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GIEBELSTADT: Die Fantas wissen eben, wie's geht

GIEBELSTADT

Die Fantas wissen eben, wie's geht

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    Oben: Thomas D mit Comedian-Qualitäten: „Was heißt eigentlich Giebel auf englisch? Geibel? Hallo Geibel-City!“Unten: Die Beinahe-Fünfziger der Fanta 4 mit unterschiedlichen Flughöhen.
    Oben: Thomas D mit Comedian-Qualitäten: „Was heißt eigentlich Giebel auf englisch? Geibel? Hallo Geibel-City!“Unten: Die Beinahe-Fünfziger der Fanta 4 mit unterschiedlichen Flughöhen. Foto: Fotos: Silvia Gralla

    Der Schwabe ist pünktlich und sparsam. Diese vier Beinahe-Fünfziger da auf der Giebelstadter Flugplatz-Bühne sind Schwaben – ergo: pünktlich und sparsam. Die Fantastischen Vier beginnen auf die Minute um Neun, und nur eindreiviertel Stunden später ist Sense. Doch spätestens beim finalen „Troy“ merken die nicht ganz 10 000 Fans, wie viele Hits die Stuttgarter in 28 Jahren da angehäuft haben. Donnerwetter! Alte Hasen eben.

    Auch altes Eisen? Na, in Steinwurf-Weite des Big-Windy-Hangars keineswegs, da machen die Fantas mächtig Wind. Ein Medley mit Riesen-Hits („Dicker Pulli“, „Was geht?“) gleich zu Beginn. Und Thomas D mit Comedian-Qualitäten: „Was heißt eigentlich Giebel auf englisch? Geibel? Hallo Geibel-City.“

    Alle Franken sind „Franky“

    Kommt gut. Auch, dass die Jungs ihre Freunde vor der Bühne alle „Franky“ nennen – Franken halt. Und ehe sich die ganzen Frankys versehen, bekommen sie auch schon „Die da“ auf die Ohren. Den größten Gassenhauer in der Aufwärmphase, das bringt auch nicht Jeder. „Jetzt haben wir die ersten fünf Jahre abgefrühstückt“ – die Vier wissen, wie's geht.

    Und genau das macht diese Combos aus den guten alten Achtzigern aus. Genau darum lassen sie noch immer die Massen strömen. Sie wissen, wie's geht. Ob Depeche Mode, die nach einem Nickerchen wieder Touren wie der Teufel, ob Guns 'n' Roses, die nach über 20 Jahren schöpferischen Tiefschlafs aus dem Stand die Stadien füllen – alt ist gleich bewährt ist gleich gut. Und mit einem Mal lernen auch die Jungen in Zeiten kürzestlebiger You-Tube-Sternchen Qualität zu schätzen. Depeche Mode, die Gunners oder eben auch die Fantas – das ist nicht Massenwahre von der Stange, das ist Schneiderhandwerk.

    Die Jungen werden kaum Kult

    Dass sich viele junge Bands schwertun, gegen den Kultstatus der Alten anzustinken, mag die Kehrseite sein. Manch einer wird sich fragen, warum bei den großen Festivals immer noch die Toten Hosen Headliner sind, die wesentlich frischeren Broilers zwei Stunden davor an der Reihe sind? Oder sich In Flames mit innovativen Stilwechseln auf höchstem Niveau einen abzappeln, aber Iron Maiden auf den Festival-Shirts immer noch oben stehen?

    Sie haben eben diese Konkurrenz in Medien, die es zu den Zeiten der Supergroups noch nicht gab. Für sich allein sind You-Tuber, Instagrammer und was sich sonst noch alles herunterladen statt kaufen lässt, kleine Lichtlein – in Summe dimmen sie aber greifbaren, realen Bands das Licht ein Stückchen herunter.

    Den Fantastischen Vier wird's grad schnurz sein an diesem wunderbar lauen Sommerabend. Sie schwelgen in nur scheinbar naiven, aber sagenhaften Versen („ich wollte noch danke sagen, doch ich lieg' im Krankenwagen“) und demonstrieren, dass weißes Bühnenlicht nicht fad sein muss – auch wenn bei „Yeah, yeah, yeah“ oder „MFG“ der VJ mal eine Portion mehr Rot drunter mischen darf. Die Effekte sind wohldosiert, der Humor auch. Die Vier albern herum, nehmen sich gegenseitig, besonders aber Keyboarder Andy Ypslion auf die Schippe und sich selbst nicht zu ernst.

    Michi Beck ist kein Rapper

    „I'm not a Rapper“ prangt auf Michi Becks Shirt, „Heavy Metal“ auf Thomas Ds – naja, einigen im Publikum ist die Mucke offenbar eh nicht so wichtig, Hauptsache einer da oben sagt mal „rocken“ und schon geht die Pommesgabel, eigentlich eine Metaller-Geste, nach oben.

    Open Air der Fanta 4: Thomas D
    Open Air der Fanta 4: Thomas D Foto: Silvia Gralla

    Derweil gelingt der Stuttgarter Hip-Hop-Legende der Spagat zwischen Neuem und Klassischem – na, jawohl: fantastisch. „Wir schreiben gerade an einer neuen Platte“ – Thomas D spricht tatsächlich von einer Platte, „Hate“ als Appetitmacher funktioniert. Dass es dann zum chilligen, in Blau getunkten „Tag am Meer“ eine ausführliche Band-Vorstellung gibt, ist so was von Neunziger, dass es Jedem, der schon bei Turnhallen-Shows statt in Multifunktionsarenen abgefeiert hat, warm ums Herz wird.

    Tiefgang können sie schon auch

    Und dass zwischen viel hübsch gereimtem Unfug auch Platz für musikalischen und textlichen Tiefgang ist, beweist Thomas D mit dem mythisch zelebrierten „Krieger“. „Was glauben da manche, uns erzählen zu wollen?“ fragt der tätowierte Haarverzichter vorher die Fans mit blankem Oberkörper. „Uns gibt's alle nur einmal auf dem Planeten. Wir sind alle Individuen.“ Er war im bekennenden Fun-Quartett eben schon immer für die ernsteren Töne da. Doch kaum ist D wieder angezogen, regiert beim „Picknicker“ wieder der Spaß.

    The Catch's Achtziger-Hymne „25 Years“ eröffnet liebevoll verdeutschrappt die Extrarunde, „Populär“ und „Troy“ räumen endgültig ab. Die Fans, die, anders als beim 2016er Gabalier-Verkehrschaos, ohne Staus und Wartereien aufs Gelände gekommen und von den Sorgenkindern so charmant wie belanglos eingestimmt worden sind, hüpfen und tanzen. So geht ein schöner Hip-Hop-Abend: ohne Lederjacken, Pistolen, Rolex-Uhren und sonstiges postpubertäres Gedisse.

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