Unter Leserinnen und Lesern gibt es Dutzende verschiedene Typen. Die einen mögen dicke Wälzer, die anderen schreckt das eher ab. Manche halten die aktuelle Seite mit Eselsohren fest – für wieder andere ist das der größte Graus: Bloß keinen Knick im Buch! Aber wie wählen sie ihren Lesestoff aus? Über das Genre, eine Empfehlung oder die Optik? Zum Welttag des Buches haben wir uns in einem der größten bayerischen Buchläden umgehört, weshalb sich Leserinnen und Leser für bestimmte Bücher entscheiden, und dabei auch den ein oder anderen Spleen entdeckt. Ein Besuch bei Hugendubel am Münchner Stachus.
Rosi Wolf hält ein Buch fest umklammert, während sie weiter stöbert. "Sterne über dem Salzgarten" von Tabea Bach legt sie erst aus der Hand, als sie "Bissle Spätzle, Habibi?" von Abla Alaoui entdeckt. Das rosa Cover mit der bunten Schrift und einem Paar verrät: Das ist eine Liebesgeschichte. "Den Titel fand ich so lustig, da musste ich mal sehen, was dahintersteckt", sagt Rosi Wolf aus Sendling. Das andere, "Sterne über dem Salzgarten", holt sie sich für den Urlaub. Etwas Leichtes soll es sein. Und nachdem sie eine Kurzkritik in der Zeitung gelesen hatte, ging sie schnurstracks in den Buchladen.
Hardcover oder Taschenbuch? Eselsohren oder Lesezeichen?
Eigentlich mag Rosi Wolf Hardcover viel lieber. Aber Taschenbücher kann man besser mitnehmen. "Da macht's auch nichts, wenn mal ein Eselsohr drin ist." Ob sie die Eselsohren macht? "Nein, aber mein Mann! Ich nehme immer Lesezeichen. Er hat auch einige auf dem Nachttisch, aber trotzdem macht er Eselsohren. Er ist unbelehrbar. Da weiß man immer gleich, wer es gelesen hat", sagt sie lachend, auch wenn es sie ein wenig empört.
Und während es eigentlich darum gehen soll, nach welchen Kriterien sie ihre Bücher auswählt, gerät die fröhliche Rosi Wolf ins Plaudern. Sie erzählt vom Fahrradfahren, von der Regenjacke, vom Zeitung lesen und von Bücherschränken, in die ihre ausrangierten Werke kommen ... Lesen scheint in der Familie Wolf eine beliebte Beschäftigung zu sein. Da werden Bücher mit der Tochter getauscht, mit der Enkelin geht Rosi Wolf auf Jugendbuchausstellungen. "Die ist eine richtige Leseratte. Dazu habe ich sie gebracht", sagt sie stolz. Ihre Bücher wählt die quirlige Rentnerin je nach Anlass. "Für meine Hamburg-Reise habe ich mir überlegt, "Elbleuchten" von Miriam Georg zu kaufen. Aber das ist eine ganze Serie", also bleibt das Buch im Regal. Und sowieso geht es erst mal nach Madeira in die Sonne. Darum lieber "Salzgarten" mit dem Strand auf dem Cover.
Für jeden Urlaub das perfekte Buch
In den Urlaub geht es scheinbar auch für Mariel Scherzer-Deobald. Sie steht vor den Reiseführern, schaut, den Finger schon an "Paris", aber zieht die Hand dann doch wieder weg. "Am Wochenende fahren wir nach Paris", erzählt sie. "Eigentlich habe ich dafür schon einen Reiseführer, aber ich dachte, vielleicht gibt es noch einen, mit dem man schöne Ecken entdecken kann." Reiseführer kauft sie oft für den Urlaub. "Ich habe heute frei, da dachte ich, ich stöbere ein wenig." Das macht sie öfter, wenn sie Zeit hat. "Ich geb' zu, ich bin keine große Lesemaus. Ich wähle Bücher eher nach der Optik aus, es muss mir gefallen", sagt sie fast schon im Reim. Meistens greift sie dann zu Romanen. Am liebsten mit Hardcover. Ist schöner, findet sie. "Wenn ich dann an freien Tagen so durchschlendere, komme ich meistens mit einem ganzen Stapel wieder raus", sagt sie lachend.
Im Erdgeschoss blättert ein Mann mittleren Alters seit einiger Zeit durch zwei Bücher. "Das hier hat ein Freund von mir geschrieben", sagt er, und hält "Die Frau mit dem Arm" von Andreas Dorau und Sven Regener hoch. Das zweite ist ein Buch, über das er sich einfach nur ärgern will, das er nicht kaufen will. Aber natürlich muss er einen Blick hineinwerfen, um informiert zu granteln. "Da macht er so 'nen Ethno-Scheiß draus!", ärgert er sich über "Alles wird gut" von Matthias Politycki. Das Buch handelt von einer interkulturellen Liebe in Äthiopien. Dort war der Grantler selbst schon, kennt sich darum nach eigenen Angaben bestens aus. "Das hat einfach ein alter weißer Mann geschrieben. Alles wird gut ... Da wird nix gut. Unmöglich", ärgert er sich weiter. "Aber ich muss reinschauen, damit ich weiß, was der schreibt."
Manche Menschen verbinden das Lesen mit anderen Hobbys
Ein Stockwerk höher sitzt Raimund Buzörmenyi seit einer halben Stunde in der Ecke eines roten Sofas. Dunkle Jacke, Engelbert und Strauß-Arbeitshose, schwarze Mütze, Brille. Vertieft in ein Buch – "Halo Oblivion". Halo, wie das Spiel? "Ja, ich zocke viel und lese dann oft auch die Bücher zu den Spielen", sagt er. Hauptsächlich liest er Fantasy und Science-Fiction. "Es sind andere Welten, andere Weltanschauungen und neue Geschichten. Das finde ich so reizvoll." Manchmal stößt er auf Geschichten, die eine Welt nach einer nuklearen Katastrophe beschreiben. "Da ist es schon interessant mal zu lesen, was auf uns zukommen könnte oder was man lieber nicht erleben will".
Und manchmal, da lerne er noch was dazu. "Zum Beispiel physikalische Gesetze ... also in einem gewissen Maß eben", sagt er und lacht. Physikunterricht mit Fantasy also. "Ich habe mal Bücher gesammelt, aber gerade bei den Serien muss man auch zugeben, dass die irgendwann nicht mehr so gut geschrieben sind und die Ideen ausgehen. Da braucht es dann ein paar Monate oder Jahre, bis ein neuer Autor weiterschreibt. Dann geht es wieder." Für ihn müsse es eine gute Geschichte sein. Und gute Geschichte heißt: ein bisschen was von allem.
Während weder Rosi Wolf noch Mariel Scherzer-Deobald von sich behaupten, "Lesemäuse" zu sein, ist Raimund Buzörmenyi ein wahrer Gierschlund. 400 Seiten am Tag? Kein Problem. "Ich lese zwei bis drei Bücher pro Woche", erzählt er stolz. Wie schafft man drei dicke Bücher in einer Woche? Ganz einfach, er legt sie kaum aus der Hand. Morgens beim Kaffee, in der Pause bei der Arbeit, mal so nebenher und schließlich abends vor dem Schlafengehen. Auf die Optik des Buches schaut er nicht so sehr, kann er bei der Menge vielleicht gar nicht.