"Was soll ich lesen?" Wird Elke Heidenreich gefragt, wenn sie zum Bäcker geht, wenn sie am Bahnhof steht, oder, wie sie selbst sagt, eigentlich "überall, wo ich gehe und stehe." Weshalb sie von der Frage auch durchaus genervt sein könnte, aber ist sie nicht. Im Gegenteil. Weil sie die Bücher so sehr liebt, das Lesen so sehr liebt, und vor allem, weil sie es liebt, Bücher und Menschen zusammenzubringen, liebt sie auch diese Frage noch immer: "Ich finde das wunderbar." Rattert also los, wenn sie einer fragt, empfiehlt – aktuell zum Beispiel "Salomés Zorn", den Debütroman der niederländischen Lyrikerin Simone Atangana Bekono.
Heidenreich wurde in ihrer Rolle als Else Stratmann bekannt
Elke Heidenreich, geborene Riegert, Vater Automechaniker, Mutter Näherin von Kinovorhängen, bekannt geworden in ihrer Rolle als Else Stratmann, berühmter dann noch als empathische, leidenschaftliche Literaturvermittlerin, als Buch-Missionarin, Geburtstag 15. Februar, nun also 80 – es gibt keine bekanntere hauptberufliche Leserin in Deutschland. Als das ZDF die Sendung "Lesen!" 2008 im Streit einstellte, verlor das deutsche Fernsehen damit das bis heute wirkungsvollste Literaturmagazin. Nach jeder Folge liefen die Zuschauerinnen und Zuschauer am nächsten Tag in die Buchhandlungen und kauften.
Literatur zu vermitteln, sei offenbar ein Talent, das sie besitze, sagt Heidenreich, und was sie weiterhin nutzt, zum Beispiel beim Schweizer Literaturclub oder beim Spiegel, für den sie sich zweimal im Monat vor die Kamera im heimischen Arbeitszimmer setzt, Bücher vor sich, Bücher hinter sich, und dann fast ohne Pause spricht, als würde ihr die Zeit nicht reichen für all die Bücher, die doch bitte gelesen werden sollen.
Heidenreich: "Ohne Musik fände ich ein Leben vollkommen sinnlos"
Das Lesen habe sie gerettet, sagt Heidenreich, sonst hätte sie ihre "Scheiß-Kindheit" nicht ertragen können, nicht die Eltern, und die Welt später auch nicht, schon gar nicht verstehen können. Wenn sie wählen müsste, auch das eine der Fragen, die ihr hin und wieder gestellt wird, dann würde die Vielbegabte, die auch Opernlibretti verfasst, dennoch die Musik wählen: "Ohne Musik fände ich ein Leben vollkommen sinnlos." Heidenreich, zweimal verheiratet, liiert mit dem Musiker Marc-Aurel Floros, macht nicht nur Bestseller, schreibt auch selber welche, wie zuletzt ihren Erinnerungsband "Ihr glücklichen Augen". Man müsse die kostbaren Momente des Lebens wie Perlen auf eine Kette fädeln, sagt sie. Mit ihrer Lebenskette ist sie zufrieden. "Mein Grundgefühl ist trotz Erschöpfung Dankbarkeit. War alles schön."