Ein Mittelalterdrama als Quotenrenner: Rund zehn Millionen Zuschauer sahen im Herbst 2010 auf Sat.1 die Verfilmung des Bestellers „Die Wanderhure“ mit Alexandra Neldel in der Hauptrolle. In der schwülen Geschichte wird eine mittelalterliche Magd Opfer einer fiesen Intrige und muss sich als Prostituierte verdingen, ehe sie endlich Rache an ihren Peinigern nehmen kann. Logisch, dass nach diesem Sensationserfolg nun auch der zweite Roman aus der Wanderhuren-Reihe verfilmt wurde: „Die Rache der Wanderhure“ heißt der Kostümstreifen, der am 28. Februar (20.15 Uhr) auf Sat.1 läuft und auf dem Bestseller „Die Kastellanin“ basiert. Hauptfigur Marie, die diesmal ihren auf einem Feldzug verschollenen Gemahl retten muss, wird erneut von Alexandra Neldel verkörpert. Die 36-Jährige wurde mit der Seifenoper „Verliebt in Berlin“ bekannt und bereitet sich derzeit schon auf die nächste Folge der Wanderhuren-Saga vor.
Frage: Die Verfilmung von „Die Wanderhure“ mit Ihnen in der Hauptrolle hatte sensationelle Einschaltquoten. Haben Sie eine Flasche Champagner geköpft, als Sie die Zahlen erfahren haben?
Alexandra Neldel: Natürlich habe ich mich wahnsinnig gefreut, aber so richtig gefeiert habe ich bis heute nicht. Als ich die Quoten erfahren habe, war ich nämlich gerade für die Hilfsorganisation „Habitat for Humanity“ in Nepal. Als die SMSen und die Anrufe kamen, war ich total baff, denn unser Team hatte zwar auf einen Erfolg gehofft. Aber dass der Film so viele Zuschauer haben würde, damit konnte man ja nicht rechnen.
Sind Sie selber vom Mittelalterfieber infiziert und lesen daheim dicke Schmöker über Burgfräuleins?
Neldel: Ganz ehrlich? Eigentlich nicht. Ich muss auch gestehen, dass ich nur das Drehbuch zu „Die Rache der Wanderhure“ gelesen habe, aber nicht die Vorlage, den Roman „Die Kastellanin“. Das hat mit Burgfräulein übrigens auch gar nix zu tun, das klingt ja auch viel zu süßlich. Ein Kastellan war man, wenn man ein entsprechendes Lehen vom König bekam und das bewirtschaftete.
Haben Sie denn eine Theorie, was viele Leute so am Mittelalter fasziniert? Die „Wanderhure“ war nicht der einzige einschlägige Stoff in jüngster Zeit, unter anderem wurde auch Ken Folletts „Die Säulen der Erde“ fürs Fernsehen verfilmt.
Neldel: Ich glaube, das kann sich keiner so richtig erklären. Ich würde sagen, dass den Leuten das Abtauchen in eine völlig andere Welt gefällt. Was bei den „Wanderhure“-Filmen noch dazukommt: Das Ganze spielt zwar im Mittelalter, so dass der Zuschauer auch mal was anderes zu sehen bekommt als sonst im Fernsehen, aber die Filme erzählen dennoch moderne Geschichten. Ich glaube nicht, dass es im Mittelalter eine Frau wie Marie gab, die so für ihre Rechte eingetreten ist, die Frauen hatten ja fast keine Rechte.
Die Frage, ob Sie denn gerne im Mittelalter gelebt hätten, erübrigt sich demzufolge?
Neldel (lacht): O Gott! Wir haben heutzutage Regenschirme, Fußbodenheizung, fließendes Wasser, wir können die Heizung anmachen – so was gab es damals alles nicht. Wir haben für die beiden Wanderhuren-Filme auf mehreren Burgen gedreht, und es war einfach immer kalt. Außerdem haben die Leute im Mittelalter, glaube ich, eine ganze Menge Fleisch gegessen, und das wäre für mich als Vegetarierin ein bisschen schwierig gewesen. Bei der Weißwurstparty am Rande der Dreharbeiten habe ich mich mehr über die Brezeln und den süßen Senf gefreut.
Als gelernte Zahnarzthelferin muss Ihnen auch der Gedanke an die Zahnhygiene im Mittelalter ein Graus sein . . .
Neldel: Einerseits ja. Andererseits gab es ja auch nicht wie heute den vielen Zucker, der die Zähne schädigen konnte . . .
Was war diesmal das Anstrengendste bei den Dreharbeiten?
Neldel: Ich weiß, dass die Journalisten so eine Antwort langweilig finden, aber die Dreharbeiten waren wie ein Nachhausekommen für mich, weil ich das Team von früher kannte. Wenn man sich kennt, ist es entspannter, es war ein tolles Gemeinschaftserlebnis. Wir hatten immer tolles Wetter – außer in Österreich, in Fuschl am See. Da hat es nur geregnet, war sehr kalt und schlammig Unser Regisseur hat sich gefreut, für die Szene von einem kalten, schmutzigen Heerlager im Mittelalter war das Wetter perfekt.
Sie mussten auch Reiten und Schwertkampf lernen . . .
Neldel: Aber das ist doch toll, das habe ich mehr als Geschenk betrachtet. Ich habe mit Unterbrechungen fünf Monate lang Schwertkampf und Reiten trainiert. Als Reiterin kann ich mich zwar noch nicht bezeichnen Aber es geht ja weiter für mich: Ich bin schon wieder im Training für den dritten Teil, der wahrscheinlich im Frühsommer gedreht wird.
Im ersten Film musste die von Ihnen gespielte Heldin Brutalität und sexuelle Gewalt erdulden – diese Szenen fielen Ihnen damals nicht leicht, sagten sie. Im zweiten Teil fehlen solche Stellen. Hatten Sie ein Wörtchen mitzureden?
Neldel: Diesmal ist Marie eher kämpferisch, was mir natürlich sehr gefallen hat, aber das basiert auf der Buchvorlage. Als krass habe ich diesmal die Szene empfunden, in der ich mit dem Schwert jemanden umbringe, das hat man ja auch nicht alle Tage. Es war ein Damenschwert, das extra für mich ein bisschen leichter war als ein normales Schwert.
Haben Sie sich auch mal wie eine echte Prinzessin gefühlt?
Neldel: So ein bisschen. Solche Burgen sind wahnsinnige Gebäude, und wenn man da mit seinem Kostüm durchrauscht, ist das schon toll. Gerade Maries Burg fand ich wunderwunderschön, und wir hatten auch ganz viele Tiere dort. Das ist eine ganz berühmte Burg in Tschechien, die gerne für Hochzeiten benutzt wird. Wir haben tatsächlich mitbekommen, dass Hochzeitsgesellschaften den Burgberg hochgelaufen sind und nebenbei geheiratet wurde, während wir gedreht haben.
Hörbuch-Tipp: Die Rache der Wanderhure (6 CDs, Lübbe Audio, gelesen von Anne Moll, 19,99 Euro).