„Wenn ein studierter Philosoph ein Libretto schreibt, wird das kein Theaterstück, sondern besinnlich im wahrsten Sinne des Wortes“, erläutert Winfried Böhm sein neuestes Textbuch. Texte zu musikalischen Werken hat der ehemalige Professor für Pädagogik an der Universität Würzburg schon mehrere verfasst, etwa zu Wilfried Hillers Kirchenoper „Augustinus“ oder dessen Oratorium „Der Sohn des Zimmermanns“. Nun ist ein weiteres hinzugekommen.
Zum Jubiläum des Würzburger Monteverdi Chors – er wurde vor 25 Jahren gegründet – hat Dirigent Matthias Beckert ein Weihnachtsoratorium in Auftrag gegeben. Uraufführung ist am 9. Dezember in der Würzburger Neubaukirche. Als Komponisten wählte er den 42-jährigen Kölner Michael Ostrzyga, der vor allem für Chormusik bekannt ist; das Libretto vertraute er Böhm an. Die Chemie habe auf Anhieb gestimmt. „Sie können sich nicht vorstellen, wie harmonische diese Zusammenarbeit war“, freut sich Winfried Böhm. „Wir waren uns in allen Punkten einig.“
Zwei Jahre Arbeit
Vom ersten Treffen bis zum letzten Taktstrich vergingen zwei Jahre. Michael Ostrzygas knapp zweistündiges Weihnachtsoratorium „Puer natus est“ („Ein Kind ist geboren“) ist besetzt mit Chor, drei Gesangssolisten und großem Orchester (die Jenaer Philharmonie(. Gesungen wird in deutscher und lateinischer Sprache. In der Weihnachtsgeschichte hat Böhm nach Sinn und Identität, nach Antworten und Herausforderungen gesucht – und all das in ein erstaunlich schmales Libretto gepackt: „Was die Musik auszudrücken vermag, muss das Wort nicht sagen.“ In zehn Bildern spannt das Oratorium einen ungewöhnlich weiten Bogen vom Anfang bis zum Ende der Welt: Beginnend mit der zeitlosen Stille vor Entstehung des Menschen schreitet es über die „Erschaffung des Menschen“, die „Vertreibung aus dem Paradies“ und den wegweisenden „Morgenstern“ zunächst bis zu Christi Geburt voran. Diese sonst so zentrale Szene kommt hier völlig ohne Worte aus. Stattdessen zeichnet die Musik die Atemgeräusche der unter Wehen stöhnenden Maria nach, ihre Herzschläge, das Zittern des Vaters. Nur zum Schluss der Satz: „Es ist vollbracht.“
Das ist kühn. Sind dies doch eigentlich die Worte des sterbenden Jesus am Kreuz. Die Figur des Kindsmörders Herodes gemahnt an die Gräuel moderner Diktaturen.
Josefs Zweifel
Lebendig schildert Böhm die Szene der „Verkündigung“, die von den zwei berühmten Gesängen „Ave Maria“ und „Salve Regina“ begleitet wird: Bereitwillig nimmt die schwangere Maria ihr Schicksal an. Joseph aber reagiert aufgebracht ob der „Schandtat“ seiner Verlobten. Kraft seiner Liebe gelingt es ihm aber, der vermeintlich untreuen Frau zu vertrauen und zu ihr zu stehen.
Spektakulär feiert die „Hochzeit zu Kana“ die Liebe, der Wein fließt in Strömen. Ein sechsstimmiger Kanon fordert den Hörer auf: „Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen!“
Winfried Böhm schätzt Ostrzygas ausdrucksstarke, abwechslungsreiche Musik und zeigt sich von den Proben tief beeindruckt: „Die Leute werden sich nicht langweilen, das ist sicher!“ Zum Schluss kehrt die Musik überraschend in die Stille des Anfangs zurück – so kann jeder seine eigene Geschichte weiterspinnen.
Aufführungen: 9. Dezember (20 Uhr), 10. Dezember (17 Uhr) in der Würzburger Neubaukirche. Werkeinführung am Sonntag, 10. Dezember, 14.30 Uhr, im Burkardushaus.