Er begeisterte Millionen, war weltweit einer der bekanntesten Zirkusartisten, lebte in Franken und bezeichnete Würzburg einst als seine Lieblingsstadt: Oleg Popow. Der 86-Jährige starb am Mittwochabend während einer Tournee im südrussischen Rostow am Don an Herzversagen, wie russische Agenturen berichteten. Er soll abends friedlich vor dem Fernseher eingeschlafen sein. Aufrichtig beklatscht und gefeiert tritt so einer der größten Clowns des 20. Jahrhunderts von der Bühne.
Oleg Konstantinowitsch Popow galt als einer der letzten Großen unter den Zirkusartisten. „Russlands Charlie Chaplin“, „Hans im Glück“, „der heitere Clown“ – strahlende Umschreibungen und Kosenamen hat Oleg Popow in seinen mehr als 60 Jahren in der Manege erworben. Die schwarz-weiß karierte Ballonmütze, die strohblonde Perücke und die knallrote Pappnase waren sein Markenzeichen. Akrobatik wie eine Seiltanznummer gehörten ebenso zu seinem Repertoire wie Albernheit und Parodie. Mit geradezu poetischen Sketchen und einem feinen Blick fürs Menschliche erlangte er internationale Berühmtheit und zog Generationen in seinen Bann.
Zuletzt in Sennfeld zu sehen
So auch seine Fans in Franken, wo er zuletzt 2012 beim Varietéfestival in Sennfeld (Lkr. Schweinfurt) zu sehen war. Ein Jahr zuvor war er mit dem Russischen Staatscircus auf Tournee und gab in Würzburg und Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) ein Gastspiel. Auf der Pressekonferenz verriet Oleg Popow damals, dass die Domstadt am Main seine Lieblingsstadt sei. „Ich wollte schon immer in der Stadt auftreten, die so eine wunderschöne Festung besitzt“, hat Popow damals gesagt. Bei zahlreichen Fahrten zu Auftritten auf der Autobahn habe er sie stets gesehen. So eine Steilvorlage ließ sich die damalige Oberbürgermeisterin Pia Beckmann nicht entgehen. Sie besuchte den Meisterclown in der Garderobe und bekam als Dankeschön die Zeichnung seiner Clownmütze für ihr persönliches Gästebuch.
Und er nahm sich auch Zeit für diese Redaktion. Es war ein warmherziges Gespräch im Staatscircus auf der Talavera. Unscheinbar sah der Weltclown aus, wenn er nicht als der große Popow in der Manege in seinem berühmten Outfit stand. Aber er war unglaublich freundlich und beantwortete gerne die Fragen. Und er musste natürlich die Geschichte erzählen,

. Die Unterhaltung dauerte eine Weile, denn seine Frau Gabi Popow musste vom Russischen übersetzen. Sie ist der Grund für den Wohnort.
So hat es zwischen den beiden gefunkt
Und sie erzählte damals auch aus ihrer Sicht, wie es zwischen ihnen gefunkt hat. „Ich wollte 1991 die Vorstellung in Aschaffenburg besuchen. Es gab aber kein Ticket mehr. Und so war ich zwar im Zirkus, hatte aber keinen Sitzplatz. Oleg sah das und stellte mir seinen Stuhl in die Loge. Ich habe mich dann in der Garderobe bei ihm bedankt. Er hat dann wohl all seinen Mut zusammengenommen und nach meiner Telefonnummer gefragt. Er brauchte dann beim Anruf die Hilfe eines Dolmetschers.“
Gabi Popow übernahm die Initiative: Als der Clown eine Zwangspause von der Manege einlegen musste, lud sie ihn zu sich nach Franken ein. Noch 1991 heirateten sie. Mit der deutschen Sprache tat er sich schwer, liebte aber die traditionelle Küche wie Eisbein mit Sauerkraut.
Den Oscar der Zirkuswelt gewonnen
Popows Leben begann nicht als das eines Spaßmachers, der damit rechnen durfte, 1981 den Goldenen Clown zu gewinnen – den Oscar der Zirkuswelt. Geboren am 31. Juli 1930 in der Ortschaft Wyrubowo bei Moskau, verliert er früh seinen Vater. Der Uhrmacher wird 1941 wegen angeblicher „Missachtung“ von Sowjetdiktator Josef Stalin verhaftet und stirbt im Gefängnis. Popow beginnt eine Schlosserlehre. Als er mit einem Auftritt auf sich aufmerksam macht, bekommt er einen Platz in einer renommierten Artisten-Schule.
Doch seine erste Nummer 1951 in der Wolgastadt Saratow erregt Kritik als „kosmopolitischer“ Sketch in einer Zeit, die von der Ost-West-Konfrontation des Kalten Krieges geprägt ist. Sie wird verboten. Popow wird an den Zirkus in der georgischen Hauptstadt Tiflis versetzt, bevor er später in Moskau auftreten darf.
In der Sowjetunion nimmt Popow eine zweideutige Position ein. Einerseits wird er als Volkskünstler gefeiert und mit Preisen geehrt, andererseits parodiert er bei Auftritten auch das Politbüro. Mitglied der Kommunistischen Partei wird er nie. „Ein Clown sollte nicht einer Partei folgen, sondern seinem Gewissen“, sagte Popow später.
Besorgnis über die Rolle des Clowns
Über die nicht zuletzt durch dumpfe Scherzbolde in gruseligen Kostümen befeuerte Angst vor Clowns äußerte sich Popow im vergangenen Jahr ähnlich besorgt wie andere Zirkusvertreter auch. Ein Clown zeichne sich durch mehr aus als eine rote Nase, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Um zu überzeugen, brauche er drei Dinge: „Den Geist eines Schriftstellers, das Herz eines Dichters und den Körper eines Athleten. Das Wichtigste für einen Clown aber ist es, ein sympathischer und guter Mensch zu sein.“
Insgesamt fast ein Vierteljahrhundert lang kehrte Popow seiner Heimat Russland den Rücken. Erst 2015 besinnt er sich auf seine Wurzeln und kommt für einen Gastauftritt in den russischen Schwarzmeerkurort Sotschi. Bis zu seinem Tod stand der Clown immer wieder in der Manege.
Nun soll Oleg Popow nach russischen Angaben in seiner Wahlheimat Deutschland beerdigt werden. Die Witwe hätte gerne, dass ihr Mann in Egloffstein beerdigt wird, sagte dessen Bürgermeister, Stefan Förtsch. Und: Er könne sich auch vorstellen, einen Gedenkstein für den Clown zu errichten.