In ihrem Buch "Die Meinungsmaschine" beschäftigen sich Petra Gerster und Christian Nürnberger mit der Medienlandschaft - von der klassischen Zeitung über die sozialen Medien bis hin zum Thema Fake News. Sie untersuchen, wie berichtet, informiert und manipuliert wird, was erscheint, was weggelassen wird und welche Abhängigkeiten es gibt. Die Journalistin Petra Gerster ist vor allem als Moderatorin der ZDF-Nachrichtensendung "heute" bekannt, Christian Nürnberger schreibt für Publikationen wie "Die Zeit", "Süddeutsche Zeitung" und "Frankfurter Rundschau". Am Dienstag, 20. November, lesen Gerster und Nürnberger auf Einladung der Stadtbücherei um 19.30 Uhr in der Schweinfurter Rathausdiele aus ihrem Buch. Für dieses Interview haben wir die beiden mit (Kampf-)Begriffen aus der politischen Diskussion konfrontiert.
Massenmedien
Massenmedien sind Hirnveränderer, Menschen-Beeinflusser, Verhaltenssteuerer. Was ein Mensch im Lauf seines Lebens von der Kindheit bis ins hohe Alter liest, hört, sieht, hat großen Einfluss auf die Entwicklung seiner Persönlichkeit. Medienkonsum kann aus einem Menschen einen aufgeklärten kritischen Bürger machen, aber auch einen manipulierbaren Konsumbürger. Ob es mehr in die eine oder die andere Richtung geht, hängt von der Wahl seiner Medien ab.
Mainstreammedien
Mainstreammedien ist ein Kampfbegriff der Bescheidwisser unter den AfD-Wählern und Pegida-Anhängern und unterstellt, dass diese "gleichgeschalteten" Medien, also ARD, ZDF, FAZ und so weiter dem Volk absichtlich und in geheimer Absprache die Wahrheit verschweigen. Wer die erfahren will, müsse sich aus den Medien des Kopp-Verlags und jenen Internet-Foren informieren, in denen sich die Sektierer und Verschwörungstheoretiker dieser Welt ihre wunderlichen Wahrheiten zurechtzimmern, glauben die Bescheidwisser.
Qualitätsjournalismus
Qualitätsjournalismus ist jene Dienstleistung von Redakteuren, Reportern und freien Journalisten, die nach professionellen Regeln berichten, was relevant ist und was Bürger wissen müssen, um sich selbst ein fundiertes Urteil über die wichtigsten Fragen der Politik, Wirtschaft und Kultur bilden zu können. Sie unterscheiden Fakten von Fakes.
Lügenpresse
Lügenpresse ist ein gegen den Qualitätsjournalismus gewendeter Kampfbegriff derer, die wirklich lügen. Bekanntestes Beispiel: Als die 13-jährige russlanddeutsche Lisa eine Vergewaltigung durch Flüchtlinge erfunden hatte, sind die russischen Medien darauf angesprungen, Russlanddeutsche demonstrierten massenhaft vor dem Kanzleramt gegen die Flüchtlingspolitik, der russische Außenminister heizte die Stimmung an mit der Behauptung, die deutschen Medien und Behörden verschwiegen die Wahrheit. Schließlich klärte die Polizei: Das Mädchen hat die Nacht freiwillig bei ihrem 19-jährigen Freund verbracht.
Wissensgesellschaft
Mit Wissensgesellschaft ist einerseits gemeint, dass unsere Wirtschaft nicht mehr so sehr von Rohstoffen, Strom und Geld angetrieben wird als vielmehr von Wissen, Forschung und Entwicklung. Andererseits steckt darin die Übereinkunft, als Wahrheit nur das gelten zu lassen, was einer wissenschaftlichen Prüfung standhält.
Alternative Fakten
Als Kellyanne Conway, die Beraterin von Donald Trump, Lügen als alternative Fakten verkaufte, lachte die ganze Welt. Heute bleibt vielen das Lachen im Hals stecken angesichts der Tatsache, dass die offensichtliche Lüge für Trump ein Mittel der Politik ist, und er damit bei seinen Anhängern tatsächlich durchkommt.
Zwangsgebührensender
Das Wort Zwangsgebührensender ist nichts weiter als ein Programmpunkt auf der Liste jener neoliberalen Privatisierungsstrategen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschaffen wollen. Das erste, was geschähe, wenn nun auch noch das letzte Stück öffentlichen Gemeinguts irgendwelchen multinationalen Konzernen in den Rachen geworfen würde, wäre die Schließung von arte, 3sat und Phoenix, und aus dem Hauptprogramm von ARD und ZDF flögen die Dokus und die politischen Informationssendungen. Dafür bekämen wir dann einen weiteren RTLSat1ProSieben-Dschungelcamp- und Heidi-Klum-Kanal.
Gatekeeper
Nachrichtenredaktionen bekommen an jedem Tag von den Agenturen Nachrichten im Umfang von 14-bändigen Lexika geschickt. Die eigenen Redakteure, Korrespondenten und Reporter schicken ein weiteres Lexikon. Weil das in keine Zeitung und in keine Nachrichtensendung hineingeht, ziehen die Redaktionen das wichtigste ein Prozent heraus und werfen die restlichen 99 Prozent in den Papierkorb. Sie entscheiden also, was wichtig ist, sie sind die Gatekeeper oder Schleusenwärter, denen deshalb vorgeworfen wird, dem Volk vorzuschreiben, was ihm wichtig zu sein hat. Aber genau das ist ihr Job. Dafür wurden sie ausgebildet.
Rückkanal
Seit es das Internet gibt, gibt es den Rückkanal. Seitdem kann auf diesem Kanal jeder Leser dem Literaturpapst Contra geben, dem Starkolumnisten nachweisen, dass er keine Ahnung hat, den Modezaren für Magersucht verantwortlich machen, dem Kochgott in die Suppe spucken und dem Fitness-Guru sagen, dass es nicht darauf ankommt, dem Leben mehr Jahre zu geben, sondern den Jahren mehr Leben. Über diesen zweiten Kanal hat sich eine fünfte Gewalt etabliert, die der vierten auf die Finger schaut, sie kritisiert, korrigiert oder sie als Lügenpresse beschimpft und ihrerseits Lügen, Hetze, Angst und Hysterie verbreitet. Beides ist möglich, beides geschieht.
Wegen des großen Andrangs wurde die Lesung in die Schweinfurter Rathausdiele verlegt. Karten in der Stadtbücherei im Ebracher Hof oder unter Tel. (09721) 51 79 60.