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ROM: Der göttliche Michelangelo

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Der göttliche Michelangelo

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    Meisterwerke: Die „Erschaffung Adams“ ist der berühmteste Teil von Michelangelos Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle. Unten die David-Skulptur.
    Meisterwerke: Die „Erschaffung Adams“ ist der berühmteste Teil von Michelangelos Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle. Unten die David-Skulptur. Foto: Fotos: Musei Vaticani/dpa, Thinkstock

    Er schuf eines der faszinierendsten Bilder – und löste mit einem anderen in derselben Kirche eine der skurrilsten Episoden der Kunstgeschichte aus: Was daran gelegen haben mag, dass Genies von Zeitgenossen oft missverstanden werden. Michelangelo Buonarroti war ein Genie. Der Vollender der Renaissance, der Wegbereiter des Barock, der am 18. Februar 1564 – also vor 450 Jahren – starb, vereinte das Wissen seiner Epoche in sich, als Bildhauer, Maler und als Baumeister.

    Es war revolutionär, was der Meister in vierjähriger Mühsal – Arm über Kopf – auf den feuchten Putz des Tonnengewölbes der Sixtinischen Kapelle malte. Michelangelo zeigte Szenen aus der Genesis, dem ersten Buch des Alten Testaments. Es ist das einzige Werk, das er so vollenden konnte, wie er es sich vorgestellt hatte. Es ist auch die heute noch populärste Arbeit des am 6. März 1475 im toskanischen Caprese geborenen Künstlers. „Die Erschaffung Adams“ wurde und wird zigfach auf Postern und T-Shirts reproduziert.

    Fenster in den Himmel

    Doch der Meister eckte mit dem Deckenfresko bei seinem Auftraggeber, Papst Julius II., an, als es am 1. November 1512 enthüllt wurde. „Man warf Michelangelo vor, er habe sich zu viele Freiheiten genommen“, erklärt Erich Garhammer, Würzburger Theologieprofessor und Kunstkenner. Anstatt den Glauben zu illustrieren, habe der Maler zu sehr aus der Fantasie heraus gearbeitet, hielt man Michelangelo vor. Auch ungewohnt viel nackte Haut schockierte Zeitgenossen. Dahinter stand aber nicht in erster Linie Michelangelos Freude an schönen (Männer-)Körpern. Nacktheit zeigt vor allem das neue Menschenbild der Renaissance. Als Ideal galten die klassischen Statuen der Griechen. So wirken denn auch Michelangelos biblische Figuren, als seien sie Heroen aus der griechischen Mythologie.

    Die Erschaffung Adams ist nur ein Teil des Werkes, das Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni zwischen 1508 und 1512 in der vatikanischen Kapelle schuf. 520 Quadratmeter belebte er mit mehr als 115 überlebensgroßen Figuren. Die Szenen aus dem Alten Testament umgab er mit einer gemalten Architektur, die wirkt, als öffneten sich Fenster in den Himmel. „Der Eindruck ist überwältigend“, erinnert sich Professor Erich Garhammer an einen Besuch der berühmten Kapelle.

    „Malerei ist nicht mein Geschäft“, sagte Michelangelo gerne. Er fühlte sich als Bildhauer. 1536 bis 1541 arbeitete er dennoch erneut mit Pinsel und Farbe in der Sixtina und schuf, als Altargemälde, das „Jüngste Gericht“. Das riesige Bild zeigt Michelangelo auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Er packte die Lebenserfahrung eines über 60-Jährigen und das Können einer langen Künstlerexistenz in sein Werk. Vor diesem Bild findet bis heute die Papstwahl statt. Die Kardinäle betonen, dass sie dieses Werk nicht kaltlässt, so Erich Garhammer. So war es auch bei der Wahl von Kardinal Jorge Mario Bergoglio zu Papst Franziskus.

    Michelangelo wurde wieder missverstanden. Diesmal eckte er mit seiner Kunstauffassung nicht nur an – es gab einen regelrechten Skandal. Paul III., der mittlerweile den Stuhl Petri bestiegen hatte, reagierte entsetzt, als er die nackten und barbusigen Körper der Seligen und Verdammten sah, die über knapp 200 Quadratmeter wimmeln. Der Zeremonienmeister Seiner Heiligkeit soll gelästert haben: So könne man eine Taverne ausmalen, aber keine päpstliche Kapelle. Michelangelo revanchierte sich, indem er ein Porträt des Zeremonienmeisters in sein Bild einfügte und mit Eselsohren versah . . .

    Der Skandal hatte Folgen: Pius IV., Nachfolger von Paul III., ließ die anstößigen Blößen von Daniele da Volterra überpinseln. Volterra trug das den Spottnamen „Hosenmaler“ ein – der Kunstgeschichte eine skurrile Episode.

    Eigentlich hatte Michelangelo Kaufmann werden sollen. Doch dann durfte der Junge bei dem berühmten Freskenmaler Domenico Ghirlandaio in die Lehre gehen und die Bildhauerakademie besuchen. Gerade mal 15 war der Sohn eines Ratsherren, als die Medici auf ihn aufmerksam wurden. Im Palast der mächtigen Familie lernte er Dichter, Künstler und Gelehrte kennen und erweiterte seinen Horizont. Er arbeitete fleißig. Mit 25 wurde Michelangelo als bester Bildhauer Italiens gefeiert. Sein berühmtestes Frühwerk ist die Pieta im Petersdom. Immer wieder woben Konkurrenten Intrigen gegen ihn. Immer wieder wurde der Meister von Selbstzweifeln geplagt. Doch sein Ruf festigte sich. In seinen letzten Lebensjahren wurde er „Il Divino“ (der Göttliche) genannt.

    1547 übernahm Michelangelo die Leitung der Bauarbeiten für den Petersdom – ohne Lohn zu verlangen. Auch auf der größten Baustelle der Christenheit machte sich der mittlerweile 72-jährige grantelnde Einzelgänger keine Freunde. Seine Vorgänger beschimpfte er rundheraus als „Schafe und Ochsen“, die mehr zertrümmert als aufgebaut hätten. Tatsächlich war der Petersdom in den Jahrzehnten zuvor mehrfach begonnen, wieder teils eingerissen und umgebaut worden. Auch Michelangelo zertrümmerte erst einmal jede Menge Mauerwerk. Dann brachte er den Bau so weit wie möglich voran, wohl wissend, dass er die Fertigstellung des Doms nicht mehr erleben würde.

    Als Michelangelo starb, klaffte im Zentrum des Baus in 75 Metern Höhe ein 40 Meter breites Loch. Das statisch heikle Unterfangen des Kuppelbaus gelang vollends erst im Jahr 1593. Die doppelwandige Kuppel des Petersdoms, entworfen von „Il Divino“, ist das größte freitragende Ziegelbauwerk der Welt.

    Wichtige Michelangelo-Werke

    Römische Pieta: Die Skulptur des toten Jesus im Schoß Marias wurde 1499 vollendet. Die Statue befindet sich im Petersdom zu Rom.

    David: Die über fünf Meter hohe kolossale Statue aus einem Marmorblock wurde 1504 in Florenz aufgestellt.

    Schöpfungsgeschichte: Michelangelo schuf von 1508 bis 1512 das 800 Quadratmeter große Fresko am Deckengewölbe der Sixtinischen Kapelle in Rom mit der Schöpfungsgeschichte als zentralem Motiv.

    Jüngstes Gericht: Die Enthüllung des monumentalen Bildes an der Altarwand der Sixtinischen Kapelle sorgte 1541 wegen seiner zahlreichen Aktdarstellungen für einen Skandal.

    Julius-Grabmal: 1545 wurde das Marmor-Grabmal für Papst Julius II. vollendet – 40 Jahre nach dem Auftrag zu dem Werk.

    Petersdom: Michelangelo entwarf 1557 die monumentale Kuppel der Kirche. Sie wurde 1593 vollendet – 29 Jahre nach dem Tod des Künstlers. Text: dpa

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