I ch hau' ihm die Faust in die Fresse", wettert der Bildschnitzer. Anno 1525: Tilman Riemenschneider steht vor Gericht. Beteiligung am Bauernaufstand wird ihm vorgeworfen und Widerstand gegen den Fürstbischof. Riemenschneider wird in Ketten gelegt und landet in der Würzburger Festung. Er wird gefoltert, die Hände werden ihm gebrochen. Der begnadete Schnitzer wird nie mehr arbeiten können. Er stirbt 1531 im Alter von 71 Jahren . . .
Legenden ranken sich um das Leben Tilman Riemenschneiders. Das markige Zitat vor dem Gericht stammt aus einem Riemenschneider-Hörspiel, das Mitte der 1930er Jahre entstand; die Geschichte mit den gebrochenen Händen ist im Volksmund überliefert und sorgt in Casimir von Pászthorys Riemenschneider-Oper für die rechte Portion Tragik.
Historisch korrekt sind eine zumindest indirekte Beteiligung Tilman Riemenschneiders am Bauernaufstand und eine Kerkerhaft. Für verstümmelte Hände finden sich keine Beweise. Richtig ist auch, dass der um 1460 in Heiligenstadt geborene Riemenschneider in seiner Wahlheimat Würzburg großes Ansehen genoss und Einfluss hatte. Der Bildhauer, der zwischen 1520 und 1524 Bürgermeister war, wäre durchaus der Mann gewesen, eine Opposition gegen den mächtigen Fürstbischof zu organisieren . . .
1483 war Riemenschneider nach Würzburg gekommen, am 7. Dezember dieses Jahres trat er als "Malerknecht" in die Sankt-Lucas-Gilde der Maler, Bildhauer und Glaser ein. 1485 heiratete er die Anna Schmidt, die Witwe eines Goldschmiedemeisters, kam dadurch zu Meisterehren, zu gesellschaftlichem Ansehen und auch zu Reichtum. Meister Til heiratete insgesamt viermal (drei Frauen starben). Dass eine der Gattinnen Modell für seine nackte Eva stand, die er für die Würzburger Marienkapelle schuf - was damals angeblich einen Skandal auslöste -, gehört wohl auch ins Reich der Legende.
Riemenschneider wurde durch die Heiraten reich. Er besaß Grundstücke, Häuser und Weinberge. Sein Geschäft florierte, die Auftragslage für seine Werkstatt war exzellent. Riemenschneider arbeitete für das Kaisergrab im Bamberger Dom, schuf das Scherenberg-Grabmal im Würzburger Dom und den Heiligblut-Altar in Rothenburg ob der Tauber. Riemenschneiders Streben nach Idealisierung und Ausgewogenheit, den ins Innere gewendeten Ausdruck des Figuren, zeigt in Vollendung der Creglinger Altar.
Tilman Riemenschneider ist in fränkischen Kirchen gut repräsentiert. Geballt lässt sich seine Kunst in der Festung Marienberg erleben. Das Mainfränkische Museum zeigt mit über 80 Werken die weltweit größte Ausstellung von Riemenschneider und Werkstatt.
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