(epd/dpa) Zum 70. Geburtstag hat sich Donna Leon mit „Himmlische Juwelen“ selbst ein Geschenk gemacht: Es ist ihr erster Kriminalroman, in dessen Mittelpunkt ein Komponist steht, der fast vergessene Agostino Steffani (1654-1728), eine schillernde Figur. Und diesmal ermittelt nicht Commissario Brunetti, sondern eine Musikwissenschaftlerin. Zusammen mit dem Roman erscheint die CD „Mission“ mit Arien des Barockmeisters, gesungen von Cecilia Bartoli. Denn Donna Leon liebt nicht nur Venedig mit all seinen Schönheiten und Katastrophen, sondern auch die Musik aus der Zeit, als die Lagunenstadt noch eine Großmacht war: die Musik des Barock.
Die US-Amerikanerin, geboren am 28. September 1942 in New Jersey, lebt seit 1965 in Italien, seit 1981 in Venedig. Es ist ein Leben zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen gestern und heute. Donna Leon unterrichtete in Italien englische und amerikanische Literatur, ihre besondere Liebe gilt Charles Dickens und der Lyrikerin Emily Dickinson.
Kein Radio und keinen Fernseher
Sie hat kein Radio und keinen Fernseher, ist dennoch eine kritische Beobachterin der italienischen Politik. „Eine von Korruption verseuchte Regierung, die Macht in der Hand eines einzigen Mannes konzentriert, Geschmack und Moral fast bis zur Unkenntlichkeit verdorben“, heißt es im Roman „Reiches Erbe“, dem im Sommer erschienenen 20. Brunetti-Krimi. Auch wenn der Name nicht fällt, gemeint ist eindeutig Berlusconi.
Ihr Ermittler Brunetti ist mittlerweile Kult. In Deutschland ist Donna Leon besonders populär, was sicher auch an den Fernsehverfilmungen ihrer Romane liegt. Ins Italienische lässt Leon ihre Romane nicht übersetzen, weil sie in ihrer Wahlheimat unerkannt bleiben will. „Niemand weiß, wer ich bin. Manchmal erkennen mich Touristen, aber keine Venezianer“, sagt sie. Schon vor 20 Jahren, gleich im ersten Venedig-Krimi („Venezianisches Finale“), traf man auf die typischen Elemente der Brunetti-Romane: Venedig, sein Zauber, sein Niedergang; Brunettis Familie, die Ehefrau Paola, die Tochter Chiara, der Sohn Raffi; Patta, der Vorgesetzte, dominant, aber unfähig.
Donna Leons Krimis haben eher altmodische Qualitäten, sie meiden die heute üblichen Brutalitäten und Gemetzel. Ähnlich wie Maigret versucht Brunetti, die Täter und Opfer zu verstehen: ihre Leidenschaften, ihre Macht- und Geldgier, ihre Angst, ihre Verzweiflung. Die Verbrechen sind oft typisch für die überteuerte Stadt, es geht um Korruption, mafiösen Immobilien- oder Kunsthandel. Natürlich fehlt es nicht an Action. Brunetti ist gebildet, er liebt seine Stadt – trotz ihres langsamen Verfalls, trotz des Massentourismus, der dazu führt, dass Venedig sich in ein Disneyland verwandelt. Vor allem nachts, wenn die Dunkelheit die Schäden an den Palazzi unsichtbar macht, ist Brunetti von der Schönheit der Serenissima fasziniert.
Ihr Refugium ist die Musik
Und so geht es wohl auch Donna Leon. Ihr Refugium ist die Musik, nicht nur des Venezianers Vivaldi oder ihres Lieblingskomponisten Händel. Sie liebt auch Mozart: Jeder Krimi hat ein Motto, meist aus einer Mozart-Oper. Ihre Erfolgsgeschichte verdankt Donna Leon auch dem Diogenes Verlag in Zürich, der ihre Bücher in schönen Ausgaben herausgebracht hat. Der Verlag erkannte auch, dass es neben der Krimihandlung die Stadt Venedig und die Familie Brunetti sind, die die Leser anziehen. Also gibt's einen Reiseführer, „Mit Brunetti durch Venedig“, und ein Kochbuch, „Bei den Brunettis zu Gast“.
Die ARD sendet in der Nacht vom 28. auf den 29. 9. die Brunetti-Filme „Feine Freunde“ (23.30 Uhr), „Sanft entschlafen“ (1.20 Uhr), „Acqua Alta“ (2.55 Uhr)