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Wissenschaftliche Studie: Komponist Werner Egk war Antisemit

Musik

Antisemitismus-Debatte um Werner Egk neu entfacht

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    Der Komponist und Dirigent Werner Egk 1961 vor dem Münchner Nationaltheater. Wegen Egks Tätigkeit während der Nazi-Diktatur soll nun in Augsburg eine nach dem Komponisten benannte Grundschule umbenannt werden. Kritiker sehen Egk als Mitläufer an, der sich nicht als Vorbild eigne.
    Der Komponist und Dirigent Werner Egk 1961 vor dem Münchner Nationaltheater. Wegen Egks Tätigkeit während der Nazi-Diktatur soll nun in Augsburg eine nach dem Komponisten benannte Grundschule umbenannt werden. Kritiker sehen Egk als Mitläufer an, der sich nicht als Vorbild eigne. Foto: Klaus Heirler

    In Augsburg hat eine breite Mehrheit der Rathausfraktionen einen Antrag eingebracht, die Umbenennung der Werner-Egk-Grundschule erneut zu prüfen. In Pullach wird das Otfried-Preußler-Gymnasium künftig anders heißen; in Neuburg an der Donau ist eine Diskussion um die Paul-Winter-Realschule entbrannt. Vielerorts gibt es neue Erkenntnisse zur Gesinnung beziehungsweise nationalsozialistischer Vergangenheit der Schulnamenspatrone. 

    In Augsburg kam es schon 2018 zu Bestrebungen, der Werner-Egk-Schule einen anderen Namen zu geben. Damals hatte der Stadtrat dies abgelehnt. Als aber im Sommer 2023 der Musikwissenschaftler Michael Custodis in Augsburg über den Komponisten und seine Verflechtung mit dem NS-Regime sprach, machte sich erneut der Eindruck breit: Die Benennung muss noch einmal geprüft werden. Neu ist jetzt, dass sich auch die CSU bewegt. 2019 hatten vor allem die CSU-Granden die Umbenennung verhindert, um den Komponisten, der in Augsburg aufgewachsen war, zu schützen.

    Egk war gehässig gegen Juden lange vor 1933

    Der Grund für die neue Initiative liegt in einer wissenschaftlichen Studie, die den privaten Briefwechsel Egks unter die Lupe nimmt. Die junge Musikwissenschaftlerin Anna Schamberger hat – im Auftrag der Stadt Donauwörth und als Masterarbeit an der Münchner Uni – Egks unveröffentlichte Korrespondenz vor allem mit seiner Frau Elisabeth unter die Lupe genommen – Briefe, die bislang im Stadtarchiv Donauwörth verschlossen lagen. Sie fand darin Äußerungen, wegen denen man kaum anders kann, als den Komponisten einen gehässigen Antisemiten zu nennen, zumal seine Äußerungen privat und lang vor 1933, also nicht unter Druck der Diktatur, getätigt wurden. 

    So bezeichnet Egk 1929 den ukrainisch-jüdischen Dirigenten Sascha Horenstein als "jüdischen Hund", der mit einer "semitischen Gestikuliererei" dirigiere wie ein "Hampelmann aus dem Ghetto". Alban Berg erklärt er fälschlich zum Juden und nennt ihn einen "schissigen Israeliten". Nach einem Konzert mit Igor Strawinsky und Otto Klemperer beklagt er im selben Jahr, dass das Publikum im Saal "urjüdisch" gewesen sei, dass Strawinsky – ebenfalls in Wirklichkeit kein Jude – wie ein "kleiner, sich windender Affe" aufgetreten sei, dass neben dem "Oberjuden" Klemperer auch die Kapellmeister und Solisten Juden seien. Doch nicht nur auf Musikbetrieb und mögliche Komponisten-Konkurrenten beziehen sich Egks antijüdischen Beschimpfungen. Über seine Lektüre des Johannes-Evangeliums schreibt er: "Die Juden inclusive der Apostel sind ein fürchterliches Pack."

    Antisemitisch auch noch nach 1945

    Die Studie, die dieser Zeitung in Auszügen vorliegt, beleuchtet auch Egks enges Verhältnis zum Sonderbeauftragten des NS-Propaganda-Ministeriums, Hans Hinkel, einem fanatischen Antisemiten, der den Kulturbereich von Juden "reinigen" wollte und sollte. Spätestens ab den 1920er-Jahren sei Egk "von völkischem und antisemitischem Gedankengut erfasst", so formuliert es Anna Schamberger, die über Egk nun auch ihre Doktorarbeit schreiben will. Er habe jüdische Musiker diskreditiert, in seinen Werken judenfeindliche Akzente gesetzt, sich an Diffamierung und Ausgrenzung beteiligt.

    Auch für nach 1945 stellt die Musikwissenschaftlerin in Egks Briefen Antisemitismus fest: Sie registriert bei ihm das Fehlen von "Anzeichen des Mitgefühls, des Bedauerns oder der Reue" in Bezug auf das Schicksal verfolgter Juden. Nicht von ungefähr gab sie ihrer Studie den provokant-plakativen Titel: "Keine Reue! Heil!". Ihre Arbeit, für die im Stadtarchiv Donauwörth derzeit ein Verlag gesucht wird – vier haben laut Stadtarchivarin Cathrin Hermann ein Angebot vorgelegt –, ergänzt vorliegende Untersuchungen, die allesamt Egk nicht nur als Profiteur des Nationalsozialismus, sondern als einen NS-Aktivisten einordnen, der im braunen Regime Karriere machte – als Komponist, Kapellmeister und Abteilungsleiter der Reichsmusikkammer.

    Arbeit liegt bereits seit Dezember 2022 vor

    Ob Egk für die Namensgebung von Schulen und als Vorbild für die Jugend tauge, daran habe er Zweifel, hatte Michael Custodis 2023 in Augsburg noch vorsichtig formuliert. Inzwischen gab es eine intensive Debatte über den wesentlich weniger belasteten Schriftsteller Otfried Preußler als Namensgeber des Pullacher Gymnasiums, inzwischen hat auch eine Debatte über den komponierenden Neuburger Wehrmachtsgeneral Paul Winter begonnen. Kann gut sein, dass der inzwischen höhere Kenntnisstand in Sachen Werner Egks NS-Belastung und seines Antisemitismus nicht nur in Augsburg, sondern auch in Donauwörth zu Schulnamen-Rückabwicklungen sowie zum Entzug des Donauwörther Ehrenbürger-Titels führt – auch wenn sich der Donauwörther Oberbürgermeister bis heute nicht zum Inhalt von Schambergers Masterarbeit äußern will.

    Seit Dezember 2022 bereits – also seit fast eineinhalb Jahren – liegt die Arbeit schriftlich in Donauwörth vor; sie sollte dort schon im ersten Halbjahr 2023 im Stadtrat erörtert werden. Ausgesprochen eilig also hatte man es offensichtlich nicht hinsichtlich einer Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt – was dieser Tage vor Ort allerdings nicht die deutliche Kritik daran verhindert, dass sich der Augsburger Stadtrat nun womöglich eher mit der Egk-Brisanz befasst sieht als der Donauwörther Stadtrat. 

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