mein Leben lang laufen?

    Ulrich Bartmann: Das Laufen sollte irgendwann in den eigenen Lebensrhythmus übergehen. Nur wenn ich weiter laufe, erhalte ich mir auch die erreichten positiven Effekte.

    Das macht Laufen mit der Seele Thesen und Erfahrungen von Lauftherapeut Ulrich Bartmann. Jeder kann Laufen, sofern keine medizinischen Kontraindikationen bestehen. Aber: Nicht einfach losrennen. Das Anfängertempo beim Laufen/Joggen ist zunächst nicht schneller als zügiges Gehen. Die Laufeinheiten langsam steigern. Beginnend mit zwei Minuten laufen und zwei Minuten gehen. Später sollte man möglichst zweimal die Woche eine halbe bis eine Stunde laufen. Laufen hat eine positive Breitbandwirkung auf Körper und Seele. Beim Laufen nehmen die Lungen mehr Sauerstoff auf. Durch Ausdauersport wird Fettgewebe ab- und Muskelgewebe aufgebaut sowie der Stoffwechsel optimiert. Joggen ist eine effektive Möglichkeit, zu einem gesunden und natürlichen Schlaf zu kommen. Wer läuft stärkt sein Selbstwertgefühl. Man läuft Schritt für Schritt dem Stress davon. Viele Läufer schwärmen von Glück, Zufriedenheit und Stolz. Läufer sehen Krisen als Herausforderung. So genannte Glückshormone wie Serotonin werden vermehrt erzeugt. Laufen als Therapie reduziert psychische Störungen, verbessert das Wohlbefinden und die Genussfähigkeit. Buchtipp: Ulrich Bartmann, Laufen und Joggen für die Psyche. Ein Weg zur seelischen Ausgeglichenheit. DGVT Verlag 2014.

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