Fast ganz zum Schluss, nach zweieinhalb Stunden, wird es totenstill. Spätestens jetzt, als er die Bühne nach einem ebenso denkwürdigen wie bitteren Monolog verlässt und im Saal die Betroffenheit greifbar ist, kann man mit reinstem Gewissen feststellen: Es war eine segensreiche Entscheidung von Georg Schramm, aus der Anstalt auszubrechen. Der Kabarettist verließ im Sommer die erfolgreichste Satiresendung des deutschen Fernsehens, „Neues aus der Anstalt“, die er dreieinhalb Jahre zuvor mit Urban Priol gegründet hatte, ja vor allem deshalb, damit er sich wieder auf der Bühne austoben kann, wie im proppenvollen Bockshorn in Würzburg.
Wenn man nur ein Wort zur Verfügung hätte, um Schramms neues Programm („Meister Yodas Ende“) zu beschreiben, dann könnte, nein, dann müsste es zwangsläufig dieses sein: gigantisch. Das neue Solo ist, ja, man muss es so sagen, sein Meisterwerk. Ein Stück, das erneut, diesmal noch radikaler und konsequenter, über außergewöhnliches Kabarett hinausgeht. „Die deutsche Sprache hat Kraft, wenn man bereit ist, damit umzugehen“, lässt Schramm seine Paradefigur, den mit unheiligem Zorn erfüllten Rentner Dombrowski, sagen. Bei Schramm hat die Sprache nicht nur Kraft – sie hat brutale Wucht, fast schon Gewalt. Tagespolitik kommt zwar vor, Guttenberg und sogar Japan, auch die üblichen Verdächtigen, Merkel und Westerwelle, werden als „Furunkel am Arsch des Bösen“ abgewatscht, aber weiter kümmert er sich nicht mehr um sie. Schramms Themen sind andere. Wichtigere. Ältere. Größere. Wenn er „unstillbare Habgier“ als „Triebfeder und Kern des Bösen“, als „Prinzip unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung“ definiert und Papst Gregor den Großen zitiert („Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht!“), dann tut er das auch schauspielerisch in einer Art, wie kein anderer Kabarettist es kann.
Zölibat, Bundeswehr im Afghanistankrieg, Zwangsernährung durch Magensonde, Demenz, die beste Art des Freitods – Schramm haut einem wie immer starken Tobak um die Ohren, und mancher erträgt die Logik seiner Assoziationsketten sicherlich nur, weil er Pointen so setzt, dass sie wirken wie kleine Pausen zum Atemholen. Es ist große Kunst, Tragik und Melancholie mit Witz und Ironie so verschwimmen zu lassen.
Schramm hat seine Figuren weiterentwickelt. Presseoffizier Sanftleben säuft sich die Welt erträglicher, SPDler August übt sich in zivilem Ungehorsam, und ausgerechnet Dombrowski, der Moralist, resigniert angesichts der augenscheinlichen Sinnlosigkeit seines Tuns und seiner fortschreitenden Demenz. „Die Entwicklungen kann ich nicht mehr rückgängig machen“, sagt Schramm, wenn man mit ihm im Anschluss plaudert bei einer Pizza und alkoholfreiem Hefe. Und beim zweiten gibt er zu, dass ihn bisweilen ein wenig Wehmut befällt, wenn er an die Anstalt zurückdenkt. Aber nur manchmal und nur ein wenig.