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BERLIN: Aus dem Leben eines fränkischen Scharfrichters

BERLIN

Aus dem Leben eines fränkischen Scharfrichters

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    Aus dem Leben eines fränkischen Scharfrichters
    Aus dem Leben eines fränkischen Scharfrichters

    Meister Frantz tötete von Berufs wegen fast 400 Menschen. Allein 172 Männer und Frauen erhängte er, 30 Schwerverbrecher räderte er. Daneben die vielen Delinquenten, die der Nürnberger Scharfrichter folterte und verstümmelte. Wie sah das Leben eines Mannes aus, der einen solch schauerlichen Beruf ausübte und darin auch noch besonders erfolgreich war? Obwohl Meister Frantz einem verachteten Berufsstand angehörte, war er ein wohlhabender, am Ende seines Lebens auch angesehener Mann.

    Der amerikanische Historiker Joel F. Harrington porträtiert in seinem Buch „Die Ehre des Scharfrichters“ den wohl außergewöhnlichsten Henker der deutschen Geschichte, Frantz Schmidt (ca. 1554 bis 1634) aus Nürnberg. 45 Jahre lang übte er sein grausiges Amt aus und führte darüber penibel Buch. Die Chronik des Schreckens wurde zur Grundlage für Harringtons faszinierende Biografie. Dabei interessiert den Professor für Europäische Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville vor allem Schmidts unermüdliches Streben, seine Ehre wiederherzustellen.

    Die staatliche Strafverfolgung war kläglich ineffizient, selten gab es handfeste Beweise, Spurensicherung kannte man nicht. Entsprechend schwierig war es, Täter zu überführen. Die These, dass „Schmerz die Wahrheit ans Licht bringt“, scheint von Frantz Schmidt nicht grundsätzlich infrage gestellt worden zu sein. Allerdings hält Harrington ihn keinesfalls für einen Sadisten: „Fast immer versuchte er, mit Hilfe von psychischem Druck und anderen nicht gewaltsamen Mitteln an ein Geständnis zu kommen, bevor er dem Verdächtigen Schmerzen zufügte.“ Der Scharfrichter hatte einen gewissen Entscheidungsspielraum. So empfahl Meister Frantz die Freilassung von zwei älteren Frauen, die der Hexerei verdächtigt wurden, weil sie nicht einmal die mildeste Form der Folter aushalten würden.

    Am meisten verabscheute der Henker Mord aus Niedertracht. Mehrfach schildert er ausführlich Raubmorde aus dem Hinterhalt, etwa wie ein Sohn seinem Vater auflauerte, als dieser gerade arglos eine Vogelfalle aufstellte. Das Scharfrichteramt galt als unredlich. Die Familien führten eine Existenz am Rande der Gesellschaft, waren von vielem ausgeschlossen. Für die aus Hof stammende Familie Frantz war es besonders bitter, denn das ungeliebte Amt war ihr von einem Landesherrn aufgebürdet worden. Frantz Schmidt kämpfte sein Leben lang gegen diese Demütigung an. Zunächst indem er seinen Beruf als ein Handwerk wie jedes andere auffasste, das er so gut wie möglich auszuüben suchte. Schmidt erlaubte sich kaum Patzer. Nur zwei Prozent seiner Hinrichtungen mit dem Schwert misslangen.

    Zudem war sein Lebenswandel vorbildlich. Die Stadt Nürnberg dankte ihm durch gute Bezahlung. Vermutlich war Schmidt der bestbezahlte Scharfrichter im ganzen Reich. Später erwarb er sogar das Bürgerrecht. In seinem Ruhestand stieg er schließlich zum Volksmediziner auf, die Krönung seiner Laufbahn.

    Joel F. Harrington: Die Ehre des Scharfrichters. Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert (Siedler Verlag, 400 Seiten, 24,99 Euro)

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