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Die Galileo-Legende

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Die Galileo-Legende

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    Neues Weltbild: Galileo Galilei in einer Projektion des Zeiss-Planetariums Jena (oben). Im Text: Jupitermonde (Fotomontage).
    Neues Weltbild: Galileo Galilei in einer Projektion des Zeiss-Planetariums Jena (oben). Im Text: Jupitermonde (Fotomontage). Foto: Fotos: dpa

    Bevor wir Ihr berühmtes Rohr applizieren, möchten wir um das Vergnügen eines Disputs bitten. Thema: Können solche Planeten existieren?“ Galileo Galilei reagiert erstaunt: „Ich dachte mir, Sie schauen einfach durch das Fernrohr und überzeugen sich.“ So erzählt Bertolt Brecht Galileo Galileis Begegnung mit Kirchenmännern.

    Ein Wissenschaftler auf verlorenem Posten. Denn die Mächtigen interessieren sich gar nicht für seine Erkenntnisse. Ihnen geht es um den Erhalt ihrer Macht. Brechts Drama „Leben des Galilei“ transportiert genau dieses Bild von dem Italiener, der am 15. Februar 1564, also vor 450 Jahren, geboren wurde. Ein Bild, das die historische Wahrheit indes nur unscharf widerspiegelt.

    Doch Legenden haben ihre eigene Wahrheit – jenseits historischer Fakten. Die Galileo-Legende macht den in Pisa geborenen Sohn einer veramten Patrizierfamilie zum Mahnmal für Toleranz und Freiheit des Denkens. Bert Brecht zeigt das plakativ anhand bornierter katholischer Kirchenmänner. Doch es geht nicht nur um Kritik an der katholischen Kirche. Die Legende und die zeitlose weltanschauliche Botschaft – derer sich Galilei sicher nicht bewusst war – gehen darüber hinaus: Sie richten sich gegen Fanatismus und ideologische Verblendung, in jeglicher Ausprägung. Im übertragenen Sinne lautet die Botschaft, man solle den Blick durch das Fernrohr wagen und nicht an festgefahrenen Ansichten und Vorurteilen kleben.

    Wissenschaftlich gesehen waren Galileos Thesen keineswegs neu. Schon die alten Griechen hatten über ein heliozentrisches System nachgedacht. Seit dem Spätmittelalter hatten selbst Kirchenmänner klammheimlich das geozentrische Weltbild ad acta gelegt. Und bereits eine Generation vor Galilei hatte Nikolaus Kopernikus (1473 bis 1543) nachgewiesen, dass die Erde um die Sonne kreist – und nicht umgekehrt. Doch Galileo hatte ein Fernrohr auf den Sternenhimmel gerichtet und so den sichtbaren Nachweis des heliozentrischen Weltbildes erbracht: Er sah, wie Monde den Jupiter umkreisten. Da war klar: Es dreht sich nicht alles im Universum um die Erde. Man musste nur durch die Linsen blicken . . .

    Die Kirchenoberen aber wollten die Erde im Zentrum sehen, auf der die Papstkirche ihre von Gott verliehene Macht ausübte. 1633 wurde Galilei festgenommen und von der Inquisition verhört. Eine Kardinalskommission verurteilte das Weltbild des Mathematikprofessors – keineswegs einstimmig. Galilei war auch nur ein Mensch. Er beugte sich dem Druck und widerrief. Im Hinausgehen aus dem Verhörzimmer soll er noch widerborstig gemurmelt haben: „Und sie bewegt sich doch“ – die Erde um die Sonne. Doch für den berühmten Spruch gibt es keinen Beleg. Er ist Legende. Gefoltert wurde der Wissenschaftler wohl nicht. Doch er stand bis zu seinem Tod am 8. Januar 1642 unter Hausarrest. Hier konnte er sein Lebenswerk vollenden, die „Discorsi“, die zur Grundlage für Newtons Gravitationslehre werden und den letztgültigen Beweis für Kopernikus erbringen sollten.

    Galileo war alles andere als ein skeptischer Atheist und Rebell gegen die Lehrautorität der Kirche. Im Gegensatz zu vielen Kirchenoberen beharrte der Mathematiker und Astronom aber darauf, die göttliche Offenbarung in der Natur sei an strenge Gesetze gebunden und erfordere exakte Beobachtung – nicht den Rückzug auf Bibelsätze. „Mir scheint“, erklärte er 1615, „wir sollten in der Diskussion von Naturproblemen nicht von der Autorität der Bibeltexte ausgehen, sondern von der Sinneserfahrung und von notwendigen Beweisführungen. Natürlich ist es nicht die Absicht des Heiligen Geistes, uns Physik oder Astronomie zu lehren oder uns zu zeigen, ob sich die Erde bewegt oder nicht.“

    Die Kirchenoberen fürchteten sich vor den Naturgesetzen. Denn: Musste mit der Fehlbarkeit der Bibel bei naturwissenschaftlichen Themen nicht das ganze Glaubensgebäude zusammenstürzen? Längst ist klar, dass die biblischen Texte in der Zeit ihrer Entstehung verwurzelt sind und naturwissenschaftliche Abhandlungen gar nicht sein können. Dennoch: Erst 1992 rehabilitierte Papst Johannes Paul II. Galileo. „Merkwürdigerweise zeigte sich Galilei als aufrichtig Glaubender weitsichtiger als seine theologischen Gegner“, sagte der Papst in einer Rede an der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.

    Zur Legende vom Freigeist, der sich, einzig der Wahrheit verpflichtet, gegen die etablierte und mächtige Kirche auflehnt, passt das eher nicht. Doch Legenden haben ihre eigene Wahrheit – jenseits historischer Fakten. Mit Material von epd

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