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KAPSTADT: Südafrikas Glücksfall: Auf den Spuren Nelson Mandelas

KAPSTADT

Südafrikas Glücksfall: Auf den Spuren Nelson Mandelas

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    Wenn aus 50 Stahlsäulen ein Gesicht wird: Mandela-Denkmal am Ort seiner Gefangennahme.
    Wenn aus 50 Stahlsäulen ein Gesicht wird: Mandela-Denkmal am Ort seiner Gefangennahme. Foto: Fotos: Frank Weichhan

    Am Tag seiner Freilassung blieb Peter Khube im Gefängnis. Freiwillig. Vielleicht weil er spürte, dass eine Mission auf ihn wartete. So kam es, dass aus dem Häftling Khube der Fremdenführer Khube wurde. Wobei es sich nicht um irgendeine Haftanstalt handelt – sondern um die Gefängnis-Insel Robben-Island vor Kapstadt im Atlantischen Ozean. So etwas wie das Alcatraz Südafrikas. Mit einem der berühmtesten Gefangenen der Welt: Nelson Mandela, der hier 18 seiner 27 schrecklichen Knast-Jahre durchstehen musste.

    Peter Khube landete mit 19 Jahren als politischer Gefangener in Haft und erlebte all die Grausamkeiten mit: Wie Wachposten auf Flüchtende schossen. Wie Gefangene Salzwasser trinken mussten. Wie zwölf Stunden lang Steine völlig sinnlos von rechts nach links geschleppt wurden – und danach wieder von links nach rechts.

    Es strengt an, Peter Khube zuzuhören. Weniger, weil er leise spricht. Sondern weil er so intensiv von einer unfassbaren Welt erzählt, wie das nur Augenzeugen können. Über allem schwebt natürlich Nelson Mandela, der nach seiner Verurteilung durch das Apartheid-Regime zu lebenslanger Haft 1964 auf der kahlen Insel der Grausamkeiten mit ihren bis zu 1400 Gefangenen landete.

    Einer der Polizisten, die den Gefangenentransport begleiteten, machte den prominenten Häftlingen Mut: „In zwei, drei Jahren werdet ihr entlassen und als Nationalhelden zurückkehren“, orakelte der Mann, wie sich Mandela in seiner Autobiografie „Der lange Weg zur Freiheit“ erinnert. Der Polizist sollte Recht behalten, auch wenn er sich bei der Anzahl der Jahre gewaltig irrte.

    Mandela, bis dahin Führer des militärischen Flügels des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), wurde als Nummer 466/64 in Zelle fünf gesteckt. Einzelhaft auf 2,8 mal 1,7 Meter Betonboden. Der Blick in das Verlies, das kleiner war als die Käfige der Wachhunde, wirft unweigerlich die Frage auf, wie ein 1,93 Meter großer Mann da hineinpassen konnte. Bis 1981 wurde vergeblich versucht, aus Mandela einen gebrochenen Mann zu machen.

    Schließlich folgte die Verlegung in ein anderes Gefängnis. Erst im Februar 1990 sollte das Martyrium vorbei sein – die Prophezeiung des Polizisten erfüllte sich. Der Rest ist Geschichte: Von 1994 bis 1999 war Mandela der erste schwarze Präsident seines Landes. Eine Mann für alles: Symbolfigur, Ikone, Übervater, Vereiner, Aussöhner, Gewissen der Nation und nicht zuletzt Friedensnobelpreisträger.

    Herrschte auf der 30-minütigen Hinfahrt mit der Fähre noch ausgelassene Stimmung bei dem bunt gemischten Besuchervölkchen, sieht das auf dem Rückweg ganz anders aus: Die Nachdenklichkeit ist fassbar, viele sind in sich gekehrt. Was nicht zuletzt auch an einem Satz von Peter Khube liegt: Um die 90 ehemalige Wächter und Gefangene leben heute auf der Insel in kleinen Häuschen „friedlich und gut als Nachbarn zusammen“, um sich gemeinsam um die Besucher und das Gefängnis-Museum zu kümmern. Wie das möglich ist, erklärt der ehemalige Gefangene so: „Wir haben unseren Wächtern vergeben.“

    Mandela selber war später nur noch einmal zu einer Gedenkfeier auf Robben-Island. Ansonsten verbrachte er seine letzten Jahre – wie auch schon die Zeit vor der Verhaftung – in Johannesburg. In einer Villa, vor der hin und wieder ein paar Touristen stoppen, um vergeblich einen Blick über die hohen Mauern zu erhaschen, hinter denen heute Mandelas Nachfahren wohnen. Mehr als der Gärtner, der sich vor dem Anwesen einen persönlichen Kampf mit Rasen liefert, ist nicht zu entdecken.

    Ganz anders die Situation ein paar Kilometer weiter. In der Johannisburger Vorstadt Soweto mischen sich Schulklasse und Touristen, um in ein einfaches Haus zu strömen, in dem Mandela von 1946 bis 1962 gelebt und den Kampf gegen die Rassentrennung organisiert hat. Bis auf das Klo ist hier alles noch original – näher als im „Mandela-Haus“ kommt man nicht an den Mann heran, der 1918 als Rolihlahla Mandela geboren wurde, was frei übersetzt sinnigerweise Unruhestifter heißt. Der Name Nelson kam erst später in der Schule dazu.

    Das mit der Unruhe nahm schon bald seinen Anfang: So eröffnete Mandela 1952 die erste allein von Schwarzen geführte Anwaltskanzlei in Südafrika, bevor er Widerstandskonzepte gegen die Apartheid zu entwickeln begann.

    Der Kult um Mandela, der mitunter fast schon religiöse Formen annimmt, ist nicht nur in seinem früheren Wohnhaus spürbar. Pilgerstätten finden sich allerorten. Überall im Land wurden Museen gebaut. Und natürlich Denkmäler errichtet. Eines der schönsten steht seit 2012 in der Nähe des Städtchens Howick in KwaZulu-Natal.

    Ein brillantes Kunstwerk: 50 Metallstangen, bis zu acht Meter hoch, sind zunächst einmal nur ein paar Stangen, die in der Landschaft stehen. Doch dann, wenn man darauf zuläuft, fügt sich alles in genau 35 Meter Entfernung zu einem Bild, das Mandelas Gesicht entstehen lässt. Die Botschaft ist klar: Einzelne Details halten das Bild zusammen und symbolisieren damit Solidarität.

    Ein paar Meter weiter findet sich ein Museum, das vor allem davon lebt, dass es die großen Momente Mandelas als Filmmitschnitte zeigt. Weil das Haus eher einer Bretterbude gleicht, zog das nebenan Bauaktivitäten nach sich. Mit dem Ergebnis, dass in diesem Jahr ein schickes Museum eröffnet.

    Denkmal und Museum laufen unter dem Namen „Capture Side“. Lange Zeit ein unwichtiger Ort im Irgendwo, änderte sich das am 5. August 1962 schlagartig mit der Gefangennahme. Mandela, längst in den Untergrund abgetaucht und mit verschiedenen Identitäten unterwegs, befand sich auf einer Autofahrt nach Johannesburg. Als er in einer unscheinbaren Kneipe Rast machte, schlug die Polizei zu und schnappte den Staatsfeind Nummer eins.

    Heute ist von dem Rastplatz nicht mehr viel zu sehen. Ein paar schiefe Mauern und herumliegende Steine deuten an, dass hier in ein paar Jahren nur noch Staub liegen wird. Dafür entschädigt das als Hommage an das 50-Jahr-Jubiläum der Inhaftierung geschaffene Denkmal des südafrikanischen Künstler Marco Cianfanelli. Es ist damit der Beginn des „Long way to freedom“. Der lange Weg zur Freiheit – hier nahm er für 27 lange Jahre seinen Anfang.

    Am Ende dieses Weges war aus Rolihlahla schließlich Madiba geworden. Madiba wird ehrfürchtig-liebevoll ausgesprochen und bedeutet der alte Weise. Wer es schlichter mag, sagt Tata. Das heißt nichts anderes als Vater und bringt die Dinge am einfachsten auf den Punkt. Eine Vaterfigur, die es ihren politische Erben nicht gerade einfach machte. Mit Folgen, die Fremdenführerin Karoline Huntley-Smith, die seit 20 Jahren in Südafrika lebt und die Lage genau beobachtet, auf dem Rückweg von dem Stelen-Denkmal so beschreibt: Die politische Lage spitzt sich gerade wieder zu. Von Versöhnung keine Spur mehr. Sie ist sich sicher: Die Zeiten werden wieder rauer. Südafrika, sagt sie, stehe vielleicht einmal mehr vor einer Zerreisprobe.

    Einmal noch umdrehen. Der Mandela-Kopf löst sich langsam in einzelne Stäbe auf. Aber das ist egal, weil es immer bleiben wird: Das Gesicht eines Mannes, der vom wütenden Revolutionär zum Staatsmann und damit zum Glücksfall für Südafrika wurde.

    „Wir haben unseren Wächtern vergeben.“

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